Ein Schädel-Hirn-Trauma (kurz SHT) bedeutet für Betroffene ein einschneidendes Erlebnis. Je nach Schwere des Schädel-Hirn-Traumas verlieren die Patienten verschiedene Fähigkeiten, leiden unter jahrelangen Folgeschäden oder müssen Einschränkungen im Leben hinnehmen. Während ein leichtes SHT im Normalfall nach wenigen Tagen auskuriert ist, verlangt ein mittelschweres oder schweres SHT andere Therapiemaßnahmen. Die Behandlung dauert mehrere Wochen bis Monate und kann sich unter Umständen sogar über Jahre hinweg hinziehen.
Die leichteste Form des Schädel-Hirn-Traumas wird als Gehirnerschütterung bezeichnet. Leitsymptome sind eine kurze Bewusstlosigkeit von maximal 15 Minuten, Übelkeit und Schwindel. Hat der Arzt neurologische (die Nervenfunktion betreffende) Folgeschäden ausgeschlossen, werden die jeweiligen Symptome mit Schmerzmitteln oder Medikamenten gegen Übelkeit behandelt. Außerdem ist die Einhaltung von Bettruhe für die Genesung förderlich. Weil der Hirndruck nach einem leichten SHT trotzdem ansteigen kann, ist es wichtig, dass die Patienten in den nächsten 12 bis 24 Stunden unter Beobachtung stehen. Kann diese Aufgabe ein Angehöriger zu Hause übernehmen, spricht in der Regel nichts gegen eine Entlassung des Patienten. Andernfalls wird der Betroffene wahrscheinlich für eine Nacht stationär aufgenommen werden.
Neben dem Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades gibt es außerdem noch das SHT zweiten und dritten Grades. Die Bewusstlosigkeit hält bei diesen Ausprägungen länger an. Zudem sind neurologische Folgeschäden möglich, bei einem schweren SHT sogar wahrscheinlich. Um den bestmöglichen Erfolg der Therapie sicherzustellen, sollten die Patienten sofort behandelt werden. Die Therapie lässt sich in folgende Schritte einteilen:
Bei all diesen Schritten ist es notwendig, dass Betroffene, Angehörige, Ärzte und Pflegekräfte eng miteinander kooperieren. Nur so kann das entwickelte Therapiekonzept zum Erfolg führen. Wichtig ist dabei, dass sich alle Beteiligten bewusst sind, dass jede Hirnverletzung anders aussieht. Die Behandlung sollte deswegen immer individuell auf den Patienten und seine Fähigkeiten abgestimmt werden.
Weil ein SHT zu schweren Folgeschäden führen kann und die Patienten aus ihrem Alltag reißt, muss man bereits kurz nach der Akutphase über Reha-Maßnahmen nachdenken. Je früher die jeweiligen Ausfallerscheinungen wie Sprachstörungen, motorische (die Bewegung betreffende) Einschränkungen oder kognitive (die geistigen Fähigkeiten betreffende) Schwierigkeiten behandelt werden, desto bessere Ergebnisse liefert die Therapie. Deswegen sollten bereits in der Frühphase der Intensivversorgung beteiligte Berufsgruppen über den Therapieplan entscheiden. Gefragt sind sowohl Internisten (Ärzte für Innere Medizin) und Neurologen als auch Psychologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden (Sprachtherapeuten).
Auch Angehörige eines SHT-Patienten sollten bei der Erarbeitung eines Therapieplans miteinbezogen werden, weil sie als Stütze und Motivation für die Patienten angesehen werden. Die einzelnen Reha-Maßnahmen sind dann von den jeweiligen Folgen des Schädel-Hirn-Traumatas abhängig. Weder Pflegekräfte noch Angehörige sollten den Patienten schonen und ihm unnötige Arbeit abnehmen. Je mehr der Betroffene selbst übernehmen kann, desto eher kann er sein Leben wieder eigenständig führen. Dazu gehört auch das tägliche Waschen und Anziehen sowie Essen und Trinken.
Nach einem SHT dritten Grades ist es nicht ungewöhnlich, dass Betroffene unter Lähmungserscheinungen oder motorischen Ausfällen leiden. Die Patienten haben Schwierigkeiten, sich koordiniert zu bewegen, leiden womöglich unter Muskelkrämpfen und können leichte Alltagsaufgaben nicht mehr übernehmen. Physiotherapeuten helfen dabei, die Bewegungen wieder zu erlernen. Weil die Patienten auf ihre Unfähigkeiten außerdem häufig mit depressiven Verstimmungen, Wut oder Trauer reagieren, sollte ein Psychotherapeut in die Behandlung miteinbezogen werden. Dieser kümmert sich außerdem um die Behandlung von Störungen der Aufmerksamkeit und hilft bei Konzentrationsstörungen weiter. Er vermittelt den Betroffenen, falls nötig, problemlösendes Denken und beeinflusst Verhaltensauffälligkeiten, die von einer erhöhten Aggressivität bis hin zur Antriebsminderung reichen können. Damit nimmt der Psychotherapeut eine wichtige Rolle zwischen Ärzten, Patienten und deren Angehörigen ein.
Neben Folgeschäden, die die Bewegung und die geistigen Leistungen betreffen, sind auch Sprachstörungen nach einem schweren SHT keine Seltenheit. Die Patienten haben entweder die Fähigkeit verloren, flüssig lesen und schreiben zu kennen, oder können ausgesprochene Sätze nicht mehr richtig verstehen. In einigen Fällen können sie auch nur manche Wörter nicht mehr korrekt artikulieren oder haben Schwierigkeiten dabei, passende Wörter zu finden. Aufgabe des Sprachtherapeuten ist es, die Sprachstörung einzuordnen und die einstigen Sprachfähigkeiten zu reaktivieren. In vielen Fällen müssen die Patienten zunächst lernen, überhaupt wieder zu sprechen. In einigen Fällen kann es allerdings auch passieren, dass Betroffene ungewöhnlich viel reden, sodass der Logopäde stattdessen einschreiten muss, um den Redefluss zu blockieren. Je nach Ausprägung der Sprachstörung kommen anschließend weitere Therapiemaßnahmen hinzu.
Nachdem die Frührehabilitation abgeschlossen ist, sollen die Patienten Erlerntes auf Alltagssituationen übertragen. Meist entscheiden sich die Therapeuten für Rollenspiele oder führen bewusst eine Alltagssituation wie Einkaufen im Supermarkt herbei. Auch in dieser Phase der Reha sollten die Angehörigen unbedingt mit in die Therapien miteinbezogen werden, um den Patienten zu unterstützen und ihn zu motivieren.
Sollten die Patienten unter Störungen der Koordination leiden oder Bewegungen nicht mehr korrekt ausführen können, so lernen die Betroffenen während der Rehabilitation, die jeweiligen Bewegungsfolgen wieder sinnvoll aufzubauen. Die Menschen sollen in dieser Phase lernen, wieder alleine zu essen, sich zu waschen oder anzuziehen. Zudem muss Patienten mit dauerhaften Beeinträchtigungen vermittelt werden, dass die Störung keine kurzfristige Verwirrung ist. Sie lernen zu akzeptieren, dass sie aufgrund der Verletzung womöglich nicht mehr in der Lage sind, bestimmte Bewegungsabläufe und Handlungsschritte wie gesunde Menschen durchzuführen.
Bei einer Sprech- oder Stimmstörung sieht die Therapie etwas anders aus. Die Patienten werden vom Logopäden unterstützt und trainieren die für die Sprachfähigkeit notwendige Muskulatur. Außerdem kommen in der Reha-Phase Hilfsgeräte wie Sprachsichtgeräte zum Einsatz. Die Betroffenen sehen auf einem Bildschirm direkt, wie laut sie sprechen und welche Tonhöhen sie dabei verwenden, damit sie eine aussagekräftige Rückmeldung bekommen. Sollte die Sprechstörung sehr stark ausgeprägt sein, besteht die Möglichkeit, sogenannte Kommunikatoren anzuwenden. Mit einer speziellen Tastatur sind die Patienten damit in der Lage, eine eingegebene Nachricht auszudrucken oder mit einer digital erzeugten Stimme auszusprechen.
Eine andere Folge eines Schädel-Hirn-Traumas sind Schluckstörungen, die den Patienten stark einschränken können. Sollte die Nahrungsaufnahme nicht mehr einwandfrei möglich sein, kann man vorübergehend eine Magensonde legen. Manchmal legen Ärzte außerdem eine Trachealkanüle (Atemwegsschlauch mit Zugang zur Luftröhre über den Hals), die die Auswirkungen der Schluckstörung eindämmt. Es gibt inzwischen auch Experten, die sich der Therapie von Schluckstörungen widmen. Sie helfen den Patienten, den gestörten Schluckreflex wieder in die richtigen Bahnen zu leiten. Weil eine Schluckstörung oftmals von langer Dauer ist, sollten Angehörige in die Therapie miteinbezogen werden, um später die Betroffenen richtig unterstützen zu können.
Selbst wenn sich eine Reihe von Folgeschäden sehr gut therapieren lassen, kann ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zu einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit führen. Gerade wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, sein Leben eigenständig zu gestalten, muss über den Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung nachgedacht werden. Es ist auch möglich, einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch zu nehmen. Angehörige sollten sich in diesem Fall vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) informieren lassen, um über die jeweiligen Pflegemöglichkeiten umfassend Bescheid zu wissen.
aktualisiert am 18.04.2018