Ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist eine schwere Kopfverletzung. Am Gehirn besteht dabei eine vorübergehende oder dauerhafte Schädigung oder Funktionsstörung.
Eine leichte Form des Schädel-Hirn-Traumas ist die Gehirnerschütterung. Sie macht den größten Teil der Fälle von Schädel-Hirn-Traumata aus. Neben der Gehirnerschütterung lassen sich allgemein noch eine mittelstarke und eine schwere Form des Schädel-Hirn-Traumas unterscheiden. Typische Erscheinungen bei einem Schädel-Hirn-Trauma sind Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen oder oftmals auch eine zeitweise Bewusstlosigkeit. Je nach der Schwere des Traumas können weitere Symptome und Folgen eintreten bis hin zu Zuständen, die das Leben des Patienten gefährden. Deshalb ist eine rasche, teils notfallmäßige Behandlung des Betroffenen erforderlich.
Das Schädel-Hirn-Trauma kann in jedem Alter geschehen, besonders oft sind jüngere Menschen betroffen. Circa 30 Prozent der Betroffenen sind jünger als 16 Jahre.
Das Schädel-Hirn-Trauma wird durch eine Gewalteinwirkung auf den Kopf verursacht. Häufig sind es Unfälle, die zur Verletzung des Kopfes führen. Dies kann ein Verkehrsunfall (Autounfall, Fahrradunfall ohne Helm) sein, aber es kann auch beim Sport passieren. Oft handelt es sich um Stürze. Betroffene stürzen mit dem Fahrrad oder beim Skilaufen, im Beruf, bei der Hausarbeit oder in der Freizeit. Ein gewaltsamer Schlag auf den Kopf mit der Hand oder einem harten Gegenstand ist eine weitere häufige Ursache. So etwas passiert beispielsweise bei einer schweren Prügelei, einer Misshandlung oder einer Gewalttat. Diese Ursachen können als stumpfe Gewalt zusammengefasst werden. Sie führt meistens zu einem geschlossenen Schädel-Hirn-Trauma, bei der der Schädel und die harte Hirnhaut nicht verletzt sind.
Aufgrund der Gewalt geschieht ein Anprall des Gehirns an den Schädelknochen beziehungsweise an die Hirnhaut. Das Gehirn ist in das Hirnwasser eingebettet, das Stöße abfedert, und ist von der weichen und der harten Hirnhaut umgeben. Das Gehirn prallt bei einem heftigen Schlag zuerst an den Schädelknochen in der Richtung, aus dem die Einwirkung kommt, schwingt dann zurück und stößt meist noch einmal an der Gegenseite an. Vor allem an diesen Stellen kommt es zu einer Gehirnprellung. Auch werden die Hirnhäute beansprucht. Dies verursacht die Symptome wie Übelkeit und Kopfschmerz. Komplikationen entstehen hauptsächlich durch eine Gehirnschwellung durch Wassereinlagerung (Ödem) oder durch Blutungen.
Offene Verletzungen entstehen durch Schüsse oder mit durchdringenden Gegenständen, selten auch bei äußerst starker, eigentlich stumpfer Gewalt. Es kommt zum offenen Schädel-Hirn-Trauma, das heißt, vom Schädelinhalt aus besteht eine Eröffnung zur Umgebung. Dabei entsteht meist eine direkte Verletzung des Gehirns.
Das Schädel-Hirn-Trauma verursacht Symptome, die mit der beeinträchtigten Gehirnfunktion im Zusammenhang stehen. Daher kann es zu einem gestörten Bewusstsein, einer Bewusstseinstrübung oder auch einer Bewusstlosigkeit kommen. Ein weiteres typisches Syndrom des Schädel-Hirn-Traumas ist Übelkeit, einige Betroffene müssen erbrechen. Schwindel kann auftreten, Patienten können an einem Gleichgewichtsverlust leiden. Die Erinnerung kann beeinträchtigt oder getrübt sein, die Erinnerung an einen bestimmten Zeitraum kann komplett weg sein (Amnesie). Der Patient kann vergesslich oder desorientiert sein.
An den Augen kann ein Schielen auftreten oder die Pupillen können verschieden groß sein oder schlecht auf Lichtreize reagieren.
In manchen Fällen kommt es zu solchen Symptomen erst eine gewisse Zeit nach dem Unfall oder Schlag auf den Kopf. Dann wird von einer Latenzzeit gesprochen.
Die Gehirnerschütterung (Commotio cerebri) ist ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma. Üblicherweise besteht dabei kein Bewusstseinsverlust oder höchstens ein Bewusstseinsverlust von 15 Minuten. Es kann aber zur Übelkeit oder zum Schwindelgefühl kommen und zu einer kurzen Episode, an die sich der Patient nicht erinnert (retrograde Amnesie). Eine Gehirnerschütterung hat nur sehr selten langfristige Beeinträchtigungen zur Folge (sogenanntes postkommotionelles Syndrom). In solchen Fällen bestehen bei Betroffenen über einen längeren Zeitraum noch Symptome wie Gedächtnisprobleme, verminderte Leistungsfähigkeit des Gehirns, Kopfschmerzen oder Schwindel.
Eine mittelschwere Form des Schädel-Hirn-Traumas beinhaltet in der Regel eine Hirnprellung (Contusio cerebri). Oftmals finden sich die Prellverletzungen des Gehirns im Stirnbereich oder an der Schläfe. Charakteristisch ist für die Hirnprellung eine Bewusstlosigkeit, die länger als 15 Minuten dauert, sowie weiterhin Übelkeit, Erbrechen und Erinnerungsverlust.
Eine Gehirnquetschung (Compressio cerebri) ist als schweres Schädel-Hirn-Trauma zu kategorisieren. Hierbei dauert die Bewusstlosigkeit länger an.
Sowohl bei einer mittelschweren als auch bei einer schweren Verletzung können Ödeme (Wasser im Gewebe) oder Blutungen entstehen. Sie können das Bewusstsein stark beeinträchtigen, es kann sogar zum Koma kommen. Der Zustand kann lebensbedrohlich sein. Der Druck innerhalb des Kopfes steigt bei diesen Geschehnissen an, was als erhöhter Hirndruck bezeichnet wird. Bei zu starkem Druck im Schädel können Anteile des Gehirns abgequetscht werden. Die Schwellung (das Ödem) tritt typischerweise erst nach einiger Zeit (circa 12 Stunden bis wenige Tage) ein. Kleinere Blutgefäße des Gehirns können bei dem Trauma beschädigt werden, so dass sich Blut ansammelt. Auch aus einem eventuell gebrochenen Schädelknochen können Blutungen stammen. Eine Blutung kann noch später nach der Verletzung eintreten.
Lähmungen unterschiedlicher Körperbereiche können aufgrund einer Nervenschädigung eintreten. Die Augenbewegung kann davon betroffen sein, bei manchen Patienten geht das Riechvermögen verloren. Bei entsprechend schweren Verletzungsfolgen können Störungen der Atmung vorhanden sein, bei denen eine künstliche Beatmung erforderlich sein kann. Epileptische Anfälle sind ebenfalls möglich.
Hinzu kommen eventuell Symptome, die außerhalb des Gehirns aufgrund der Gewalteinwirkung bestehen. Am Kopf kann es zum Schädelbruch kommen oder Weichteilverletzungen und Blutergüsse können bestehen. Aber auch der Rest des Körpers kann je nach Unfallhergang stark geschädigt sein. Das kann wiederum verschiedene Knochen (Frakturen), die Wirbelsäule oder innere Organe betreffen, gefährlich sind beispielsweise Lungen-, Darm-, Leber-, Nieren- oder Milzverletzungen. Mehrere gleichzeitig bestehende schwere bis lebensbedrohliche Verletzungen von Organen werden in der Medizin als Polytrauma bezeichnet.
Bei einer Gehirnerschütterung selten, viel häufiger aber bei schwereren Formen des Schädel-Hirn-Traumas können langdauernde bis dauerhafte Beschwerden auftreten. Zu stark geschädigte Gehirnanteile können zugrunde gehen und durch Narbengewebe ersetzt werden. Das starke Trauma kann langfristig zu Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Gedächtnisminderungen führen. Lähmungen und andere neurologische (nervliche) Beeinträchtigungen wie Sehstörungen und Minderung des Geruchssinnes oder abnorme Bewegungen (Dystonie) können bestehen bleiben. Das Sprachvermögen kann über längere Zeit herabgesetzt sein. Auch weiterhin sind epileptische Anfälle möglich. Persönlichkeitsveränderungen können eine Folge der schweren Hirnschädigung sein.
Doch andere Areale des Gehirns können oft zu einem gewissen Ausmaß die Funktion der untergegangenen Gewebeanteile annehmen. Einiges kann sich vor allem in den ersten zwei Jahren nach dem Ereignis wieder bessern. Daher kann erst nach etwa zwei Jahren endgültig abgesehen werden, wie ausgeprägt die Dauerschäden sind (posttraumatische Enzephalopathie). Dennoch ist auch danach noch die eine oder andere Besserung möglich.
Menschen, die nach einem Schlag auf den Schädel ein getrübtes Bewusstsein, Übelkeit oder Kopfschmerzen haben, sollten umgehend ärztlich untersucht werden. Besteht der Verdacht auf eine schwere Verletzung oder eine Funktionsstörung des Gehirns, sollte der Betroffene umgehend in ein Krankenhaus gebracht werden beziehungsweise der Rettungsdienst gerufen werden.
Eine Anamnese (Befragung) wird vom Arzt durchgeführt, um die Symptome und den Ablauf des Unfalls in Erfahrung zu bringen. Dazu wird der Patient befragt, falls dies möglich ist, sowie in vielen Fällen auch weitere Personen, die den Unfall oder Vorfall mitbekommen haben. Der Arzt (oft zunächst der Notarzt) beurteilt den Zustand des Patienten.
Die mögliche Bewusstseinsstörung wird dabei anhand einer Punkteliste eingeteilt, der Glasgow Coma Scale. Die Punkte richten sich nach drei Komponenten:
Es können im schlechtesten Fall 3 Punkte und im günstigsten Fall 15 Punkte erreicht werden (für jede Komponente werden ein bis fünf Punkte vergeben). Von 15 bis 13 Punkten ist das Schädel-Hirn-Trauma mit seiner Bewusstseinsstörung leicht, von 12 bis 9 Punkten mittelschwer und von 8 bis 3 Punkten schwer. Bei 15 Punkten kann davon ausgegangen werden, dass derzeit kein nennenswertes Schädel-Hirn-Trauma besteht.
Der Arzt schaut nach weiteren möglichen Verletzungsfolgen des Gehirns und der Nerven wie einer veränderten Pupillenreaktion, einer abweichenden Augenstellung und einer Augenbewegungsstörung oder Schmerz an speziellen Druckpunkten des Gesichts. Er schaut, ob am Kopf Wunden vorhanden sind. Der Arzt kontrolliert, ob ein Ausfluss von Liquor besteht (Nervenwasser, Flüssigkeit um das Hirn herum). Vor allem aus Nase oder Ohren kann Liquor austreten oder auch Blut. Ein solcher Flüssigkeitsaustritt kann auf einen Schädelbasisbruch hinweisen.
Um eine Beteiligung der Schädelknochen auszuschließen oder zu erkennen, wird eine Röntgenaufnahme des Kopfes gemacht. Eine Computertomographie (CT) oder eine Kernspintomographie (MRT, Magnetresonanztomographie) kann in schwerwiegenden Fällen ebenfalls notwendig sein, um die Verletzungen oder Blutungen genau zu beurteilen.
Betroffene mit ausgeprägtem Schädel-Hirn-Trauma werden auf der Intensivstation weiter überwacht, um bei verschlechterten Zuständen gleich eingreifen zu können. Die Überwachung umfasst eine ständige Blutdruckmessung, Temperaturmessung, ein EKG (Elektrokardiogramm) und die Bestimmung der Sauerstoffsättigung im Blut (mittels einer speziellen Fingerklemme, dem Puls-Oximeter). Auch die Urinmenge wird kontrolliert. Darüber hinaus können Methoden in Frage kommen wie eine Hirndruckmessung mittels einer Messsonde, ein EEG (Messung der Hirnströme), weitere Sauerstoffmessungen in Blutgefäßen oder am Gehirn. Mit einem speziellen Ultraschall (transkranieller Doppler) kann die Durchblutung in Blutgefäßen des Gehirns beurteilt werden.
Wird ein Patient bewusstlos aufgefunden, so kann dies neben einer Kopfverletzung beziehungsweise dem Schädel-Hirn-Trauma auch andere Ursachen haben. Insbesondere gilt dies für den Fall, dass keine Einwirkung auf den Schädel gesehen werden kann. Mögliche Ursachen des Bewusstseinsverlusts oder der Bewusstseinstrübung sind überdosierte Medikamente, Drogen und Alkohol, entgleiste Stoffwechselerkrankungen, Unterkühlung, Hitzschlag oder weitere Gründe.
Die Therapie ist unterschiedlich, je nachdem, wie schwer die Verletzung und die Hirnfunktionsstörung ist. Patienten werden für wenigstens einen Tag stationär aufgenommen, um eine Kontrolle des Zustands zu ermöglichen. So können Folgen und Komplikationen erkannt werden, die sich nicht direkt nach dem Ereignis, sondern manchmal erst später entwickeln.
Bei der Gehirnerschütterung, der leichten Form des Schädel-Hirn-Traumas, hält der Betroffene zunächst Bettruhe ein. Gegen Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Übelkeit und Erbrechen werden Medikamente verabreicht. Sollten Beschwerden sehr lange andauern, können neben den Medikamenten auch Maßnahmen wie Physiotherapie, körperliches Training, Entspannungsverfahren oder auch eine Verhaltenstherapie sinnvoll sein.
Patienten mit schwerem oder mittelschwerem Schädel-Hirn-Trauma bekommen ebenfalls eine Therapie, die sich nach den Symptomen richtet. Eventuell muss der Betroffene auf der Intensivstation überwacht und behandelt werden. Bei Abläufen wie Ödemen (Flüssigkeitseinlagerung) oder Blutungen, die den Hirndruck steigern, muss dieser gesenkt werden. Das geschieht mit Infusionen und Medikamenten. Nötigenfalls wird über einen Katheter Flüssigkeit (Liquor) ausgeleitet. Bei Bedarf muss der Patient künstlich beatmet werden.
Notfallmaßnahmen durch den Arzt können erforderlich sein, wenn ein Patient mit Schädel-Hirn-Trauma vorgefunden wird. Sie umfassen die Gabe von Medikamenten wie starken Schmerzhemmern, Beruhigungsmitteln oder Mitteln zur Reduzierung der Muskelspannung (Muskelrelaxanzien). Bei einigen Patienten müssen Infusionen gegeben werden. Eine Beatmung beziehungsweise die Anlage einer Intubation (Beatmungsvorrichtung über einen Schlauch) muss manchmal vorgenommen werden. Eine Halskrause stützt den Hals ab und kann so weiteren Verletzungen am Rückenmark vorbeugen. Bei hohem Hirndruck sollte der Oberkörper erhöht gelagert werden, außer es besteht ein Schock.
Bestimmte Verletzungen müssen operativ behandelt werden. Etwaige Brüche oder andere schwere Verletzungen werden versorgt. Bei einem auftretenden hohen Hirndruck kann eine Bohrung des Schädelknochens (Trepanation) sinnvoll sein. Über diesen Eingriff kann beispielsweise Blut ausgeräumt werden, um den Druck auf das Gehirn zu reduzieren. In wenigen Fällen muss ein größeres Stück Knochen für den Eingriff abgenommen werden, um Eingriffe im Schädelinneren durchführen zu können.
Kommt es zu einer deutlichen Besserung der Beeinträchtigung, dann kann gegebenenfalls die Intensivüberwachung beendet werden und der Patient auf eine normale Krankenhausstation verlegt werden. Ein eventuell künstlich angelegtes Koma kann ebenfalls wieder beendet werden.
In der weiteren Folge ist nach einem mittleren oder schweren Schädel-Hirn-Trauma eine Rehabilitation erforderlich. In der Reha werden Maßnahmen wie Krankengymnastik und Ergotherapie (Erlernen von eventuell verlorenen Bewegungsabläufen), weitere physikalische Therapieformen oder Sprachübungen (Logopädie) durchgeführt.
Die Prognose ist beim Schädel-Hirn-Trauma ganz wesentlich davon abhängig, welche Verletzung besteht, wie schwer sie ist und welche Folgen eintreten. Die Prognose ist umso günstiger, je kürzer die Zeit der Bewusstlosigkeit ist und je schneller die Behandlung erfolgt. Auch gilt, dass bei jüngeren Patienten die Prognose im Allgemeinen etwas besser ist als bei älteren Menschen mit Schädel-Hirn-Trauma. Der vorherige Gesundheitszustand spielt eine Rolle. Die Störungen am Gehirn - oder andere Verletzungen - können mitunter lebensbedrohlich sein.
Handelt es sich lediglich um eine Gehirnerschütterung (leichtes Schädel-Hirn-Trauma), dann ist in aller Regel damit zu rechnen, dass sie spätestens nach zehn Tagen wieder abgeheilt ist. Nur manchmal verbleiben leichtere Beschwerden eine Zeit lang. Besteht aber ein mittleres oder schweres Schädel-Hirn-Trauma mit Prellung oder Quetschung des Gehirns, dann sind dauerhafte Schäden möglich. Zu den möglichen Folgen gehören ein eingeschränktes oder verlorenes Bewusstsein, Verlust von geistigen oder neurologischen Fähigkeiten oder eine veränderte Persönlichkeit. Ein offenes Schädel-Hirn-Trauma ist praktisch immer so schwer, dass Funktionseinschränkungen auf Dauer verbleiben. Manchmal erholt sich der Zustand nach einiger Zeit wieder zu einem gewissen Teil.
Bei den Betroffenen kann eine teils über Monate andauernde Rehabilitation erforderlich sein, um möglichst weit den Normalzustand wiederherzustellen.
aktualisiert am 31.03.2023