Eine latente Schilddrüsenunterfunktion oder latente Hypothyreose ist eine Vorstufe (oder leichte Form) der Schilddrüsenunterfunktion. Betroffene merken keine oder nur geringfügige Symptome. Vermutlich haben etwa drei bis zehn Prozent der Bevölkerung eine latente Schilddrüsenunterfunktion. Mehr Frauen als Männer und mehr ältere als jüngere Personen sind betroffen. In der Medizin ist die latente Schilddrüsenunterfunktion festgelegt als ein Zustand, bei dem die Blutwerte in bestimmter Weise verändert sind: Der Wert für TSH ist erhöht, während der Wert für freies T4 im Normalbereich liegt.
Die Schilddrüse ist ein Organ im vorderen Bereich des Halses. Sie stellt die Hormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin) her, die von großer Wichtigkeit für Stoffwechselvorgänge des gesamten Körpers sind. Bei zu wenig Schilddrüsenhormonen im Körper besteht eine Schilddrüsenunterfunktion (manifeste Hypothyreose). Die Gründe dafür sind vielfältig. Häufig ist Schilddrüsengewebe geschädigt. Dies ist wiederum oftmals durch eine bestimmte Schilddrüsenentzündung (Hashimoto-Thyreoiditis) bedingt.
Ist lediglich eine latente Schilddrüsenunterfunktion vorhanden, dann sind die Werte der Schilddrüsenhormone im Blut noch normal. Dennoch ist die Schilddrüse nicht mehr so funktionsfähig wie bei Gesunden und kann die Hormone schlechter produzieren. Um die benötigte Leistung aus der geschwächten Schilddrüse „herauszuholen“, schüttet die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) vermehrt das Steuerungshormon TSH aus. Dieses Hormon kurbelt die Produktion der Hormone in der Schilddrüse an. Der Blutwert für TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) ist bei Patienten mit latenter Schilddrüsenunterfunktion daher erhöht.
Der Ausdruck „latent“ bedeutet generell „verborgen“ oder „unterschwellig“. Die latente Schilddrüsenunterfunktion macht sich demnach theoretisch nicht durch Beschwerden bemerkbar. Dies trifft auch auf die meisten Fälle der Störung zu.
Da der Begriff der latenten Schilddrüsenunterfunktion aber durch die Blutwerte beschrieben wird (erhöhtes TSH, normales T4), können sich bei einigen Patienten trotzdem Symptome einstellen. Falls Symptome auftreten, sind sie meist undeutlich und schwach ausgeprägt und könnten auch aufgrund anderer Ursachen entstanden sein. Mögliche Symptome der latenten Schilddrüsenunterfunktion sind beispielsweise:
Zumeist wird eine latente Hypothyreose jedoch erst bei einer Blutuntersuchung auffällig. Das kann bei einer Routineuntersuchung, einer Untersuchung aus anderen Gründen oder bei einem gezielten Test auf Schilddrüsenunterfunktion passieren.
Aus einer latenten Hypothyreose kann sich im Laufe der Zeit eine manifeste (tatsächliche) Schilddrüsenunterfunktion entwickeln. Dann können sich bisher nicht vorhandene Symptome einstellen, vorherige Beschwerden verstärken und je nach Ausmaß der Unterfunktion schwere Folgen entwickeln. Unter anderem drohen Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System wie eine Arteriosklerose, die das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöht.
Eine latente Schilddrüsenunterfunktion wird durch eine Blutuntersuchung festgestellt. Treffen die folgenden beiden Bedingungen zu, handelt es sich um eine latente Hypothyreose:
Ein erhöhter TSH-Wert besteht ab 4,0 mU/l (Milli-Units pro Liter).
Die Hashimoto-Thyreoiditis als häufigste Ursache kann außerdem festgestellt werden, indem Antikörper (Autoantikörper) bestimmt werden, die bei der Erkrankung die Schilddrüse angreifen.
Betroffene mit einer latenten Schilddrüsenunterfunktion benötigen an sich keine Therapie. Treten keine Symptome oder Folgen auf, dann wird sie nicht behandelt. Kommt es jedoch bei Patienten zu Beschwerden oder liegen erhöhte Risiken vor, dann ist eine Behandlung mit dem Medikament L-Thyroxin angezeigt. L-Thyroxin entspricht dem Schilddrüsenhormon T4 des Menschen, das auch als Thyroxin bezeichnet wird. Das Medikament wird täglich in Tablettenform eingenommen.
Wenn der Blutwert für TSH bei über 10 mU/l (Milli-Units pro Liter) liegt, erfolgt üblicherweise bei den folgenden Gegebenheiten eine Behandlung der latenten Schilddrüsenunterfunktion:
Eine Behandlung erfolgt ebenfalls, wenn der TSH-Wert über 6 mU/l liegt und Schilddrüsenantikörper (wie sie bei der Hashimoto-Thyreoiditis zu finden sind) im Blut festgestellt werden. Mit der Behandlung kann der Übergang in eine endgültige (manifeste) Unterfunktion verhindert werden.
Weiterhin wird eine latente Schilddrüsenunterfunktion in den folgenden Fällen behandelt:
Der Arzt muss im einzelnen Fall abwägen, ob die latente Schilddrüsenunterfunktion des Patienten behandelt wird oder nicht. Bei einem zu leichtfertigen Einsatz des Schilddrüsenhormons L-Thyroxin können Nebenwirkungen durch eine zu hohe Dosierung auftreten. Dabei kommt es zu den Symptomen und Folgen einer Schilddrüsenüberfunktion. Unter anderem drohen Herzrhythmusstörungen sowie Knochenbrüche, da das Knochenmaterial vermehrt abgebaut wird und an Stabilität verliert.
Bislang gibt es wenig konkrete Erkenntnisse, inwiefern die Einnahme von L-Thyroxin wirklich hilft. Bei Frauen mit latenter Hypothyreose kann die Behandlung anscheinend die Funktion des Herzens bessern. Auf die Blutgefäße wirkt sich die Therapie ebenfalls günstig aus. Eine Wirksamkeit auf das psychische Befinden, auf die Lebensqualität oder auf die Sterblichkeit konnte bei Patienten mit latenter Schilddrüsenunterfunktion bisher nicht eindeutig gezeigt werden. Insofern gilt es für Ärzte individuell zu schauen, ob die Behandlung mit L-Thyroxin mehr Vorteile als Risiken erwarten lässt. Eine Empfehlung für die Therapie wird vor allem bei einem TSH-Wert von über 10 mU/l oder bei einer Hashimoto-Thyreoiditis ausgesprochen.
Ärzteblatt, Jeannine Schübel; Joachim Feldkamp; Antje Bergmann; Wolfgang Drossard; Karen Voigt – Latente Hypothyreose des Erwachsenen: https://www.aerzteblatt.de/archiv/190787/Latente-Hypothyreose-des-Erwachsenen (online, letzter Abruf 08.06.2020)
Amboss – Hypothyreose  (Schilddrüsenunterfunktion): https://www.amboss.com/de/wissen/Hypothyreose (online, letzter Abruf 08.06.2020)
Gelbe Liste, Dr. Ute Walliczek-Dworschak – Hypothyreose: https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/hypothyreose (online, letzter Abruf 08.06.2020)
aktualisiert am 08.06.2020