Prof. Lorbach: Die sogenannte Rotatorenmanschette besteht aus 4 Muskeln, welche sehnig am Oberarmknochen befestigt sind. Sie ist in der Schulter für die Dreh- und Hebebewegungen des Armes zuständig. Mit zunehmendem Alter kommt es im Sehnenbereich, typischerweise am Sehnenansatz, zu Verschleißerscheinungen. Die Sehne wird spröde wie ein altes Gummiband und kann bei Bagatellbewegungen ein- oder im schlimmsten Fall auch abreißen. Es beginnt in der Regel mit einer Sehne. Der Riss nimmt dann aber im Laufe der Zeit zu.
Prof. Lorbach: Die Symptome der Rotatoremanschettenruptur sind variabel. Es beginnt häufig mit Schmerzen bei bestimmten Belastungen, insbesondere Überkopfbelastungen. Ist der Teil der Bizepssehne mit betroffen, welcher von der Rotatorenmanschette mit stabilisiert wird, kann der Schmerz auch in den Arm ausstrahlen. Mit Zunahme der Rissgröße, kommt zunehmend auch eine Kraftminderung bei Hebe- und Drehbewegungen dazu.
Es beginnt häufig mit Schmerzen bei bestimmten Belastungen, insbesondere Überkopfbelastungen.
Prof. Lorbach: Die Schmerzen kommen nicht direkt von der Rotatorenmanschette, sondern von dem auf ihr liegenden Schleimbeutel, der Bizepssehnenscheide und der Gelenkkapsel. Häufig werden diese abends und nachts stärker wahrgenommen.
Prof. Lorbach: Der Hauptgrund für die Entstehung von Rissen der Rotatorenmanschette sind altersbedingt. Bagatellbewegungen können bei einer altersbedingt geschädigten Sehne ausreichen. Traumatische Risse sind seltener und häufig auch auf der Basis einer degenerativen Vorschädigung. Gerade bei älteren Patienten können dann aber gleich sehr große Risse mit einer entsprechender Funktionseinschränkung entstehen.
Prof. Lorbach: Typischerweise können Verletzungen entstehen, die die lange Bizepssehne mitbetreffen. Diese verläuft in einer kleinen Rinne am Oberarm ins Gelenk und wird durch einen dünnen Halteapparat stabilisiert. Wird dieser Halteapparat im Rahmen der Rotatorenmanschettenruptur mitgeschädigt, wird die Sehne instabil, was zu additiven Schmerzen führen kann. Im Rahmen von Massenrissen der Rotatorenmanschette kommt es zu einer statischen Dezentrierung des Oberarmkopfes, welche mittelfristig zu einer Arthrose im Schultergelenk führen kann.
Prof. Lorbach: Teilrisse und kleine zentrierte Risse werden zunächst mit schmerzlindernden und entzündungshemmenden Medikamenten behandelt. Physiotherapeutische Maßnahmen können Bewegungseinschränkungen und Fehlbewegungen sowie muskuläre Verspannungen behandeln.
Teilrisse und kleine zentrierte Risse werden zunächst mit schmerzlindernden und entzündungshemmenden Medikamenten behandelt.
Prof. Lorbach: Sollte die konservative Therapie nicht den entsprechenden Erfolg bringen, ist eine operative Therapie indiziert mit dem Ziel, die abgerissenen Sehnen wieder am Oberarmkopf festzumachen. Gerade bei Patienten, welche noch hohe funktionelle Ansprüche haben oder vielleicht einen körperlichen Beruf, ist die Indikation zur Naht nicht zu spät zu stellen, da eine zu späte Versorgung die Heilungschancen der Rotatorenmanschette negativ beeinflussen kann.
Prof. Lorbach: In der Regel wird die gerissene Sehne im Rahmen einer Schlüsselloch-Technik (Arthroskopie) mit kleinen Implantaten wieder am Knochen fixiert. Das Verfahren hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. So wird gerade bei großen Rissen oder schlechter Sehnenqualität die Naht beispielsweise additiv durch ein bio-induktives Kollagenflies augmentiert, um die Sehnenheilung positiv zu beeinflussen.
Prof. Lorbach: Die Naht der Rotatorenmanschette selbst ist eine reine Schüsselloch-OP, daher ist der Patient abends schon wieder mobil. Gegen die Beschwerden unmittelbar nach der OP wird gerne eine Schmerzkatheter eingesetzt. Nach ein bis zwei Tagen reichen in der Regel schmerzlindernde, entzündungshemmende Tabletten.
Die eigentliche Nachbehandlung ist allerdings lang. 6 Wochen nach der OP wird die Schulter mit einen Abspreizkissen ruhiggestellt, welches der Patient allerdings täglich zum Essen, Waschen oder Anziehen sowie zur Physiotherapie auszieht. In dieser Zeit hat der Patient bereits regelmäßig Physiotherapie. Die nächsten 6 Wochen dienen dann zur langsamen Wiedererlangung der Schulterbeweglichkeit. Die nächsten 3-4 Wochen durchläuft der Patient eine stationäre oder ambulante Rehabilitation.
Die Sehnenheilung dauert ca. 3 Monate. Erst dann wird bei bereits guter Beweglichkeit langsam auch mit Krafttraining begonnen. Nach dieser Zeit kommt der Patient im Alltag mit leichten Belastungen bereits ganz gut zurecht. Bis schwere Überkopfbelastungen wieder schmerzfrei durchgeführt werden können, kann es durchaus 4-6 Monate dauern.
Die eigentliche Nachbehandlung ist allerdings lang...Die Sehnenheilung dauert ca. 3 Monate.
Prof. Lorbach: Im weiteren Verlauf nimmt die Größe des Risses zu. Das heißt, aus einem kleinen wird ein großer Riss mit zunehmendem Verlust der Schulterfunktion. Die gerissene Sehne zieht sich langsam nach innen zurück (retrahiert), die Sehnenlänge verkürzt sich und die Muskulatur atrophiert (schrumpft) und verfettet. Diese Umbauvorgänge passieren nicht von heute auf morgen, aber im Laufe der Zeit.
Je größer der Riss, desto schneller schreiten die Vorgänge voran. Leider sind sie nicht wieder umkehrbar, sodass die Chancen auf eine Heilung der Sehne im Rahmen einer Operation zunehmend schlechter werden. Aus einer nähbaren Sehne mit guten Heilungschancen wird eine nähbare Sehne mit mäßigen Heilungschancen und später eine nicht mehr nähbare Sehne.
Neben den oben genannten Veränderungen spielen auch noch andere Faktoren wie Patientenalter, betroffene Sehne, Begleiterkrankungen oder auch Rauchen eine Rolle in der Frage, ob die genähte Sehne auch am Knochen anheilt.
Prof. Lorbach: Man geht heute davon aus, dass der Verschleiß der Sehne im Alter die Hauptursache für die Entstehung von Rissen der Rotatorenmanschette darstellt. Ist die Sehne erst einmal geschädigt, können Bagatellbelastungen ausreichen, um einen Einriss oder Abriss der Sehne zu bewirken. Daher ist eine Prävention gegen Rotatorenmanschettenrisse schwierig.
Prof. Lorbach: Die Schlüsselloch-Chirurgie (Arthroskopie) ist mittlerweile so weit entwickelt, dass Risse der Rotatorenmanschette unabhängig von der Größe und Lokalisation in dieser Technik versorgt werden können. Diese Technik kann in selektiven Fällen mit verschiedenen additiven Verfahren kombiniert werden: beispielsweise durch Augmentation der Sehne mit einen Kollagenflies, um die Heilung zu verbessern, oder auch durch Kombination mit einem Muskeltransfer.
Es hat sich aber auch gezeigt, dass gerade bei älteren Patienten mit sehr großen Defekten und/oder additivem degenerativem Gelenkverschleiß eine Versorgung mittels inverser Schulterprothese eine gute Alternative darstellt. Dieses spezielle Implantat kann die Schulterfunktion auch bei einem nicht mehr nähbarem Sehnendefekt, oder wenn die Heilungschancen schlecht sind, über eine Veränderung der Biomechanik in der Schulter wieder herstellen.
Der Gelenkersatz ist eine offene Operation mit dem großen Vorteil, dass das Ergebnis der OP, welches in der Naht der Rotatorenmanschtte zu einem erheblichen Teil von der Sehnenheilung (Biologie) abhängt, hier vorhersehbarer ist, dass die gerissene Rotatorenmanschette bei der endoprothetischen Versorgung nicht relevant ist. Wird die Operation von einem erfahrenen spezialisierten Schulterchirurgen durchgeführt, sind die Ergebnisse in der Regel so gut, dass sie beim älteren Patienten eine gute Alternative darstellen.
Ist der Riss so groß, das der Arm nicht mehr angehoben werden kann (Pseudoparalyse) und der Oberarmkopf aus dem Gelenk dezentriert, ist die Prothese ggf. auch bei jüngeren Patienten sinnvoll und indiziert.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 08.07.2024.