Das Schultergelenk des Menschen ist durch seine lose knöcherne Passform zwischen Oberarmkopf und Gelenkpfanne sehr beweglich. Deshalb kann es bei entsprechender Krafteinwirkung von außen schneller auskugeln (luxieren) als beispielsweise das Hüftgelenk. Die Stabilität des Schultergelenkes wird durch die Muskulatur und den Kapsel-Band-Apparat gewährleistet. Nach einer Schulterverrenkung (Schulterluxation) kommt es durch Verletzungen oder Überdehnungen der Kapsel, der Bänder oder der gelenkumgebenden Muskulatur häufig zu einer Instabilität des Schultergelenkes. Nach einer Phase der Ruhigstellung ist die Muskelkräftigung das vorrangige Ziel, um die Stabilität im Schultergelenk wiederherzustellen.
Die Rotatorenmanschette ist ein Muskel-Sehnen-System an der Schulter, bestehend aus vier Muskeln. Die Rotatorenmanschette zentriert den Oberarmkopf in der Gelenkpfanne am Schulterblatt. Deshalb sollte sie besonders trainiert und gekräftigt werden, um das Schultergelenk nach einer Luxation muskulär bestmöglich stabilisieren zu können. Alle Übungen sollten im Rahmen einer Physiotherapie angeleitet und geübt werden, bevor sie im Eigenübungsprogramm selbständig durchgeführt werden.
Eine Schulterluxation kann konservativ (ohne Operation) oder operativ behandelt werden. Nach einem chirurgischen Eingriff gibt der Operateur genau vor, welche Übungen wann wieder durchgeführt werden dürfen. Dies ist abhängig von der Schwere der Verletzung und davon, welche Begleitverletzungen operativ versorgt wurden. In diesem Text werden beispielhaft Übungen für die konservative Behandlung einer Schulterluxation aufgezeigt.
Eine aufrechte Körperhaltung ist die Grundvoraussetzung für die meisten Übungen. Außerdem hilft sie im Alltag dabei, dass die Schulterblätter eine gute Position auf dem Brustkorb einnehmen. Sind die Schulterblätter gut ausgerichtet, sorgt dies für eine gute Beweglichkeit in der Schulter und auch für eine effektive Aktivierung der Muskulatur, die das Gelenk stabilisiert.
Für eine aufrechte Haltung muss die Brustwirbelsäule so gut wie möglich aufgerichtet werden. Dazu wird das Brustbein nach vorne und oben angehoben, ohne dabei in eine übertriebene Streckung zu gehen. Durch diese Haltung gleiten die Schulterblätter automatisch auf dem Brustkorb nach hinten. Anschließend werden die Schulterblätter aktiv durch Muskelkraft noch ein Stück näher an die Wirbelsäule herangezogen. Dabei soll der Schultergürtel tief bleiben und sich nicht in Richtung Ohren bewegen.
Gerade zu Beginn nach einer Schulterluxation sind die Muskeln des Schultergürtels oft verspannt und schmerzhaft. Eine einfache Übung, die später im Heilungsverlauf auch mit Gewichten durchgeführt werden kann, ist das Schulterheben. Im aufrechten Stand hängen die Arme locker neben dem Rumpf herab. Aus dieser Position werden beide Schultern, so weit es geht, in Richtung Ohren hochgezogen und dann ganz bewusst wieder locker gelassen. Der Fokus liegt dabei auf dem Sinkenlassen der Schultern nach unten. Diese Übung wird zehn Mal wiederholt. Nach einer Pause folgen weitere zwei Serien à zehn Wiederholungen.
Der Patient platziert seine Hände auf Schulterhöhe an einer Wand. Die Ellbogengelenke sind leicht gebeugt. Die Haltung ist aufrecht. In dieser Position lehnt sich der Patient leicht nach vorne und stützt sich vermehrt auf die Hände. In der Anfangsphase findet diese Übung ohne Bewegen der Schulter- und Ellbogengelenke statt. Im weiteren Heilungsverlauf ist auch eine Art Liegestütze an der Wand möglich.
Das Therapieband wird an einem Türgriff befestigt. Der Patient steht aufrecht, der Ellbogen ist 90 Grad gebeugt. Der Ellbogen wird dabei am Rumpf gehalten. Die verletzte Schulter zeigt zur Tür. Das Band wird auf leichten Zug gebracht und um das Handgelenk auf der verletzten Seite gewickelt.
Zu Beginn der Kräftigung wird nur ein leichter Zug gegen das Band ausgeübt, so als wollte der Patient seine Hand in Richtung Bauch bewegen (Innenrotation in der Schulter). Es soll aber noch keine Bewegung in der Schulter stattfinden. Diese Spannung wird zehn Sekunden gehalten und dann wieder gelöst. Die Übung wird fünf Mal wiederholt. Mit zunehmender Heilung wird die Hand Richtung Bauch bewegt und die Spannung wird langsam bremsend wieder nachgelassen. Eine Restspannung sollte auf dem Band bleiben. Diese Übung wird zehn Mal wiederholt. Nach einer Pause folgen weitere zwei Serien à zehn Wiederholungen.
Für die Außenrotation dreht der Patient sich mit der gesunden Schulter Richtung Tür. Die Ausgangsstellung ist die gleiche. Zuerst wird ohne sichtbare Gelenkbewegung in die Außenrotation angespannt. In der Folge wird mit Gelenkbewegung geübt. Dabei sind zwei Varianten möglich, die aufeinander aufbauen können. Zunächst wird der Unterarm vom Bauch bis zur Neutralstellung (bezüglich Außen- und Innenrotation) bewegt und langsam bremsend wieder zurückbewegt. Eine Restspannung sollte auf dem Band bleiben. Diese Übung wird zehn Mal wiederholt. Nach einer Pause folgen weitere zwei Serien à zehn Wiederholungen. Bei weiterem Heilungsfortschritt wird aus der Neutralstellung in eine Außenrotation bewegt. Wiederholungszahl und Serien sind gleich.
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, die Schulterstabilität in Stützpositionen zu trainieren. Von leicht nach schwer kann man im Vierfüßlerstand beginnen und im Unterarm- oder Handstütz enden. In jeder Stützposition gibt es zahlreiche Varianten, die der Physiotherapeut nach individuellem Bedarf des Patienten einsetzen kann. Zusätzlich können die Übungen in jeder Position dadurch erschwert werden, dass auf einer wackeligen Unterlage (Kreisel, Schaumstoffkissen) abgestützt wird.
Im aufrechten Stand kann mit einer 0,5-kg- oder 1,0-kg-Hantel das Seitheben des Armes bis circa 90 Grad geübt werden mit langsamem Sinkenlassen des Armes. Hier werden zehn Wiederholungen in drei Serien geübt. Mit steigender Kraft kann ein höheres Gewicht verwendet werden oder an einem Seilzug weiter geübt werden.
Es gibt viele Übungen, die nach einer Schulterluxation helfen können. Zu Beginn steht im Vordergrund, durch Kräftigung der Rotatorenmanschette den Oberarmkopf in der Gelenkpfanne zu zentrieren. Je stabiler die Schulter wird, desto mehr werden auch die größeren Muskeln des Schultergürtels und des Oberkörpers mit in das Training einbezogen. Mit zunehmender Kraft kann es sinnvoll sein, mit höheren Gewichten an Geräten weiter zu trainieren. Dies kann in einem Fitnessstudio oder in einer medizinischen Trainingstherapie unter kompetenter Anleitung stattfinden. Sportartspezifische Übungen wie Wurfübungen werden erst nach einigen Monaten langsam in das Therapieprogramm integriert.
Physioimpuls Kuchl, Christina Dellantoni – Schulterluxation: https://www.physioimpuls-kuchl.at/wp-content/uploads/2014/06/Schulterluxation.pdf (online, letzter Abruf: 02.02.2023)
aktualisiert am 02.02.2023