Als Schwangerschaftsdiabetes wird eine Störung des Zuckerstoffwechsels bezeichnet, die während einer Schwangerschaft auftritt. In der Medizin wird sie auch als Gestationsdiabetes bezeichnet. Der Schwangerschaftsdiabetes stellt eine spezielle Form der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) dar. Etwa ein bis fünf Prozent aller Schwangeren entwickeln einen Gestationsdiabetes. Meistens tritt der Diabetes im letzten Drittel der Schwangerschaft auf und verschwindet nach der Geburt wieder. In manchen Fällen bleibt der Diabetes aber auch nach der Schwangerschaft bestehen, oder die Patientin entwickelt in den folgenden Jahren einen Diabetes (Typ 2). Der Schwangerschaftsdiabetes beginnt oft zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche, da etwa ab der 24. Woche der Bedarf an Insulin steigt. Deshalb wird jeder Schwangeren in dieser Zeit empfohlen, einen Zuckerbelastungstest durchführen zu lassen. Diese Untersuchung ist bei bestehenden Risikofaktoren besonders wichtig. Der Schwangerschaftsdiabetes sollte behandelt werden, wozu oftmals schon eine Ernährungsumstellung genügt.
Die genaue Entstehung für den Schwangerschaftsdiabetes ist nicht bekannt. Die Vorgänge sind ähnlich denen bei einem herkömmlichen Diabetes des Typs 2 (dem Diabetes-Typ, der sich meist im Erwachsenenalter entwickelt). Eine entscheidende Rolle spielt das Insulin. Insulin ist ein Hormon, das die Aufnahme von Zucker in die Zellen fördert und somit den Blutzucker senkt. Der Insulinbedarf ist in der Schwangerschaft gesteigert, denn der Blutzuckergehalt ist unter dem Einfluss der Schwangerschaftshormone erhöht. Bei den betroffenen Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes schafft es die Bauchspeicheldrüse nicht, genügend Insulin herzustellen und auszuschütten. Es besteht ein Ungleichgewicht zwischen den Stoffen, die den Blutzuckergehalt erhöhen, und dem Insulin. Zu den Ursachen für eine Zuckerkrankheit gehört des Weiteren eine ungünstige Ernährung, die auch beim Schwangerschaftsdiabetes oft gegeben ist.
Zur Entwicklung eines Diabetes in der Schwangerschaft tragen verschiedene Risikofaktoren bei. Dazu gehören z. B. ein schon vorher bestehendes Übergewicht, ein höheres Alter und erbliche Faktoren (Diabetes Typ 2 bei Blutsverwandten). Außerdem kommt es bei Frauen, die in einer vorherigen Schwangerschaft einen Gestationsdiabetes hatten, oftmals erneut zu der Erkrankung. Die Wahrscheinlichkeit, in einer neuen Schwangerschaft wieder einen Diabetes zu bekommen, beträgt etwa 80 Prozent. Auch die Geburt eines schweren Kindes (mehr als 4,5 Kilogramm Geburtsgewicht) erhöht die Wahrscheinlichkeit für einen späteren Schwangerschaftsdiabetes.
In den meisten Fällen zeigen sich bei einem Schwangerschaftsdiabetes keine besonderen Beschwerden. Deshalb wird die Erkrankung oftmals zufällig im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen oder des Screening-Tests auf Schwangerschaftsdiabetes (Glukosetoleranztest) entdeckt. Die ansonsten oft bei Diabetes vorkommenden Symptome wie vermehrter Durst, Mundtrockenheit oder Sensibilitätsstörungen treten bei Schwangerschaftsdiabetes meist nicht auf.
Der Diabetes in der Schwangerschaft kann zu Veränderungen am Kind und an der Mutter selbst führen. Die Mutter kann beispielsweise sehr anfällig für Infektionen werden oder einen schwangerschaftsbedingten Bluthochdruck (Präeklampsie) bekommen. Langfristige Schäden, die sonst beim Diabetes vorkommen, sind bei Schwangerschaftsdiabetikerinnen sehr selten. Das gilt beispielsweise für Nervenschäden mit Taubheitsgefühl, wunde Stellen an den Füßen oder diabetische Augenschäden (Retinopathie). Sie entwickeln sich eher über einen langen Zeitraum, während der Diabeteszustand nach der Geburt meist wieder aufhört.
Der erhöhte Blutzuckerspiegel führt dazu, dass über die Plazenta (Mutterkuchen) auch das Kind mehr Nährstoffe bekommt. Das Kind wird praktisch überernährt und lagert den überschüssigen Zucker als Fett ein. Es wird dadurch größer und dicker als durchschnittliche Kinder (fetale Makrosomie). Die großen und dicken Kinder von Schwangerschaftsdiabetikerinnen müssen oftmals per Kaiserschnitt auf die Welt geholt werden. Die Menge an Fruchtwasser ist beim Gestationsdiabetes ebenfalls vermehrt, da das Kind mehr Urin abgibt. Ein zu großes Fruchtwasservolumen ist ein Risikofaktor, dass sich eine Frühgeburt ereignet.
Umgekehrt kommt es aber auch oftmals zu Entwicklungsverzögerungen des ungeborenen Kindes. Wenn die Entwicklung der Plazenta (Mutterkuchen) gestört ist, kann es zu einer Unterversorgung des Kindes kommen. Die Lunge kann sich oft nicht so schnell entwickeln wie bei Kindern, deren Mütter keinen Schwangerschaftsdiabetes haben. Im Extremfall kann das Kind im Mutterleib absterben.
Eigene Stoffwechselprobleme des Kindes können durch den Diabetes der Mutter während der Schwangerschaft ausgelöst werden, ebenso Störungen im Elektrolythaushalt. Das Herz des ungeborenen Kindes kann groß, aber schwach sein. Des Weiteren besteht bei einem Schwangerschaftsdiabetes ein erhöhtes Risiko, dass das Kind nach der Geburt eine Gelbsucht (Ikterus) bekommt. Kinder, die aus einer Diabetes-Schwangerschaft stammen, bekommen oftmals selbst früh die Zuckerkrankheit oder haben die Tendenz, übergewichtig zu werden.
Weil der Bedarf an Insulin nach dem Ende der Schwangerschaft wieder sinkt, verschwindet in den meisten Fällen auch der Diabetes wieder. Er kann jedoch erneut auftreten. Nur ein Teil der Betroffenen bleibt nach der Schwangerschaft unbehelligt vom Diabetes, bei manchen tritt er sogar wenige Monate nach der Geburt wieder auf. Innerhalb von zehn Jahren etabliert sich bei rund der Hälfte der Frauen, die einen Schwangerschaftsdiabetes hatten, ein Diabetes Typ 2.
Diagnostische Maßnahmen, die einen möglichen Schwangerschaftsdiabetes betreffen, erfolgen in verschiedenen Abschnitten der Schwangerschaft. Bis zur 24. Schwangerschaftswoche wird zunächst einmal überprüft, ob schon von vornherein ein Diabetes mellitus besteht. Für jede Schwangere wird ein Risikoprofil erstellt, indem nach einer ganzen Reihe von Risikofaktoren geschaut wird. Dazu gehören unter anderem Fälle von Diabetes unter Verwandten der Schwangeren, Bluthochdruck oder ausgeprägtes Übergewicht. Trifft einer oder mehrere Risikofaktoren zu, dann erfolgt eine Untersuchung auf Diabetes mittels Blutzuckermessung. Bei entsprechend hohen Werten ist ein vorbestehender Diabetes nachgewiesen, bei mäßig erhöhten Werten gilt es als Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes).
Der Schwangerschaftsdiabetes lässt sich schließlich diagnostizieren, indem zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche ein Glukosebelastungstest vorgenommen wird. Dieser orale Glukosetoleranztest (oGTT) wird vor allem bei Schwangeren ohne Risikofaktoren vorgenommen. Obwohl er durchweg empfohlen wird, gehört er nicht zu den Routineuntersuchungen. Der Glukosetoleranztest geschieht mit der Aufnahme einer Zuckerlösung und späterem Test des Blutzuckers an mehreren Zeitpunkten. Bei erhöhten Werten besteht ein Schwangerschaftsdiabetes.
Weiterhin erfolgt als Screening-Verfahren bei den Mutterschaftsvorsorgeuntersuchungen ein Urintest auf Zucker (Glukose). Die Urinuntersuchung gilt allerdings als nicht sehr aussagekräftig.
Im Verlauf der Diabetes-Schwangerschaft erfolgt wie bei allen Schwangerschaften eine regelmäßige Kontrolle beim Arzt, die Ultraschalluntersuchungen werden dabei häufiger durchgeführt. So kann der Arzt gegebenenfalls feststellen, ob das Kind wesentlich zu groß ist oder sich eine Mangelentwicklung zeigt. Bei zu großen Kindern kann die Geburt veranlasst werden oder ein Kaiserschnitt ausgeführt werden.
Ein hoher Blutzucker, auch während einer Schwangerschaft, weist nicht sicher auf eine Zuckerkrankheit hin. Bereits extrem kohlenhydratreiche Nahrung, die nicht selten während Heißhungerphasen in der Schwangerschaft verzehrt wird, kann den Blutzucker sehr stark in die Höhe treiben. Wenn genügend Insulin ausgeschüttet wird und der Blutzucker kurze Zeit später wieder normal ist, dann besteht vermutlich kein Schwangerschaftsdiabetes. Weitere, seltene Ursachen für einen erhöhten Blutzucker abgesehen von dem Schwangerschaftsdiabetes sind unter anderem Bauchspeicheldrüsenerkrankungen (z. B. eine Entzündung = Pankreatitis), hormonelle Störungen, Medikamente (z. B. Cortison), manchmal auch nur Stress oder heftige Schmerzen.
Der Gestationsdiabetes lässt sich normalerweise gut in den Griff bekommen. Mit einer gezielten Behandlung können die möglichen Folgeerscheinungen verhindert oder zumindest minimiert werden. Grundlage der Therapie eines Schwangerschaftsdiabetes ist es, den Blutzuckerspiegel auf Normalwerten zu halten. Schäden entstehen praktisch nur, wenn der Blutzuckerwert zu hoch ist.
Zunächst einmal wird die Ernährung der Betroffenen umgestellt. Die gesunde und vollwertige Ernährung führt bei etwa 85 Prozent der Patientinnen zu einer erfolgreichen Eindämmung des Diabetes. Werdende Mütter mit Schwangerschaftsdiabetes, aber auch ohne die Zuckerkrankheit sollten einige Anweisungen zur Ernährung einhalten. Sie sollten zwar ihren Energiebedarf decken, aber nicht das Doppelte wie vor der Schwangerschaft essen. In den ersten Monaten ist der Kalorienbedarf kaum erhöht, nach dem ersten Schwangerschaftsdrittel benötigt die werdende Mutter durchschnittlich 250 Kalorien (kcal) mehr. Danach sollte sich die Schwangere richten. Wichtig ist es, bei der Kohlenhydratzufuhr auf Nahrungsmittel mit langkettigen Kohlenhydraten (z. B. Getreideprodukte) zu setzen und nur eine geringe Menge gezuckerter Lebensmittel zu sich zu nehmen. Das gilt auch für zuckerhaltige Getränke. Empfehlenswert sind außerdem einige kleinere Mahlzeiten anstelle von wenigen großen Essensportionen.
Falls die Verbesserung des Zustands mit einer bloßen Ernährungsveränderung nicht gelingt, so wird zusätzlich Insulin gespritzt. Weitere Medikamente kommen beim Schwangerschaftsdiabetes nicht in Frage, da die Gefahr besteht, dass sie Schäden am Kind auslösen.
Ein Schwangerschaftsdiabetes ist immer ernst zu nehmen, da er für Mutter und Kind gefährlich werden kann. Meist lässt sich mit Maßnahmen wie der Ernährungsumstellung eine Normalisierung der Blutzuckerwerte erreichen. Dies senkt erheblich die Risiken für das Kind und die Mutter. In den meisten Fällen verschwindet der Diabetes, wenn die Geburt erfolgt ist. Die Wahrscheinlichkeit für einen späteren Diabetes ist aber wesentlich erhöht.
aktualisiert am 30.09.2022