Eine beginnende oder sehr leichte Überfunktion der Schilddrüse wird als latente Schilddrüsenüberfunktion bezeichnet. Arzt und Patient sollten den TSH-Wert im Auge behalten.
Eine latente Hyperthyreose ist eine Schilddrüsenüberfunktion im Anfangsstadium. Sie wird auch als subklinische Hyperthyreose bezeichnet, weil typische klinische Symptome meistens fehlen: Während eine manifeste Schilddrüsenüberfunktion mit Herzrasen, Schwitzen, Gewichtsabnahme, Schlaflosigkeit oder nervöser Unruhe einhergeht, bleiben bei einer subklinischen Hyperthyreose diese Anzeichen aus. Leichte Symptome können als Auswirkungen der Menopause (Zeit, in der die Regelblutungen enden) oder des normalen Alterungsprozesses missinterpretiert werden. Deshalb bleibt die Erkrankung für die Betroffenen meist unbemerkt.
Sind die TSH-Werte im Blut erniedrigt, während die Schilddrüsenhormone T4 und T3 im Normalbereich liegen, handelt es sich um eine latente Hyperthyreose. Ursache ist meist eine Schilddrüsenautonomie (ungeregelt Hormone produzierende Bereiche des Organs), seltener Morbus Basedow (eine Erkrankung der Schilddrüse durch fehlgeleitetes Immunsystem).
Zwar bereitet die beginnende Schilddrüsenüberfunktion Betroffenen selten körperliche Beschwerden, langfristig ist sie aber nicht ungefährlich. Verschiedene Studien haben sich mit dem Risiko befasst, das eine subklinische Hyperthyreose mit sich bringt. Schilddrüsenhormone beeinflussen viele Funktionen im Körper. Ein latenter Mangel oder Überschuss kann daher Folgen haben: Mit steigendem Alter erhöht sich bei den Betroffenen die Wahrscheinlichkeit einerHerzerkrankung, das Osteoporose- und das Knochenbruchrisiko nehmen zu. Nicht zuletzt hat sich gezeigt, dass sich eine unbehandelte latente Schilddrüsenüberfunktion lebensverkürzend auswirken kann.
In einer 2016 veröffentlichten Studie zeigten holländische Forscher, wie gefährlich eine latente Überfunktion sein kann. 261 von circa 10.000 Studienteilnehmern verstarben innerhalb des Studienzeitraums von neun Jahren an einem plötzlichen Herztod. Überdurchschnittlich viele von ihnen waren von latenter Hyperthyreose betroffen. Bei Personen mit einem niedrigen fT4-Wert (freies T4 im Blut) lag das Sterberisiko bei rund ein Prozent. Bei erhöhten fT4-Werten stieg das Risiko auf vier Prozent – auch wenn diese Menschen nach gängigen Kriterien nicht als schilddrüsenkrank eingestuft wurden.
Eine weitere Untersuchung zeigte außerdem, dass bereits bei einer leichten Schilddrüsenüberfunktion oder bei einer latenten Schilddrüsenüberfunktion das Risiko für Demenz erhöht ist.
In Hinblick auf diese Ergebnisse fordern einige Ärzte ein regelmäßiges Screening der Schilddrüse ab 45 Jahren. In jedem Fall sollte man mit steigendem Alter die Schilddrüsenwerte im Auge behalten und bedenken, dass selbst eine beginnende Schilddrüsenüberfunktion sich auf die Gesundheit auswirken kann. Selbst dann, wenn keine Symptome spürbar sind, kann ein erniedrigter TSH-Wert mit normalem oder leicht erhöhtem T4-Wert langfristig gesundheitliche Folgen haben.
Zurzeit werden Patienten mit diesen Blutwerten, die keine klinischen Symptome zeigen, normalerweise nicht mit Medikamenten behandelt. Eine regelmäßige Kontrolle der Schilddrüsenwerte ist aber unbedingt notwendig.
Deutsches Ärzteblatt, Siegfried Hoc – Latente Hypo-/Hyperthyreose: Wann Therapie, wann nur Kontrolle?: https://www.aerzteblatt.de/archiv/39277/Latente-Hypo-Hyperthyreose-Wann-Therapie-wann-nur-Kontrolle (online, letzter Abruf: 22.12.2020)
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie – Schilddrüsenüberfunktion: https://www.endokrinologie.net/krankheiten-schilddruese-ueberfunktion.php (online, letzter Abruf: 22.12.2020)
Pharmazeutische Zeitung, Ulrike Viegener – Latente Hyperthyreose - Risiko fürs Herz: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-472016/risiko-fuer-das-herz/ (online, letzter Abruf: 22.12.2020)
AHA Journals, Layal Chaker; Marten E. van den Berg; Maartje N. Niemeijer; Oscar H. Franco; Abbas Dehghan; Albert Hofman; Peter R. Rijnbeek; Jaap W. Deckers; Mark Eijgelsheim; Bruno H.C. Stricker; Robin P. Peeters – Thyroid Function and Sudden Cardiac Death: https://www.ahajournals.org/doi/full/10.1161/circulationaha.115.020789 (online, letzter Abruf: 22.12.2020)
Neurology.org, https://n.neurology.org/content/87/16/1688 (online, letzter Abruf: 22.12.2020)
– Thyroid function and the risk of dementia - The Rotterdam Study:aktualisiert am 22.12.2020