Das rheumatische Fieber tritt nicht als isolierte Erkrankung auf. Es ist vielmehr eine von mehreren nacheinander auftretenden Erkrankungen. Betroffen sind Menschen jeden Alters, wobei junge Menschen im Alter zwischen 5 und 15 Jahren besonders häufig erkranken. Bevor sich ein rheumatisches Fieber entwickelt, erkrankt der Betroffene an einem Infekt. Neben Entzündungen der oberen Atemwege wie Angina oder Scharlach kommt beispielsweise auch eine Mittelohrentzündung infrage.
Der typische Krankheitsverlauf eines rheumatischen Fiebers sieht folgendermaßen aus:
In vielen Fällen kommt es jedoch zu einem untypischen Verlauf. Das ist insbesondere der Fall, wenn das rheumatische Fieber bei Erwachsenen auftritt. Bei diesen fehlt oft die Herzentzündung und die daraus entstehenden Langzeitfolgen. Stattdessen kommt es bei Erwachsenen häufiger zu einer Gelenkentzündung. Kinder mit rheumatischem Fieber bekommen hingegen in circa 80 Prozent der Fälle Entzündungen am Herzen, aus denen langfristige Schäden entstehen können.
Den unterschiedlichen Symptomen, die ein rheumatisches Fieber mit sich bringen kann, liegt ein gemeinsamer Verursacher zu Grunde. Es handelt sich dabei um eine als Streptokokken bezeichnete Gruppe von Bakterien. Die Streptokokken rufen Entzündungen wie Scharlach (eine Erkrankung mit charakteristischem Ausschlag, Rachenentzündung und Fieber), Mandelentzündung (Angina) oder Mittelohrentzündung hervor. Das Immunsystem des Körpers reagiert auf den Bakterienbefall mit der Bildung von Antikörpern. Diese Antikörper heften sich an einen Zellbaustein der Bakterienwände. Auf diese Weise markiert, werden die Bakterien vom Immunsystem des Körpers erkannt und können bekämpft werden. Sind die Bakterien in ihrer Zahl stark reduziert, klingen die Symptome wie Fieber und Halsschmerzen zunächst ab.
An die akute Infektion, die häufig mit starken Halsschmerzen und Fieber einhergeht, schließt sich zunächst eine Phase der Ruhe an. In dieser sogenannten Latenzzeit ist der Betroffene symptomfrei. In der Latenzzeit geht die Produktion der Antikörper durch das Immunsystem weiter. Die beschwerdefreie Phase dauert in der Regel zwischen einer und vier Wochen.
Wird der menschliche Körper von Krankheiten bedroht, versucht das Immunsystem ihn vor Schäden zu bewahren. Es ist in der Lage, eine Vielzahl von Erkrankungen zu verhindern oder nach ihrem Ausbruch erfolgreich zu bekämpfen. Allerdings ist auch das Immunsystem nicht unfehlbar. Bei einem Teil der an einer Streptokokken-Infektion erkrankten Patienten ist das Immunsystem für eine Entwicklung verantwortlich, die weitere Krankheiten mit teils erheblichem Gefährdungspotenzial mit sich bringen kann.
Nach dem Abklingen des Scharlachs oder der Angina fährt das Immunsystem zunächst damit fort, Antikörper zu produzieren. Die Oberfläche der Bakterien, die das eigentliche Ziel der Antikörper sind, ähneln Gewebestrukturen in verschiedenen Regionen des menschlichen Körpers. Arbeitet das Immunsystem nicht fehlerfrei, kann es dazu kommen, dass sich die Abwehrreaktion gegen gesundes körpereigenes Zellgewebe richtet. Die Antikörper lagern sich dann in Gelenken, dem Gehirn, der Haut oder sogar dem Herzen ab und verursachen teils schwerwiegende Gewebeschäden. Dieser als Autoimmunreaktion bezeichnete Prozess löst akute Beschwerden aus, die häufig zwischen sechs und zwölf Wochen andauern. Folgende Erscheinungen können in dieser Zeit häufig auftreten:
Die meisten Auswirkungen eines rheumatischen Fiebers können durch eine geeignete medikamentöse Behandlung mit Antibiotika beherrscht werden. Sie klingen meist wieder völlig ab. Jedoch kann es zu gefährlichen Langzeiterkrankungen kommen. Dies gilt insbesondere für Fälle, bei denen das Herz in Mitleidenschaft gezogen wird. Dies kommt bei ungefähr der Hälfte der Betroffenen vor. Durch die Autoimmunreaktion kann es zur irreparablen Schädigung und Vernarbung des Herzmuskels und der Herzklappen kommen. Die Herzklappen können so stark beschädigt werden, dass sie operativ behandelt werden müssen. In besonders schweren Fällen können sie ihre Funktion nicht mehr ausüben und müssen durch künstliche Herzklappen ersetzt werden. Bei einem ungünstigen Verlauf kann eine medikamentöse Behandlung über Jahre oder Jahrzehnte notwendig sein. Stellt sich ein chronisches Leiden ein, muss unter Umständen lebenslang ein Antibiotikum eingenommen werden. In circa zwei bis fünf Prozent der Fälle verläuft die Erkrankung mit den Herzveränderungen tödlich.
Die Erkrankung an rheumatischen Fieber ist in den hoch entwickelten Industrienationen vergleichsweise selten. Hier ist die medizinische Versorgung gut und es stehen ausreichend geeignete Medikamente für eine erfolgreiche Behandlung zur Verfügung. Weitaus häufiger tritt das Fieber in weniger entwickelten Ländern mit schlechter medizinischer Versorgung auf.
Eine Infektion mit Streptokokken wird in der Regel mit dem Antibiotikum Penicillin behandelt. Liegt eine Penicillin-Unverträglichkeit vor, wird ein geeignetes Alternativ-Präparat verabreicht. Das rheumatische Fieber wird zunächst über einen Zeitraum von zehn Tagen hinweg medikamentös behandelt. Ziel ist das Abtöten der Erreger. Ist das Herz betroffen, können begleitend entzündungshemmende Präparate wie Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin®) oder Cortison eingesetzt werden.
Je nach Befund muss nach dieser Erstbehandlung über einen langen Zeitraum hinweg oder sogar lebenslänglich regelmäßig Penicillin eingenommen werden. Das Medikament kann in Tablettenform oder über intramuskuläre Spritzen (Injektionen in den Muskel) verabreicht werden. Die Spritzen haben eine länger anhaltende Depotwirkung und müssen alle vier Wochen erneuert werden.
Auch nach dem Abklingen der Symptome und dem Ende der medikamentösen Therapie kann die erneute Gabe eines Antibiotikums notwendig werden. Werden beispielsweise im Verlauf einer Zahnentzündung Streptokokken aus dem Mundraum in das Herz eingespült, kann es zu einer neuerlichen Entzündungsreaktion kommen. Um derartige Komplikationen zu vermeiden, wird bei diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen vorsorglich Penicillin verabreicht.
aktualisiert am 11.12.2018