Die Schilddrüse produziert Hormone, die die Stoffwechselvorgänge im Körper entscheidend beeinflussen. Gerät diese Hormonproduktion aus der Balance, reagiert der Körper mit einer Reihe von Symptomen, die das Wohlbefinden stark einschränken können. Bei einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) können unter anderem auch Augenprobleme entstehen.
Derartige Veränderungen an den Augen kommen durch die endokrine Orbitopathie zustande. Die Bezeichnung setzt sich aus verschiedenen Begriffen zusammen:
Die endokrine Orbitopathie ist eine Erkrankung, bei der das eigene Immunsystem bestimmte Bestandteile der Augenhöhle angreift. Somit handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Wie der Name nahelegt, tritt eine endokrine Orbitopathie meist zusammen mit einer Schilddrüsenfehlfunktion auf. In vielen Fällen handelt es sich um eine Schilddrüsenüberfunktion, eine sogenannte Hyperthyreose. Diese ist wiederum häufig das Symptom einer Autoimmunerkrankung namens Morbus Basedow. Das Gewebe in der Augenhöhle hat Ähnlichkeiten mit den Strukturen der Schilddrüse. Das führt dazu, dass im Rahmen einer Autoimmunerkrankung häufig sowohl die Schilddrüse als auch die Augen betroffen sind.
Allerdings ist das nicht immer so: Bei Morbus Basedow müssen nicht immer die Augen beteiligt sein. Und in seltenen Fällen kann eine endokrine Orbitopathie auch ohne Zusammenhang mit einer Schilddrüsenfehlfunktion vorkommen.
Eine endokrine Orbitopathie fällt durch hervortretende Augen auf. Man spricht von Exophthalmus. Ursache sind Entzündungen im Binde- und Fettgewebe der Augenhöhle. Durch diese Entzündungen schwillt das Gewebe an und vermehrt sich. Da der Platz in der Augenhöhle begrenzt ist, wird das Auge nach vorne gedrückt. Das Hervortreten der Augen bringt weitere Probleme mit sich. Aufgrund der veränderten Lage der Augen können die Lider oft nicht mehr ausreichend geschlossen werden, sodass die empfindliche Hornhaut ungeschützt den Umwelteinflüssen ausgesetzt ist. Dadurch kommt es zum Austrocknen der Hornhaut. Dies kann sich in brennenden oder tränenden Augen, in Lichtempfindlichkeit oder einem Fremdkörpergefühl im Auge äußern.
Die Entzündung von Bindegewebe, Augenmuskeln und Lidern geht nicht nur mit geröteten, schmerzenden Augen einher, sondern kann auch die Sehkraft beeinträchtigen. Betroffene berichten von verschwommenem Sehen, von Doppelbildern, Schielen oder einer allgemeinen Sehverschlechterung.
Vor allem wenn die Sehnerven durch den zunehmenden Druck in der Augenhöhle Schaden nehmen, können unumkehrbare (irreversible) Sehschäden entstehen. Dies kann bis zur Erblindung führen.
Die Untersuchungen führt der Augenarzt durch. Sofern aktuelle Laborwerte der Schilddrüse vorliegen, sollten diese zum Arzttermin mitgebracht werden. Der Augenarzt führt eine Reihe von Tests durch, abhängig davon, wie weit fortgeschritten die Erkrankung ist:
Um das Gewebe in den Augenhöhlen und die Augenmuskeln beurteilen zu können, kommt eine Kernspintomografie oder Computertomografie zum Einsatz. Tumorerkrankungen können mit dieser Untersuchung ebenfalls ausgeschlossen werden.
Raucher haben nicht nur ein erhöhtes Risiko, an einer endokrinen Orbitopathie zu erkranken, das Rauchen verschlechtert auch die bestehende Erkrankung und behindert den Heilungsprozess. Um einen Behandlungserfolg zu erzielen, muss das Rauchen aufgegeben werden.
Liegt eine Schilddrüsenüberfunktion vor, verordnet der Endokrinologe (Arzt, der sich mit Hormonerkrankungen befasst) sogenannte Thyreostatika. Dabei handelt es sich um Medikamente, die die Produktion von Schilddrüsenhormonen hemmen. Eine gut eingestellte Schilddrüse ist eine Grundvoraussetzung für die Behandlung der endokrinen Orbitopathie. Zwar kann diese auch bei optimalen Schilddrüsenwerten vorkommen oder sich verschlechtern, aber nur mit einer guten Stoffwechsellage können sich die Augenprobleme verbessern. In schweren Fällen kann eine teilweise oder vollständige Entfernung der Schilddrüse hilfreich sein, um eine endokrine Orbitopathie in den Griff zu bekommen.
Unabhängig von der Therapie der Schilddrüse bestehen verschiedene Möglichkeiten, die Augenprobleme zu behandeln. Besteht eine akute Entzündung, kann eine kurzzeitige Cortisontherapie helfen. Manchmal kann eine Bestrahlung der Augenhöhlen Besserung bringen, diese sollte jedoch aufgrund der möglichen Nebenwirkungen gut abgewogen werden.
Ist die Entzündung nicht so stark ausgeprägt, lindern Mittel zur Augenbefeuchtung (Tränenersatzmittel) Symptome wie Augentrockenheit, Brennen und Schmerzen. Auch ein anatomisch angepasster Seitenschutz an den Brillengläsern kann eine zu schnelle Austrocknung der Augenoberfläche verhindern helfen.
Bestehen Doppelbilder, können diese durch eine Prismenbrille (Prismenfolien oder Prismengläser) ausgeglichen werden.
Eine augenärztliche Kontrolle ist in regelmäßigen Abständen notwendig, um eine mögliche Verschlechterung rechtzeitig zu erkennen.
Nur in schweren Fällen wird bei endokriner Orbitopathie operiert. Ein chirurgischer Eingriff kann nur durchgeführt werden, wenn keine akute Entzündung vorliegt und der Zustand der Erkrankung für mindestens sechs Monate stabil ist. Bei Schielen und Doppelbildern kann eine Operation an den Augenmuskeln helfen. Besteht ein Druck auf die Sehnerven und treten immer wieder Entzündungen auf, ist eine Operation notwendig. Mit einer OP kann auch ein auffälliges Hervortreten der Augäpfel behoben werden.
Augenärzte Bern – Schilddrüse und Auge: Endokrine Orbitopathie: https://www.augenaerzte-bern.ch/schilddruese-und-auge-endokrine-orbitopathie/ (online, letzter Abruf: 30.11.2020)
Der Augenspiegel, Prof. Dr. Roland Gärtner – Interdisziplinäre Therapie der Endokrinen Orbitopathie: http://augenspiegel.com/zeitschrift.php/auge/blog/interdisziplinaere-therapie-der-endokrinen-orbitopathie/ (online, letzter Abruf: 30.11.2020)
MVZ Professor Neuhann GmbH – Endokrine Orbitopathie: https://www.neuhann.de/endokrine-orbitopathie/ (online, letzter Abruf: 30.11.2020)
Österreichische Schilddrüsengesellschaft, Guido Dorner – Endokrine Orbitopathie 2014
Aus der Sicht des Ophthalmologen: https://www.schilddruesengesellschaft.at/sites/osdg.at/files/upload/11%20Dorner-endokrine-orbitopathie.pdf (online, letzter Abruf: 30.11.2020)
aktualisiert am 30.11.2020