Als vorzeitiger Blasensprung wird in der Schwangerschaft das Platzen der Fruchtblase vor dem Eintreten von Wehen bezeichnet. Nach dem Einreißen der Fruchtblase kommt es zum Abgang von Fruchtwasser.
Während der Schwangerschaft ist der Fötus (das ungeborene Kind) in der Gebärmutter von der mit Fruchtwasser gefüllten Fruchtblase umgeben. Bei einer normalen Geburt platzt die Fruchtblase erst, wenn der Muttermund eröffnet ist und die Wehentätigkeit verstärkt eingesetzt hat (rechtzeitiger Blasensprung). Bei manchen Schwangeren platzt die Fruchtblase jedoch schon vor dem Beginn der Geburtswehen. Ein vorzeitiger Blasensprung tritt bei etwa 15 Prozent aller Geburten auf.
Ein vorzeitiger Blasensprung muss zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft ärztlich untersucht und behandelt werden. Der Transport in ein Krankenhaus sollte möglichst im Liegen erfolgen.
Am häufigsten wird ein vorzeitiger Blasensprung durch eine Entzündung der Fruchtblase, insbesondere des unteren Eipols, ausgelöst. Die Infektion führt dazu, dass die Fruchtblase einreißt und das Fruchtwasser austritt. Diese Art der Entzündung wird Amnioninfektionssyndrom (AIS) genannt. Sie entsteht, wenn Keime, die natürlicherweise in der Vagina vorkommen, den Muttermund befallen und sich auf die Fruchtblase ausbreiten. Häufige Erreger des AIS sind bestimmte Bakterien: Streptokokken der Gruppe B (GBS), Staphylokokken, Enterokokken und E. coli. Eine Amnioninfektion zeigt sich hauptsächlich durch neu aufgetretenes Fieber bei der Schwangeren. Das AIS ist eine Erkrankung, die hohe Risiken für Mutter und Kind birgt. Komplikationen bei der Mutter sind durch die Bakterien ausgelöste Blutvergiftung (Sepsis), Schock und Störungen der Blutgerinnung. Für das Kind kann eine Amnioninfektion lebensbedrohlich sein und ist umso schlimmer, je jünger das Ungeborene ist. Ein AIS muss mit Antibiotika behandelt werden. Prinzipiell werden jedoch nur solche Medikamente verwendet, die dem Fötus nicht schaden.
Weitere Ursachen für eine geplatzte Fruchtblase sind frühzeitige Wehen und eine Schwäche des Muttermundes (Zervixinsuffizienz). Auch bei erhöhtem Druck auf den unteren Eipol kann es zum Einreißen der Fruchtblase kommen. Dies ist häufig der Fall, wenn das Kind in einer ungünstigen Position liegt oder die Mutter mehrere Kinder austrägt. Auch bei einer Fruchtwasseruntersuchung im Rahmen der Vorsorge und Diagnostik kann als Komplikation ein vorzeitiger Blasensprung auftreten.
Ein vorzeitiger Blasensprung ist mit einer erhöhten Rate an Fehl- und Frühgeburten verbunden, da er Wehen auslösen kann und Infektionen in der Gebärmutter auftreten können. In jedem Fall ist eine fachärztliche Untersuchung und eventuell die Einleitung einer Therapie notwendig.
Reißt die Fruchtblase ein, geht in der Regel Fruchtwasser im Schwall oder tröpfchenweise ab. Nur in seltenen Fällen, wenn die Fruchtblase oberhalb des Muttermundes platzt (hoher Blasensprung), kann das Fruchtwasser auch vollständig in der Gebärmutter bleiben. Manchmal ist es für die Schwangere nicht leicht zu unterscheiden, ob Fruchtwasser austritt oder Urin durch den hohen Druck auf die Blase abgeht. Bei jeder Unsicherheit ist es besser, die Situation von einem Frauenarzt einschätzen zu lassen. Ist die Fruchtblase geplatzt, können so schnell die nötigen Maßnahmen ergriffen werden.
Bei Verdacht auf ein Platzen der Fruchtblase kann der Frauenarzt mit einem Schnelltest möglicherweise vorhandenes Fruchtwasser in der Vagina nachweisen. Außerdem nimmt der Arzt einen Abstrich vom Muttermund und Fruchtwasser, um diese im Labor auf Bakterien untersuchen zu lassen. Durch diese Untersuchung und die Kontrolle des Entzündungsparameters CRP im mütterlichen Blut kann frühzeitig eine Amnioninfektion nachgewiesen und behandelt werden. Ebenso wichtig sind die regelmäßige Kontrolle der Temperatur der Schwangeren und die Beobachtung des Fötus mittels CTG (Cardiotokographie).
Das weitere Vorgehen bei einem vorzeitigen Blasensprung ist stark abhängig vom Alter des ungeborenen Kindes und der verbliebenen Stabilität der Fruchtblase. Je reifer das Kind ist, desto besser sind dessen Überlebenschancen. Ist durch einen Blasensprung Fruchtwasser abgegangen, treten jedoch keine Anzeichen einer Infektion oder eines AIS auf, kann prinzipiell unter ständiger Überwachung der Schwangeren und Beobachtung der Entzündungszeichen abgewartet werden. Ein Einriss der Fruchtblase kann sich von selbst verschießen und das ausgetretene Fruchtwasser durch Neubildung ersetzt werden. In diesem Fall kann, soweit keine weiteren Komplikationen auftreten, die Schwangerschaft ausgetragen und das Kind auf natürlichem Weg geboren werden.
Nach der 36. Schwangerschaftswoche (SSW) ist das Kind schon so weit ausgereift, dass es auch bei einem Blasensprung vor Beginn der Wehentätigkeit unter einer natürlichen Geburt zur Welt kommen kann. Man spricht von einem vorzeitigen Blasensprung am Termin. Treten nach dem vorzeitigen Blasensprung innerhalb von acht Stunden keine Wehen auf, werden diese durch Medikamente ausgelöst. Ist eine Amnioninfektion wahrscheinlich oder nachgewiesen, muss unter antibiotischer Therapie ein Kaiserschnitt durchgeführt werden.
Nach einem Platzen der Fruchtblase zwischen der 28. und 36. Schwangerschaftswoche wird versucht, die Geburt aufzuschieben (sofern kein Verdacht auf eine Infektion vorliegt). In dieser Zeit muss die Schwangere möglichst viel liegen und bekommt Medikamente, die die Wehentätigkeit hemmen und die Ausreifung der Lungen beim Fötus fördern. Eine Antibiotika-Therapie kann in Betracht gezogen werden. Die Schwangere und das Ungeborene werden dabei überwacht und die Entzündungswerte regelmäßig kontrolliert. Besteht jedoch ein AIS, muss unverzüglich unter Antibiotika-Gabe (Antibiose) die Geburt eingeleitet werden. Das Neugeborene wird dann wie jede andere Frühgeburt intensivmedizinisch überwacht und behandelt.
Tritt ein vorzeitiger Blasensprung vor der 28. Schwangerschaftswoche auf, wird in der Regel unter intensiver Beobachtung der Mutter und des Fötus abgewartet. Unter Umständen bekommt die Mutter Antibiotika. Bei einem nachgewiesenen AIS, durch das die Schwangere gefährdet wird, muss die Schwangerschaft unter Antibiotika-Therapie beendet werden. Ein Frühgeborenes, das jünger als 28 Wochen ist, hat eine sehr schlechte Prognose.
aktualisiert am 19.02.2024