Prof. Feldkamp: Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine Autoimmunerkrankung und die häufigste Ursache für eine erworbene Unterfunktion der Schilddrüse. Es kommt zu einer nicht schmerzhaften Entzündung der Schilddrüse und zur Produktion von Antikörpern im Blut, die die Funktion der Schilddrüse beeinträchtigten.
Prof. Feldkamp: Der wesentliche Unterschied zwischen einer Hashimoto-Thyreoiditis und einem Morbus Basedow ist die Produktion von speziellen Antikörpern, die die Schilddrüse aktivieren und nur beim Morbus Basedow vorkommen. Diese Antikörper heißen TSH-Rezeptor Antikörper. Beim Morbus Basedow kommt es daher zu einer lang anhaltenden Schilddrüsenüberfunktion die durch diese Antikörper bedingt ist. Bei der Hashimoto-Thyreoiditis kann es nur am Anfang kurz zu einer Überfunktion kommen, wenn durch die Entzündung der Schilddrüse bereits vorproduziertes Schilddrüsenhormon aus den Speichern der Schilddrüse akut in die Blutbahn freigesetzt und verbraucht wird. Diese Überfunktion hält maximal 4 – 6 Wochen an und danach kommt es bei der Hashimoto-Thyreoiditis meist zu einer Unterfunktion der Schilddrüse.
Bei der Hashimoto-Thyreoiditis kann es nur am Anfang kurz zu einer Überfunktion kommen...
Prof. Feldkamp: Am Anfang der Hashimoto-Thyreoiditis kann es zu einer Schwellung des Organes kommen. Dies ist häufiger bei Jugendlichen als bei Erwachsenen der Fall. Die Schilddrüse kann dann sichtbar werden und ein Druckgefühl verursachen. Häufiger macht sich die Hashimoto-Thyreoiditis allerdings durch die Zeichen der Schilddrüsenunterfunktion bemerkbar. Dabei kommt es zu vermehrter Müdigkeit, hohem Schlafbedürfnis, Konzentrationsstörungen, Verstopfung, Neigung zu Frieren, langsamem Pulsschlag, Wassereinlagerungen, einer veränderten Stimme und Haarausfall.
Prof. Feldkamp: Die Hashimoto-Thyreoiditis tritt nicht schubweise auf. Am Anfang kann die Schilddrüsenüberfunktion stehen, die dann in eine Unterfunktion übergeht. In der Regel bleibt dann die Funktionsstörung bei den meisten Patienten stabil vorhanden. In der Anfangszeit kann dies natürlich zu einer zunehmenden Einschränkung der Schilddrüsenfunktion führen, sodass eine Anpassung der Therapie entsprechend dem Funktionszustand der Schilddrüse notwendig ist. Diese Phase dauert von wenigen Wochen bis hin zu einem Jahr. Anschließend ist in der Regel eine stabile Situation erreicht.
Die Hashimoto-Thyreoiditis tritt nicht schubweise auf.
Prof. Feldkamp: Die Unterfunktion der Schilddrüse kann depressive Stimmungslagen befördern. Unter einer Behandlung sind dann die Symptome meist rückläufig. Unabhängig davon gibt es im Vergleich zur Normalbevölkerung eine gering häufigere Auftretenswahrscheinlichkeit von Depressionen bei Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis. Die Ursache ist nicht bekannt und eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonen kann hier auch keine Besserung bringen, sodass dann eine ergänzende fachspezifische psychologische oder psychiatrische Mitbehandlung sinnvoll ist.
Prof. Feldkamp: Tatsächlich sind von der Hashimoto-Thyreoiditis Frauen etwa 8 – 10 Mal häufiger betroffen als Männer. Die genaue Ursache hierfür ist nicht bekannt. Die Sexualhormone scheinen eine Rolle zu spielen. Vor der Pubertät kommt die Hashimoto-Erkrankung bei Jungen und Mädchen etwa gleich häufig vor, anschließend sind Mädchen viel häufiger betroffen als Jungen. Dies deutet auf den Einfluss des Sexualhormone hin.
...Frauen etwa 8 – 10 Mal häufiger betroffen als Männer.
Prof. Feldkamp: Die Hashimoto-Thyreoiditis kann durch die Bestimmung der spezifischen Antikörperwerte im Blut nachgewiesen werden. Diese Antikörper heißen Antikörper gegen thyreoidale Peroxidase und Antikörper gegen Thyreoglobulin. Zusätzlich zeigt sich in der Ultraschalluntersuchung ein typisches Muster. Bei vielen Patienten kann zusätzlich die Schilddrüsenunterfunktion durch die Bestimmung des Regelhormons TSH und der Schilddrüsenhormone freies T3 und freies T4 nachgewiesen werden.
Prof. Feldkamp: Die klassische Behandlung der Hashimoto-Thyreoiditis ist der Ersatz von Schilddrüsenhormonen bei einer nachgewiesenen Schilddrüsenunterfunktion. Gerade zu Beginn der Erkrankung muss die Schilddrüsenhormondosis entsprechend den gemessenen Laborwerten und dem Befinden des Patienten angepasst werden. In der Regel wird hierzu L-Thyroxin (T4) eingesetzt. Dieses Medikament muss nur einmal am Tag gegeben werden und hat durch seine lange Wirksamkeit eine gute Steuerbarkeit.
In extrem seltenen Fällen muss zusätzlich eine Kombination mit dem Schilddrüsenhormonpräparat Trijodthyronin (T3) ergänzt werden. Dies sollte dann durch Fachärzte wie z. B. die Endokrinologen durchgeführt werden. Tritt am Anfang der Erkrankung eine vorübergehende Überfunktion der Schilddrüse auf, wird symptomatisch mit Betablockern behandelt, besonders um den schnellen Herzschlag und die Unruhe zu bessern, bei Übergang in die Unterfunktion wird dann wiederum mit L-Thyroxin (T4) begonnen.
Prof. Feldkamp: Prinzipiell hat sich die Behandlung der Hashimoto-Thyreoiditis in den letzten Jahren nicht geändert. Es gibt eine Reihe von Untersuchungen, die zusätzlich Selen als Therapeutikum überprüft haben. Hierzu liegen etwas widersprüchliche Ergebnisse vor und die Behandlung mit Selen ist derzeit keine Standardbehandlung der Hashimoto-Thyreoiditis. Sie ist keine Kassenleistung und muss im Einzelfall überprüft werden.
Prof. Feldkamp: In einem kleinen Teil der Fälle kann es zu einer spontanen Heilung der Hashimoto-Thyreoiditis kommen. Bei Kindern und Jugendlichen ist dies häufiger der Fall als bei Erwachsenen. Bei den meisten Patienten bleibt eine bereits eingetretene Schilddrüsenunterfunktion allerdings lebenslang bestehen.
Prof. Feldkamp: Derzeit wird daran geforscht, das Immunsystem so zu programmieren, dass es nicht zu einer Funktionsstörung der Schilddrüse durch die Antikörper kommen kann. Diese Studien sind allerdings noch weit von einer Anwendung in der täglichen Praxis entfernt. In der Zukunft scheint es auch möglich zu sein, aus menschlichen Stammzellen Schilddrüsenzellen herzustellen, die wieder eine normale Funktion aufnehmen. Dies ist eine Hoffnung für Patienten die bereits einen Ausfall der Schilddrüsenfunktion haben. Aber auch in diesem Falle müsste das Immunsystem unterdrückt werden, so dass es nicht erneut zu einer Schädigung dieser Zellen kommt. Es bleibt also für die Forschung noch viel zu tun.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 28.12.2023.