Medikamente in der Schwangerschaft dürfen nicht ohne Weiteres eingenommen werden. Ein großer Teil der Wirkstoffe kann über die Plazenta (Mutterkuchen) vom mütterlichen in das kindliche Blut übertreten. Es gibt nur bestimmte Medikamente, die sicher kein Risiko für das Kind oder auch für die Mutter bedeuten. Einige Arten von Medikamenten können hingegen Fehlbildungen und andere Schäden am Baby hervorrufen. Andere Medikamente stehen im Verdacht, solche Schäden zu verursachen, oder es lässt sich ein schädlicher Einfluss nicht ausschließen. Bei sehr vielen Arzneimitteln, gerade bei neuen Mitteln, ist nämlich der Einfluss auf das ungeborene Kind nicht bekannt. Deshalb sollte vor jedem Beginn einer Arzneimitteleinnahme mit dem Arzt abgeklärt werden, ob es Bedenken gibt. Manchmal wird ein mäßiges Risiko oder eine Ungewissheit abgewägt gegen eine Gefahr, die von der zu behandelnden Krankheit ausgeht.
Sehr viele Medikamente können aus dem Blut der Mutter in das Blut des Kindes gelangen. Die beiden Blutkreisläufe treffen in der Plazenta, dem Mutterkuchen, aneinander. Über dieses Austauschorgan wird der kindliche Organismus mit wichtigen Substanzen wie Nährstoffen, Sauerstoff und Vitaminen versorgt. Doch es können nicht nur nützliche Stoffe übertreten, sondern eben auch viele potenziell schädliche Stoffe.
Der Organismus des Babys im Bauch ist noch nicht darauf eingerichtet, viele Schadstoffe zu beseitigen. Er kann viele Stoffe noch nicht gut abbauen oder ausscheiden. Diese Substanzen können im Kindskörper eine viel größere Wirkung auslösen als im Körper der erwachsenen Mutter. Leider gilt dies genauso für unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen), z. B. von den Medikamenten, die die Mutter einnimmt oder verabreicht bekommt.
Vor allem in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten, genauer zwischen der 6. und 12. Schwangerschaftswoche, entwickeln sich die Organe des Kindes sehr stark und rasch. Jede Störung hat hier einen großen Einfluss. Einige Medikamente können die Entwicklung des Embryos behindern und so z. B. zu Fehlbildungen führen. Später in der Schwangerschaft kann es zwar trotzdem zu schweren Schäden kommen, die aber nicht die offensichtliche Organentwicklung betreffen. In der ganz frühen Schwangerschaft (in den ersten beiden Wochen nach der Empfängnis) besteht jedoch kaum eine Gefahr für Fehlbildungen: Die Leibesfrucht kann entweder ohne Schaden überleben oder durch Medikamente absterben. In manchen Fällen wird eine solche kurzzeitig bestehende Schwangerschaft gar nicht bemerkt.
Ein Problem vieler Medikamente in der Schwangerschaft ist, dass ihre Auswirkungen auf das Kind unbekannt sind. Das Dilemma ist, dass die Medikamente nicht in der Praxis getestet werden können. Die Gabe des Medikaments an Schwangere oder gar Versuche an Embryonen können wegen ethischer Bedenken nicht durchgeführt werden. Deshalb liegen für sehr viele Mittel auch keine Untersuchungsergebnisse vor. Dann wird bei diesen Medikamenten empfohlen, sie nicht in der Schwangerschaft anzuwenden. Schließlich soll kein Risiko eingegangen werden, dass das ungeborene Kind geschädigt werden könnte. Selbst Untersuchungen an Tieren, denen das Mittel gegeben wird, lassen keine hundertprozentigen Schlüsse zu, ob es für menschliche Schwangere geeignet ist.
Auch nach der Geburt dürfen zumindest bei stillenden Müttern viele Medikamente nicht eingesetzt werden. Viele Mittel können in die Muttermilch übergehen und darüber in den Körper des Babys gelangen. Unter Umständen können sie dort Schäden verursachen, der kindliche Körper ist auch im Säuglingsalter noch sehr empfindlich.
Die Liste an Medikamenten, die in der Schwangerschaft sowie in der Stillzeit nicht gegeben werden können, ist lang. Verschiedenste Auswirkungen auf das Kind oder auch auf die Mutter sind möglich. Das betrifft nicht nur verschreibungspflichtige, sondern auch viele frei erhältliche Mittel. Auch diese können für das ungeborene Kind gefährlich sein, selbst wenn sie für normale Erwachsene kaum Nebenwirkungen haben.
Auch Medikamente, die eine Frau wegen einer chronischen Erkrankung schon seit längerem einnimmt, sollten in Frage gestellt werden. Dabei muss aber auch bedacht werden, dass ein Absetzen des Medikaments gefährlich werden kann, weil es zu einem Rückfall der Erkrankung kommen kann. Es muss also entschieden werden, ob die Therapie mit dem gleichen Präparat, mit einem Ersatzmedikament oder überhaupt nicht weitergeführt wird. Für manche werdenden Mütter ist das sogar ein vermeintlicher Grund, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Das ist bei den allermeisten Medikamenten nicht einfach so gerechtfertigt.
Ob gewisse Medikamente schädlich sind, hängt teils auch von dem Fortschritt der Schwangerschaft ab. Viele Mittel sind besonders im ersten Schwangerschaftsdrittel (erste zwölf Wochen) kritisch, andere Medikamente entwickeln sich erst später in der Schwangerschaft zu schädlichen Substanzen.
Ein drastisches Beispiel für Schädigungen ungeborener Kinder durch ein Arzneimittel ist die Contergan-Katastrophe. Ende der 1950er bis Anfang der 1960er Jahre kamen etwa 5000 bis 10 000 Kinder mit schweren Fehlbildungen an den Gliedmaßen zur Welt. Die Mütter hatten zu einem kritischen Zeitpunkt in der Schwangerschaft das Medikament Contergan (Wirkstoff: Thalidomid) eingenommen, das diese Schäden hervorrief. Diese Katastrophe hat verdeutlicht, dass bei Medikamenten in der Schwangerschaft große Vorsicht angebracht ist, wenn ihre Auswirkungen nicht bekannt sind. Der Wirkstoff Thalidomid wird heute noch gegeben, allerdings nur zu ganz speziellen Krankheitsbildern (bestimmte bösartige Tumorerkrankungen, Lepra) und nicht bei Schwangeren.
Acetylsalicylsäure (ASS, z. B. als Aspirin) kann vor allem im letzten Schwangerschaftsdrittel zu Komplikationen führen. So kann sich unter Aspirinwirkung eine wichtige Gefäßverbindung des kindlichen Blutkreislaufs (Ductus arteriosus Botalli) zu früh verschließen, was bis zum Tode des Babys führen kann. Viele weitere Schmerzmittel können ebenfalls nicht ohne Bedenken in der Schwangerschaft verabreicht werden.
Benzodiazepine (Beruhigungsmittel, Schlafmittel) können zu Komplikationen wie allgemein geschwächten Muskeln des Kindes führen (Floppy-Infant-Syndrom).
Eine Reihe von Antibiotika ist nicht für Schwangere geeignet. Tetrazykline führen zu Schäden an den Zähnen des Kindes, die dann auch verfärbt sind. Aminoglykoside (z. B. Gentamicin) können bedingen, dass das Kind taub ist. Aufgrund von Infektionskrankheiten selbst besteht aber oft ein hohes Risiko für das Kind. Deshalb muss gerade in solchen Fällen auf ein Antibiotikum ausgewichen werden, das keine Schadwirkung hat.
Äußerst schädlich für das ungeborene Kind sind die Retinoide. Darunter findet sich ein Medikament gegen Akne, das Isoretinoin. Dies darf eine Schwangere auf keinen Fall anwenden.
ACE-Hemmer können Schäden verursachen, z. B. an Nieren und am Gehirn. Einige andere Mittel gegen Bluthochdruck wie z. B. die AT1-Antagonisten (Sartane) haben ebenfalls gefährliche Auswirkungen auf die Schwangere und das ungeborene Kind.
Valproinsäure ist ein Medikament gegen Epilepsie und psychische Störungen, das in der Schwangerschaft keinesfalls angewendet werden darf. Die Gefahr für Fehlbildungen und geistige Fehlentwicklungen ist stark erhöht. Auf Valproinsäure verzichten müssen sogar alle Frauen, die im gebärfähigen Alter sind und bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie schwanger werden. Das Mittel Carbamazepin, das ebenfalls gegen Epilepsie eingesetzt wird, kann beim Baby im Bauch zu schweren Missbildungen führen, beispielsweise am Rückenmarkkanal. Auf diese Weise kann ein offener Rücken entstehen (Spina bifida), außerdem sind Finger- und Zehenfehlbildungen möglich.
Antidepressiva, vor allem aus der Gruppe der SSRI, können Fehlbildungen und Fehlgeburten bedingen.
Die allermeisten Abführmittel dürfen in der Schwangerschaft nicht eingenommen werden. Die Versorgung auch des Kindes mit Nährstoffen und Flüssigkeit kann sonst gestört werden.
Medikamente zur Hemmung derBlutgerinnung, die Cumarine (Marcumar), können unter anderem zu geistigen Einschränkungen des Kindes führen oder zu weichen Knochen.
Pflanzliche Medikamente müssen in der Schwangerschaft ebenso vorsichtig gehandhabt werden wie chemische Medikamente. Das gilt sogar für Tees. Viele der pflanzlichen Mittel sind nur vermeintlich sanft und können nicht nur gewollte Wirkungen, sondern ebenso starke Nebenwirkungen haben. Außerdem enthalten die Präparate oft Alkohol, welches in der Schwangerschaft ebenfalls schädlich ist. Das Risiko ist besonders groß, wenn ein solches Präparat regelmäßig eingenommen wird und so immer wieder Alkohol in den Körper gelangt.
Viele andere Medikamente, darunter auch bekannte und häufig verwendete Mittel, sind in ihren Auswirkungen unsicher. Die Wissenschaft weiß nicht, ob eine Gabe gefahrlos möglich ist. Deshalb wird lieber auf sie verzichtet. Auch sollten aus diesem Grund keine Medikamente genommen werden, die nicht wirklich erforderlich sind. Die Schwangere sollte etwa keine Mittel gegen bloße ungefährliche Erkältungen einnehmen. Ebenfalls gilt, dass bei allen Medikamenten in der Schwangerschaft eine möglichst geringe Dosis angewendet werden soll.
Eine Institution in Deutschland hat sich auf das Thema Medikamente in der Schwangerschaft und Stillzeit spezialisiert, das Zentrum für Embryonaltoxikologie. Von diesem können sich Mütter und behandelnde Ärzte beraten lassen.
In der Schwangerschaft dürfen einige Medikamente verabreicht werden, die den Medizinern genau bekannt sind. Der Arzt muss sichergehen können, dass das Mittel eine verlässliche Wirkung hat und keine gravierenden Nebenwirkungen. Im Einzelfall kann davon abgewichen werden, wenn das Risiko durch eine unterlassene medikamentöse Behandlung größer ist als durch die Nebenwirkungen des Arzneimittels. Es muss dann also eine Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt, normalerweise gemeinsam mit der Patientin, stattfinden. Bei heftigen Beschwerden kann ebenso abgeschätzt werden, ob der Einsatz eines Medikaments gerechtfertigt ist. Vor allem neue Medikamente haben die Gefahr, dass nicht genau vorhergesehen werden kann, welche Folgen sie haben können. Stets gilt bei der Anwendung von Medikamenten in der Schwangerschaft, dass möglichst sparsam mit den Mitteln umgegangen wird, also nur die Menge verabreicht wird, die auch wirklich benötigt wird. Auch vor der Anwendung vermeintlich sicherer Medikamente muss die Schwangere mit dem Arzt sprechen. Gegen die meisten Erkrankungen gibt es heutzutage bewährte Medikamente, die auch in der Schwangerschaft ohne größere Bedenken eingenommen werden können. Die folgenden Medikamente sind nur Beispiele, der Arzt kann gegebenenfalls andere geeignete Mittel verschreiben.
Paracetamol gilt in der Schwangerschaft aus Sicht der meisten Mediziner als weitgehend unbedenklich, auch wenn es gelegentlich andere Hinweise gibt. Möglicherweise soll es Leberschäden, einen Hodenhochstand oder Asthma beim Kind verursachen können. Auch Ibuprofen oder Diclofenac können unter Vorbehalt Schwangeren gegeben werden, nur dass sie nach der 28. Schwangerschaftswoche nicht mehr angewendet werden dürfen. Die Einnahme könnte dann Kreislaufschäden des Babys verursachen. Ansonsten ist Paracetamol die erste Wahl gegen Schmerzen bei Schwangeren sowie auch Ibuprofen und Diclofenac. Gegen Migräne kommen die Medikamente Sumatriptan oder Metoprolol und einige ähnliche Mittel in Frage.
Als Antibiotika eignen sich in der Schwangerschaft unter anderem Penicillin, viele Mittel aus der Gruppe der Cephalosporine oder Erythromycin. Gegen die allermeisten Bakterien als Krankheitserreger gibt es damit Antibiotika, die werdenden Müttern verabreicht werden können.
Übliche Asthmamedikamente sind in der Schwangerschaft meist anwendbar, so z. B. Cortisonpräparate. Auch einige Mittel aus der Gruppe der Antihistaminika, die eine Allergie vermindern können, können gegeben werden. Die Behandlung von Asthma bei werdenden Müttern ist wichtig, da damit Komplikationen vermieden werden können.
Abschwellende Nasentropfen (z. B. mit dem Wirkstoff Oxymetazolin) können in der Schwangerschaft gegeben werden, allerdings wie bei anderen Menschen auch nur einige Tage lang.
Außer den Medikamenten bieten sich in vielen Fällen Behandlungsalternativen an. Gegen Schmerzen können beispielsweise andere Formen der Schmerzbehandlung eingesetzt werden, angefangen mit Kälte oder Wärme. Gegen Verstopfung in der Schwangerschaft hilft es als Alternative zu Abführmitteln, viel zu trinken und Quellstoffe zu verzehren. Bei psychischen Problemen und Erkrankungen sollten erst die anderen vorhandenen Möglichkeiten angewendet werden (z. B. Psychotherapie), bevor Medikamente in Frage kommen.
Einige alternativmedizinische Verfahren können bei Schwangeren ebenfalls angewendet werden. Beispiele sind Akupunktur oder Akupressur oder Entspannungsverfahren (z. B. progressive Muskelentspannung nach Jacobson). Manchmal werden ätherische Öle eingesetzt. Alternativmedizinische Medikamente und Methoden haben meist keine wissenschaftlich nachgewiesene Wirkung, so dass die Frau überlegen sollte, ob die Anwendung Sinn ergibt.
aktualisiert am 16.12.2020