Luxation bedeutet die Ausrenkung eines Gelenks (von lateinisch: luxare = verrenken, aus den Fugen bringen). Dabei gehen die Gelenkflächen vollständig auseinander und stehen nicht mehr im Kontakt zueinander. Bei der Schulterluxation oder auch Schultergelenkluxation liegt der Oberarmkopf nicht mehr zentral in der Gelenkpfanne des Schulterblatts.
Das Schultergelenk ist ein Kugelgelenk, das aus dem Oberarmkopf und der Schultergelenkpfanne des Schulterblatts gebildet wird. Mit etwa der Hälfte aller Gelenkluxationen ist die Schulterluxation die häufigste. Dies liegt daran, dass die Gelenkfläche des Schulterblattes relativ klein im Vergleich zum Oberarmkopf ist und diesen nicht gänzlich umfasst. Außerdem wird das Schultergelenk vor allem durch die umgebende Muskulatur stabilisiert und nicht – wie andere Gelenke – durch weitere Knochen. Dadurch ist das Schultergelenk besonders beweglich.
Typische Symptome einer Schulterluxation sind schmerzhafte Bewegungseinschränkung, eine als Delle tastbare leere Gelenkpfanne oder eine fixierte Stellung des Arms (oft nach außen gedreht vom Körper weggestreckt). Wichtig ist, das Schultergelenk so schnell wie möglich in die korrekte Position zu bringen, um Folgeschäden zu vermeiden.
Stürze auf den ausgestreckten Arm sind die häufigste Ursache für eine Schulterluxation. Dies passiert oft bei der Durchführung von aktiven Sportarten wie Skifahren, Fußball, Klettern oder Volleyball. Außerdem sind ältere Menschen gefährdet: Abnutzungserscheinungen des Gelenks und der umgebenden Strukturen führen zu einer Instabilität und damit leichteren Luxation schon bei kleinen Verletzungen.
Die Schulter kann ausrenken, wenn eine Kraft auf das Schultergelenk einwirkt (traumatische Luxation):
Eine Schulterluxation kann ebenfalls durch eine angeborene Erkrankung verursacht werden (habituelle Luxation), ohne dass eine stärkere Gewalteinwirkung gegeben ist. Einige Menschen leiden an einer angeborenen Schwäche der Bänder im Schulterbereich (Bandhyperlaxität). Die Bänder erlauben eine übermäßige Beweglichkeit. Neben einer Instabilität des Schultergelenks kann es bei Betroffenen außerdem zu einer Luxation der Kniescheibe oder wiederholten Verstauchungen des Sprunggelenks kommen. Eine weitere Ursache für anlagebedingte Schulterluxationen ist eine Fehlbildung (Dysplasie) des Schultergelenks.
Eine wiederkehrende (rezidivierende) Schulterluxation kann auftreten, wenn durch eine vorherige Schulterluxation folgende Schäden entstanden sind:
Bei älteren Menschen (ab etwa 50 Jahre) wird eine Schulterluxation durch eine mangelhafte Stabilität der Muskulatur im Schulterbereich (Rotatorenmanschette) begünstigt. Solche Abnutzungserscheinungen der Muskulatur betrifft auch sportlich aktive Menschen mit Überkopfsportarten (Tennis, Golf, Squash, Volleyball) oder Personen, die Überkopfarbeiten ausüben (Maler, Lackierer). Auslöser der Schulterluxation ist in diesem Fall letztendlich meist ein Sturz, wobei schon eine leichte Einwirkung ausreichen kann.
Bei Menschen mit einer angeborenen Bindegewebsschwäche, die zu einer Bandhyperlaxität führt, ist die Wahrscheinlichkeit erhöht. Die Bänder stabilisieren das Schultergelenk nicht ausreichend, was zu einer übermäßigen Beweglichkeit mit der Gefahr der Luxation führt.
Eine ausgekugelte Schulter verursacht Schmerzen. Der Arm hängt federnd in der verrenkten Position, am häufigsten ist er nach außen gedreht und zur Seite gestreckt (vordere Luxation). Der Oberarmkopf ist in verlagerter Stellung tastbar, ebenso ist die leere Gelenkpfanne zu erfühlen. Teilweise besteht ein Gefühlsverlust im Bereich der Schulter, wenn Nerven beschädigt werden. Bei Verrenkung nach hinten kommt es zu einer Hinkelsteinhaltung, was beschreibt, dass der Arm in einer Stellung ist, wie wenn Obelix einen Hinkelstein trägt: nach innen gedreht (Innenrotation) und seitlich an den Körper herangeführt (Adduktion).
Bereits in der klinischen Untersuchung kann der Arzt eine Schulterluxation feststellen. Dabei sind folgende Symptome typisch:
Mit Röntgenaufnahmen kann eine Schulterluxation bildlich dargestellt werden, außerdem können Knochenverletzungen am Oberarm oder der Gelenkpfanne erkannt werden. Nur in Ausnahmefällen, wenn eine Schulterluxation mittels Röntgenaufnahme nicht eindeutig festgestellt werden kann oder wenn ein Verdacht auf eine Verletzung der Muskulatur, von Knorpel- oder Kapselgewebe besteht, wird gegebenenfalls eine Kernspintomographie (MRT) durchgeführt.
Sobald eine Schulterluxation festgestellt wird, muss, um Folgeschäden zu vermeiden, umgehend mit einer Therapie begonnen werden.
Grundsätzlich sollte eine schnellstmögliche Zurückverlagerung des Oberarmkopfs in die Schultergelenkpfanne angestrebt werden (Reposition), um schwerwiegende Weichteilschäden zu verhindern.
Bei einer Erstluxation des Schultergelenks und wenn keine weiteren Strukturen verletzt sind, ist das Mittel der Wahl die Behandlung ohne Operation (konservative Therapie).
Bevor die Reposition stattfindet, erfolgt eine Untersuchung der Beweglichkeit, Durchblutung und Gefühlswahrnehmung. Bei Schmerzen erhalten Patienten ein Schmerzmittel. Sehr ängstliche Patienten erhalten ein Beruhigungsmittel oder gegebenenfalls eine Kurznarkose.
Die Reposition verläuft langsam ohne plötzliche Bewegungen. Wenn Schmerzen auftreten, wird sie unterbrochen. Es gibt verschiedene Techniken zur Rückverlagerung. Schonende Methoden sind die Rückverlagerung nach Stimson oder Milch. Im Folgenden sind einige Beispiele von Varianten der Reposition aufgeführt:
Der Patient erkennt eine erfolgreiche Reposition an einem kurzzeitigen Schmerz, der dann verschwindet. Der Arzt hört oder fühlt ein Reiben oder Einschnappen, wenn der Oberarmkopf sich wieder in die Gelenkpfanne legt.
Im Anschluss an die Reposition wird erneut die Durchblutung, Sensibilität und Beweglichkeit getestet. Mit einem speziellen Verband (Desault-Verband oder Gilchrist-Verband) wird das Gelenk ruhig gestellt.
Eine Operation der verlagerten Schulter wird durchgeführt:
Die Operation kann in den meisten Fällen minimal-invasiv (arthroskopisch) durchgeführt werden. Das Gelenk wird wieder eingerenkt und die sogenannte Gelenklippe (Labrum) wird in der richtigen Position mit Fadenankern wieder angebracht. Gegebenenfalls werden weitere Maßnahmen wie eine Straffung der Gelenkkapsel oder ein Vernähen von Sehnen durchgeführt.
Im Anschluss an eine erfolgreiche Reposition beziehungsweise Operation wird der Arm für drei Wochen in einem Verband ruhig gestellt. Dennoch wird so schnell wie möglich mit einer geeigneten Physiotherapie begonnen. Durch die Übungen wird die Muskulatur zunächst im Arm- und Handbereich, nach der Ruhigstellung auch im Schulterbereich aufgebaut und gestärkt. Dies verleiht dem Gelenk die nötige Stabilität und verhindert eine erneute Verlagerung.
Eine einmalige Schulterluxation heilt in der Regel ohne Komplikationen. Bereits nach zwei bis drei Wochen können verschiedene alltägliche Tätigkeiten wieder durchgeführt werden. Bis zur vollständigen Beweglichkeit dauert es mindestens 12 bis 16 Wochen. Autofahren sollten Betroffene frühestens nach vier bis fünf Wochen. Für zwei Monate ist kein Sport möglich. Kontaktsportarten oder schulterbelastende Sportarten sollten erst bei sicher ausgeheilter Verletzung und nach strenger Rücksprache mit Arzt und Physiotherapeut durchgeführt werden (etwa nach fünf bis sechs Monaten). Sonst kann es schnell zu einer erneuten Luxation kommen. Ohnehin ist die Rate an erneuten Auskugelungen (Rezidivrate) nach Schulterluxation hoch.
Bei schweren Verletzungen der umliegenden Strukturen kann es zu einem verlangsamten Heilungsverlauf kommen. Daher ist es wichtig, bei diagnostizierter Schulterluxation umgehend mit einer Rückverlagerung zu beginnen.
Zu den möglichen Komplikationen, die für eine schlechtere Prognose im Heilungsverlauf verantwortlich sind, zählen:
Durch eine Schulterluxation kann die Entwicklung einer Arthrose in der Schulter (Gelenkverschleiß) gefördert werden. Chronische Schmerzen können im Gelenk ebenfalls nach einer Ausrenkung auftreten. Wenn es zu wiederkehrenden Schulterluxationen kommt, wird das gesamte Gelenk immer instabiler. Dies führt zu dauerhaften Beschwerden.
Um eine erneute Luxation der Schulter zu verhindern, wird ein Aufbautraining der Schultermuskulatur im Rahmen einer Physiotherapie im Anschluss an die Reposition und Ruhigstellung durchgeführt. Die Dauer und Intensität der Physiotherapie ist abhängig von der Schwere der Verletzung. In einigen Fällen sind mehrere Sitzungen die Woche über einige Monate nötig. Wichtig ist, sie regelmäßig und nach den Anweisungen des Therapeuten durchzuführen.
Sämtliche Sportarten und starke Belastungen sollten vermieden oder erst nach Rücksprache mit dem Arzt durchgeführt werden, um eine erneute Ausrenkung (Reluxation) zu verhindern.
Allgemein ist die beste Voraussetzung, eine Ausrenkung des Gelenks zu vermeiden, eine gut trainierte Schulter. In vielen Fällen lässt sich eine Schulterluxation jedoch nicht verhindern, wenn beispielsweise bei einem Sturz auf den Arm entsprechend starke Kräfte einwirken.
Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie – Schulterluxation (= Schulterausrenkung): https://www.dgu-online.de/patienten/haeufige-diagnosen/sportler/schulterluxation-schulterausrenkung.html (online, letzter Abruf: 25.11.2019)
Topsport Münster, Dr. Dennis Liem – Sportverletzung - Schulterluxation (Video): https://www.youtube.com/watch?v=nhCn3B1P4kA (online, letzter Abruf: 25.11.2019)
WebMD – Dislocated Shoulder and Separated Shoulder: https://www.webmd.com/fitness-exercise/dislocated-separated-shoulder# (online, letzter Abruf: 25.11.2019)
Healthline, Jerisha Parker Gordon – How to Identify and Correct a Dislocated Shoulder: https://www.healthline.com/health/dislocated-shoulder (online, letzter Abruf: 25.11.2019)
aktualisiert am 26.11.2019