Eine Schwangerschaft bringt eine Reihe von Veränderungen des Hormonsystems mit sich. Einige Hormone haben eine direkte Funktion für wichtige Vorgänge der Schwangerschaft. Ein weniger offensichtlicher, aber bedeutsamer Zusammenhang besteht zwischen der Schwangerschaft und der Schilddrüse. Um den vermehrten Stoffwechsel und das Gedeihen des Kindes zu ermöglichen, sind mehr Schilddrüsenhormone notwendig als vor der Schwangerschaft. Eine bereits vorher bestehende Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), die durch den Mangel an Schilddrüsenhormonen gekennzeichnet ist, kann sich verstärken.
Gleichermaßen kann sich eine neue Schilddrüsenunterfunktion bei der Schwangeren entwickeln. Dies kann zu vielen Problemen führen, zu deren gravierendsten die Gefahr für Fehlgeburten und Frühgeburten sowie der Minderentwicklung und dauerhaften Beeinträchtigung des Kindes gehört. Außerdem kann eine Hypothyreose bei einer Frau die Fruchtbarkeit herabsetzen und es ihr erschweren, schwanger zu werden.
In der Schwangerschaft wird die Schilddrüse der werdenden Mutter etwas größer. Der Körper braucht mehr Schilddrüsenhormone. Der Bedarf steigert sich um etwa 25 bis 50 Prozent, weil eine erhöhte Stoffwechselleistung erbracht werden muss. Im ersten Schwangerschaftsdrittel muss der Fötus mit Schilddrüsenhormonen mitversorgt werden, die über die Plazenta (Mutterkuchen) den kindlichen Organismus erreichen.
Weil die Schilddrüsenhormone Jod enthalten, benötigen die Zellen der Schilddrüse dieses Spurenelement zur Herstellung der Hormone. Die Schilddrüse des Kindes im Mutterleib benötigt ebenfalls Jod. Daraus ergibt sich ein höherer Bedarf an Jod als vor der Schwangerschaft. In Deutschland wird für Schwangere eine Jodzufuhr von 230 Mikrogramm (µg) angeraten. Das liegt etwas höher als die empfohlene Menge (200 µg) für Erwachsene allgemein. In der Stillzeit sollte sogar 260 µg Jod täglich aufgenommen werden.
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Jod findet sich in verschiedenen Lebensmitteln, allen voran Seefisch wie Seelachs oder Hering. Empfehlenswert ist, zweimal pro Woche Fisch zu essen. In Eiern und Milch oder in Gemüsesorten wie Broccoli und Spinat ist ebenfalls Jod enthalten. Zum Salzen sollte Jodsalz verwendet werden. Trotzdem sind viele schwangere Frauen unterversorgt, auch weil in Deutschland kaum Jod im natürlichen Boden vorkommt. Gegebenenfalls sollte Jod ergänzend zugeführt werden.
Die Schilddrüsenunterfunktion kann durch Jodmangel, aber auch durch andere Ursachen entstehen. Eine bedeutende Ursache der Unterfunktion ist die Hashimoto-Thyreoiditis. Damit wird eine Schilddrüsenentzündung bezeichnet, die durch Immunangriffe auf das körpereigene Schilddrüsengewebe entsteht (Autoimmunkrankheit).
Eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) und die Schwangerschaft haben gemeinsame Auswirkungen auf die Mutter. Bei beiden kann es beispielsweise zu Müdigkeit und Abgeschlagenheit oder zur Zunahme an Körpergewicht kommen. Einige betroffene werdende Mütter registrieren daher gar nicht, dass etwas mit ihrer Schilddrüse nicht stimmen könnte. Eine geringgradige Hypothyreose kann auch ohne Symptome bleiben.
Zu den Symptomen, die bei Schilddrüsenunterfunktion auftreten können, gehören unter anderem:
Viele weitere, mitunter ernsthafte Folgen der Schilddrüsenunterfunktion sind möglich. Weiterhin kann sich eine Vergrößerung der Schilddrüse (Struma, Kropf) bilden. Sollte die Schilddrüsenvergrößerung stärker ausgeprägt sein, dann sollte dies ärztlich abgeklärt werden. Da ein Mangel an Jod für die Vergrößerung verantwortlich sein kann und dieser heutzutage mit Jodtabletten problemlos ausgeglichen werden kann, tritt nur noch in seltenen Fällen ein Kropf in der Schwangerschaft auf.
Allerdings können sich aus verschiedenen Gründen Knoten in der Schilddrüse bilden. In der Schwangerschaft können sie durch eine Ultraschalluntersuchung oder durch eine Probeentnahme mittels einer dünnen Nadel kontrolliert werden.
Eine schwere Erkrankung, die als Komplikation in der Schwangerschaft durch eine unbehandelte Schilddrüsenunterfunktion entstehen kann, ist die Präeklampsie. Bei dieser Erkrankung kommt es zu einem hohen Blutdruck, Nierenveränderungen und unterschiedlichen weiteren Symptomen.
Nach der Geburt kommt es wiederum zu anderen Schwankungen des Hormonspiegels der Frau. In diesem Zuge tritt häufig ein Mangel an Schilddrüsenhormonen auf. Eine solche Schilddrüsenunterfunktion kann eine Rolle bei der Entstehung einer Wochenbettdepression (oder postpartalen Depression) spielen.
Beim Baby funktioniert die Schilddrüse von der 12. Schwangerschaftswoche an und produziert Hormone. Davor ist das Kind auf die Schilddrüsenhormone der Mutter angewiesen. Gerade in dieser kritischen Phase muss eine Schilddrüsenunterfunktion der Mutter gut behandelt sein, damit sich Körper und Gehirn des Babys gut entwickeln.
Die Schilddrüsenunterfunktion kann zu körperlichen Schäden und eingeschränkten geistigen Fähigkeiten des Kindes führen. Neugeborene einer Mutter mit Hypothyreose können zudem durch ein geringes Geburtsgewicht auffallen.
Um möglichst früh Babys mit Hypothyreose zu behandeln, findet 36 bis 72 Stunden nach der Geburt eine Screening-Untersuchung auf die angeborene Form der Erkrankung statt.
Bei Anzeichen einer Hypothyreose sollte eine ärztliche Untersuchung erfolgen. Der Spezialist für hormonbedingte Erkrankungen ist der Endokrinologe (die Endokrinologie ist ein Teilgebiet der Inneren Medizin). In der Schwangerschaft gilt ein Test auf eine Schilddrüsenunterfunktion jedoch generell als sinnvoll. Dabei wird das Hormon TSH getestet, das von der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) gebildet und als Reaktion auf zu niedrige Spiegel der Schilddrüsenhormone ausgeschüttet wird. Die Schilddrüsenhormone (vor allem das T4 oder Thyroxin) können weiter Aufschluss geben. Bei einer Hashimoto-Thyreoiditis als Ursache können in der Blutuntersuchung zudem bestimmte Antikörper nachgewiesen werden.
Eine Schwangere muss eine Schilddrüsenunterfunktion umgehend mit der Einnahme von L-Thyroxin behandeln. Das Medikament entspricht einem Schilddrüsenhormon. Mit der Therapie können Komplikationen wie Fehlgeburten und Entwicklungsstörungen des Babys verhindert werden.
Schwangere Frauen, die bereits vorher eine Schilddrüsenunterfunktion hatten, müssen ihre Werte regelmäßig kontrollieren lassen, um gegebenenfalls die Behandlung anzupassen. Ohnehin wird die Dosierung von L-Thyroxin entsprechend der Notwendigkeit erhöht. Schwangere bekommen im Allgemeinen ein Viertel bis ein Drittel mehr des Hormonmedikaments als die übliche Menge für Erwachsene mit Hypothyreose. Die Schilddrüsenhormonwerte können im Laufe der Schwangerschaft auch fluktuieren.
Ein Jodmangel kann, falls die Ernährung nicht ausreichend ist, durch die Einnahme von Jodtabletten behandelt werden. Die Dosierung der Tabletten liegt meist bei 100 bis 200 µg täglich.
In der Schwangerschaft kann bedenkenlos eine Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion mit L-Thyroxin erfolgen – sofern die richtige Dosis eingehalten wird. Gleiches gilt für Jod.
Nicht durchgeführt werden darf allerdings eine Untersuchung, die radioaktive Strahlung beinhaltet, wie die Szintigrafie. Solche Untersuchungsmethoden sind bei Schwangeren und stillenden Müttern nicht erlaubt.
Eine Radiojodtherapie zur Behandlung verschiedener Schilddrüsenerkrankungen darf ebenfalls nicht vorgenommen werden. Frauen, die eine Radiojodtherapie bekommen, sollten frühestens vier Monate bis ein halbes Jahr nach der Behandlung anstreben, schwanger zu werden.
Indian Journal of Endocrinol and Metabolism, Rakesh Kumar Sahay; V. Sri Nagesh – Hypothyroidism in pregnancy: http://www.ijem.in/article.asp?issn=2230-8210;year=2012;volume=16;issue=3;spage=364;epage=370;aulast=Sahay;type=0 (online, letzter Abruf: 07.05.2020)
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Schilddrüsenzentrum Köln, Prof. Dr. med. Hans Udo Zieren – Schilddrüse und Schwangerschaft: https://www.schilddruesenzentrum-koeln.de/wissenswertes/weitere-themen/schilddruese-und-schwangerschaft (online, letzter Abruf: 07.05.2020)
aktualisiert am 07.05.2020