Hierfür muss kurz auf die Anatomie des Schultergelenks eingegangen werden. Bei der Schulter handelt sich um ein Kugelgelenk, bestehend aus Oberarmkopf und Gelenkpfanne. Der Oberarmkopf ist dabei etwa um das 4-fache größer als die Gelenkpfanne, vergleichbar mit einem Golfball auf einem Abschlags-Tee. Daraus resultiert ein hervorragendes Bewegungsausmaß, allerdings ist die Schulter dadurch auch anfällig für eine Instabilität. Kommt es nun zu einem Herausspringen des Oberarmkopfes aus der Gelenkpfanne, sprechen wir von einer ausgekugelten Schulter.
Meist kommt es im Rahmen von Sportverletzungen zu einer Schulterluxation, als Risikosportarten gelten neben Skialpin und Mountainbike auch Sportarten mit Gegnerkontakt, wie Kampfsport, Fußball oder Handball. Beim Unfallmechanismus handelt es sich häufig um eine extreme Außenrotation bei seitlich angehobenem Arm, ähnlich einer Ausholbewegung beim Werfen eines Balles. Aber auch im Alltag, z.B. bei Treppenstürzen, bei denen der/die Betroffene versucht sich am Geländer festzuhalten, kann das Schultergelenk auskugeln.
Meist kommt es im Rahmen von Sportverletzungen zu einer Schulterluxation....
Der Betroffene sollte sich schnellstmöglich in ärztliche Behandlung begeben. Am einfachsten ist die Vorstellung in einer Notaufnahme des nächstgelegenen Krankenhauses. Da sich die Verletzung aber häufig bei Extrem-Sportarten ereignet, kann bei schwierigem Gelände wie auf einer Skipiste oder im Kletterhang auch die Verständigung des Notrufs erforderlich werden. Bis zum Eintreffen des medizinischen Personals sollte der Arm in einer möglichst schmerzfreien bzw. schmerzarmen Position gehalten werden.
Neben den starken Schmerzen und der Bewegungsunfähigkeit kann es durch die Luxationsstellung des Oberarmkopfes zu einer Dehnung der Blutgefäße und Nervenbahnen kommen, welche den Arm versorgen. Um das Risiko dauerhafter Schäden zu verringern, muss das luxierte Gelenk schnell wieder in die korrekte Stellung gebracht werden. Der Vorgang des „Einrenkens“ wird als „Reposition“ bezeichnet. Nach Unfällen muss diese Reposition in der Regel durch ärztliches Personal durchgeführt werden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass begleitend zur Luxation ein Knochenbruch vorliegen kann, welcher die Reposition erschwert bzw. unmöglich macht. Daher sollte vor der Reposition eine Röntgen-Diagnostik erfolgen.
Um das Risiko dauerhafter Schäden zu verringern, muss das luxierte Gelenk schnell wieder in die korrekte Stellung gebracht werden.
Grundsätzlich gibt es verschiedene Techniken, um die luxierte Schulter zu reponieren, also einzurenken. Dies geschieht zumeist nach Schmerzmittelgabe, manchmal ist auch eine Kurznarkose erforderlich.
Persönlich favorisiere ich eine schonende Reposition in Bauchlage, bei der das Gelenk durch Mobilisation des Schulterblattes und Längszug am Arm reponiert wird, dies geschieht ohne Kurznarkose.
Nach der Reposition wird eine Röntgen-Aufnahme durchgeführt, um die Gelenkstellung zu beurteilen. Im Anschluss wird das betroffene Schultergelenk in einer Schlinge oder Bandage ruhiggestellt. Häufig sind weitere technische Untersuchungen wie eine Kernspintomographie erforderlich, um Begleitverletzungen von Weichteilstrukturen wie Sehnen, Knorpel und der Gelenklippe festzustellen, welche die weitere Therapieentscheidung beeinflussen.
Nach der Reposition wird eine Röntgen-Aufnahme durchgeführt, um die Gelenkstellung zu beurteilen.
Dies hängt im Wesentlichen von der Sportart sowie dem Vorliegen von Begleitverletzungen und der durchgeführten Therapie ab. Die Definition eines fixen Zeitraumes bis zur Rückkehr zum Sport ist allerdings nicht sinnvoll. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Patient seine Schulter zentrieren kann und ob der Bewegungsablauf mit dem Schulterblatt rhythmisch und symmetrisch ist. Dies sollte im Rahmen ärztlicher Kontrollen festgestellt werden. Als grobe Orientierung kann jedoch ein Zeitraum von 3-6 Monaten bis zur Rückkehr zum Sport angegeben werden.
Als grobe Orientierung kann jedoch ein Zeitraum von 3-6 Monaten bis zur Rückkehr zum Sport angegeben werden.
Ziel einer jeden Therapie ist das Vermeiden einer erneuten Luxation und die Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit. Somit spielt der individuelle sportliche und berufliche Anspruch eine wichtige Rolle. Gerade bei jüngeren, hoch-aktiven Patienten ist die Anzahl der sich wiederholenden Luxationen am höchsten. Studien konnten zeigen, dass in dieser Hochrisiko-Gruppe die operative Stabilisierung der konservativen Therapie hinsichtlich der Gefahr einem erneuten Auskugeln überlegen ist. Zudem kann durch das Vorliegen von Begleitverletzungen wie einer knöchernen Verletzung der Gelenkpfanne, einem Bruch des Oberarmkopfes oder einem Riss der Muskelmanschette eine Operation erforderlich werden.
Die Operation erfolgt in aller Regel minimal-invasiv in Schlüssellochtechnik. Dabei werden sämtliche Gelenkabschnitte mit einer Kamera dargestellt und dynamisch unter direkter Visualisierung untersucht. Anschließend wird die Gelenklippe, welche beim Auskugeln durch den Oberarmkopf abgerissen wird, wieder an der Gelenkpfanne fixiert, um das Gelenk zu stabilisieren. Dies geschieht mit der Hilfe von 2-3 Fadenankern. Diese benötigen sehr kleine Bohrungen und sind daher Knochen-sparend. Eine Entfernung dieser Fadenanker nach Ausheilen der Verletzung ist nicht erforderlich.
Unmittelbar nach der Operation wird der Arm in einer Schulterschlinge ruhiggestellt, dies dient dem Schutz der frisch operierten Schulter. Bereits am 1. Tag nach der Operation beginnt eine passive Beübung unter physiotherapeutischer Anleitung. Das Ziel ist durch passive Mobilisation in einem begrenzten Bewegungsausmaß das Gelenkspiel aufrecht zu erhalten, damit sich die Gelenkkapsel nicht verkürzt. Nach wenigen Wochen wird dann das Bewegungsausmaß freigegeben und die Physiotherapie intensiviert. Der Fokus liegt hierbei auf der Muskelkräftigung und dem zügigen Erreichen des vollen Bewegungsumfanges.
Zum einen hat sich die Operationstechnik hin zur minimal-invasiven Technik in Schlüsselloch-Chirurgie entwickelt, ein offenes Vorgehen mit großen Hautschnitten ist in den Hintergrund getreten.
Aber auch die Implantate wurden weiterentwickelt. Während ursprünglich große Metallanker verwendet wurden, ging die Entwicklung über resorbierbare Implantate hin zu Fadenankern die einzig aus Fadenmaterial entstehen. Der Vorteil dieser Anker sind sehr kleine Bohrlöcher und damit minimaler Knochenverlust bei sehr hoher biomechanischer Stabilität.
Hierdurch wird eine sichere Fixierung der durch die Luxation abgerissenen Strukturen gewährleistet.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 06.06.2024.