Prof. Lütticken: Der Scharlach ist eine besondere Form der Infektion durch sogenannte „A-Streptokokken“ (oft auch als beta-hämolysierende Streptokokken der serologischen Gruppe A bezeichnet, wissenschaftliche Bezeichnung: Streptococcus pyogenes). Die Krankheit zeigt als erstes Symptom eine Rachenentzündung (Tonsillitis, Pharyngitis). Kinder vom Kleinkindesalter bis zum Schulalter sind am häufigsten davon betroffen. Typisch für den Scharlach ist, dass dabei ein Hautauschlag (Exanthem) mit kleinfleckiger Rötung sowie eine charakteristische Rötung der Zunge und des Rachens erscheinen. Zur eindeutigen Diagnose gehört die Untersuchung eines Rachenabstrichs (oder eines Abstrichs einer anderen infizierten Körperregion [Wunde, After, Scheide]) mittels Antigen-Schnelltest oder mit Hilfe einer Bakterienkultur.
Prof. Lütticken: Die Ansteckung erfolgt durch infizierte Personen über nahen Kontakt mit der Mund- und Nasenregion, über sogenannte Tröpfcheninfektion beim Niesen oder Husten, indirekt über die Hände oder verunreinigte Gegenstände, auf denen die Streptokokken Stunden bis Tage lebensfähig sein können. Der enge Kontakt ist in gemäßigten Klimazonen besonders im Winter und Frühjahr gegeben, daher findet man in dieser Jahreszeit gehäufte Streptokokken-Infektionen.
Die Ansteckung erfolgt durch infizierte Personen über nahen Kontakt mit der Mund- und Nasenregion, über sogenannte Tröpfcheninfektion...
Prof. Lütticken: Die wichtigsten Krankheitserscheinungen beim Scharlach sind die Halsschmerzen mit Schluckbeschwerden, Fieber (38°C und höher), vergrößerte Gaumenmandeln (Tonsillen) mit oder ohne weißliche Eiterstippchen sowie das typische kleinfleckige Exanthem, das meist die Region um den Mund ausspart (periorale Blässe).
Prof. Lütticken: Neben dem Exanthem findet sich oft auch ein sogenanntes Enanthem (Ausschlag der Schleimhäute) mit Rötung und Schwellung der Zungenschleimhaut, das wegen der Ähnlichkeit mit der Oberfläche von Himbeeren als „Himbeerzunge“ bezeichnet wird (im englischen Schrifttum auch – übersetzt – als „Erdbeerzunge“).
Prof. Lütticken: Die typischen Scharlach-Symptome mit Exanthem erscheinen meist ein bis zwei Tage nach Beginn der Halsschmerzen und Schluckbeschwerden besonders an den Innenseiten der großen Gelenke. Wenn die Rötungen nach ca. einer Woche blasser werden, erscheinen auch diskrete Hautabschuppungen. Nach Verschwinden des Exanthems können Hautabschuppungen auch an den Handinnenflächen und den Fußsohlen auftreten.
Die typischen Scharlach-Symptome mit Exanthem erscheinen meist ein bis zwei Tage nach Beginn der Halsschmerzen und Schluckbeschwerden besonders an den Innenseiten der großen Gelenke.
Prof. Lütticken: Scharlach kann auch bei Erwachsenen mit A-Streptokokken-Racheninfektionen auftreten, allerdings seltener als bei Kindern, da die meisten Erwachsenen in ihrer Kindheit eine Streptokokken-Pharyngitis (oder mehrere davon) durchgemacht hatten und dabei eine (Teil-)Immunität erworben haben.
Prof. Lütticken: Patienten mit einer Streptokokken-bedingten Rachenentzündung (mit oder ohne Scharlach-Exanthem) sollen 10 Tage lang mit Penicillin V behandelt werden, um die auslösenden Streptokokken sicher zu entfernen und damit mögliche Komplikationen und die wichtigsten Folgeerkrankungen zu vermeiden. Bei einer (seltenen) Penicillin-Allergie gibt es alternative Antibiotika, deren Wirksamkeit man testen kann, wenn eine Bakterienkultur durchgeführt wurde.
Prof. Lütticken: Unabhängig von dem Auftreten eines Ausschlags (Exanthem und Enanthem) ist die antibiotische Behandlung einer Racheninfektion durch beta-hämolysierende Streptokokken immer erforderlich, vor allem um die wichtigste Spätkomplikation, das circa drei Wochen nach der akuten Infektion bei manchen Patienten auftretende, gefürchtete Akute rheumatische Fieber (ARF) zu verhindern.
Auch im Hals-Rachenbereich und den Atemwegen mögliche Komplikationen wie eine Mittelohrentzündung, eine Lungenentzündung oder ein sogenanntes Peritonsillarabzess können damit meist vermieden werden. Auch ein gefährliches sogenanntes Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrom (STSS) nach Racheninfektion kann so fast immer verhindert werden. Eine weitere mögliche Komplikation der Streptokokken-Racheninfektion, die Post-Streptokokken-Glomerulonephritis kann jedoch nicht sicher durch die Antibiotikatherapie vermieden werden.
Unabhängig von dem Auftreten eines Ausschlags (Exanthem und Enanthem) ist die antibiotische Behandlung einer Racheninfektion durch beta-hämolysierende Streptokokken immer erforderlich...
Prof. Lütticken: Ja, leider kann man mehrmals an Streptokokken-Racheninfektionen mit Scharlach-Symptomen erkranken, da die Immunantwort nur gegen den sogenannten Serotyp des auslösenden Streptokokken-Stammes bzw. gegen sein spezielles sogenanntes „Superantigen“ gerichtet ist, das die eigentliche Scharlach-Symptomatik (mit Exanthem und Enanthem) auslöst.
Prof. Lütticken: Diese Frage ist im Infektionsschutzgesetz (IfSG, §34) eindeutig geregelt: Kinder dürfen „frühestens 24 Stunden nach Abklingen der spezifischen Symptome“ den Kindergarten oder die Schule (oder sonstige Gemeinschaftseinrichtungen) wieder besuchen, wenn sie nicht antibiotisch behandelt wurden. Allerdings dürfen Kinder, die antibiotisch behandelt werden, 24 Stunden nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie und Abklingen der Symptome wieder diese Einrichtungen besuchen. Details dazu findet man auf den Seiten des Robert-Koch-Instituts bezüglich Streptococcus pyogenes-Infektionen.
Die Symptome der Streptokokken-Racheninfektion und damit auch des Scharlachs klingen meist wenige Tage nach Beginn der antibiotischen Therapie ab. Allerdings sollte die Therapie mit einem Antibiotikum immer die empfohlenen 10 Tage durchgeführt werden (gilt für die übliche Therapie mit einem Penicillinpräparat).
Prof. Lütticken: Ein besonderer Schwerpunkt der derzeitigen Streptokokken-Forschung ist die Entwicklung von Impfstoffen gegen Streptococcus pyogenes. Allerdings ist bisher eine erfolgreiche Impfstoff-Entwicklung deshalb nicht wirklich gelungen, weil die Immunantwort bei einer Streptokokken-Infektion jeweils gegen den die Infektion auslösenden Serotyp des Streptococcus pyogenes-Stammes gerichtet ist. Die Schwierigkeit liegt darin, dass es über 275 sogenannte emm/M-Typen dieses Erregers gibt. Neuere Forschungs-Ansätze konzentrieren sich auf andere, Spezies-übergreifende Antigene des Erregers. Dazu gibt es mehrere internationale Initiativen, wie SAVC.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 28.06.2024.