Schluckbeschwerden, Fieber und Gliederschmerzen sind häufig Begleitsymptome einer harmlosen fieberhaften Erkältung, wie sie oft beim Kind vorkommt. Die gleichen Symptome können jedoch auch durch schwerwiegendere Erkrankungen wie Scharlach oder Angina hervorgerufen werden. Diese Infektionserkrankungen des Halses, welche ebenfalls häufig Kinder betreffen, werden von Bakterien der Gattung Streptococcus verursacht. Der menschliche Körper bildet Antikörper, um der Bakterieninfektion Herr zu werden. Unter ungünstigen Umständen kann es dazu kommen, dass sich die Abwehrreaktion nicht nur gegen die Streptokokken, sondern auch gegen körpereigene Zellen richtet. Es kommt zu rheumatischem Fieber. Es können die Gelenke und die Haut betroffen sein, aber auch Gehirn und Herz sind in Gefahr. Besonders häufig erkranken Jungen und Mädchen im Alter zwischen 5 und 15 Jahren. Deutlich seltener sind Menschen in anderen Altersklassen wie Erwachsene oder auch Babys betroffen.
Beim Kampf des Körpers gegen die Infektion bildet das Immunsystem Antikörper, die an den Oberflächenstrukturen der Bakterien anhaften. Das Immunsystem erkennt die so markierten Zellen der Krankheitserreger und kann sie unschädlich machen. Die Oberfläche der Bakterien ist aber auch einer ganzen Reihe körpereigener Zellen ähnlich. Erkennen die Antikörper die Bakterien nicht fehlerfrei, kann es zu Schäden am Gewebe des eigenen Körpers kommen. Man spricht von einer Kreuz- oder Autoimmunreaktion.
Von der Autoimmunreaktion gefährdete Körperteile sind:
Bedingt durch den hohen medizinischen Standard kommt es in der „westlichen Welt“ nur sehr selten zu Erkrankungen an rheumatischen Fieber. Weiter verbreitet ist diese Erkrankung in Ländern, in denen der Lebensstandard niedriger und die medizinische Versorgung schlechter ist. Weltweit wird von etwa 500.000 Erkrankungen an rheumatischem Fieber pro Jahr ausgegangen, davon die meisten bei Kindern und Jugendlichen.
Etwa ein bis vier Wochen nach der Infektion mit Streptokokken kann es bei dem betroffenen Kind erneut zu teils stark ausgeprägten Symptomen kommen. Die möglichen Anzeichen für eine Erkrankung an rheumatischem Fieber sind sehr vielfältig und nicht immer leicht zuzuordnen. Neben starkem Fieber kann es zu Schwächezuständen und Müdigkeit kommen. Auch Bauch- und Gelenkschmerzen sind möglich. Betroffen sind die großen Gelenke der Gliedmaßen, die Hüfte und die Schultern. Die Gelenke können auch gerötet und angeschwollen sein. Ein erhöhter Puls, der mit Brustschmerzen bereits bei leichten körperlichen Belastungen einhergeht, kann ein Hinweis auf die Schädigung des Herzmuskels sein.
Wenn eines oder mehrere dieser Symptome nach einer überstandenen Streptokokken-Infektion auftreten, sollte der erneute Gang zum Arzt nicht unnötig hinausgezögert werden. Durch die rasche Gabe geeigneter Medikamente können langwierige und gefährliche Folgeerkrankungen möglicherweise noch vermieden werden. Wenn das Nervensystem in Mitleidenschaft gezogen wird, sind Symptome wie Persönlichkeitsveränderungen, Muskelschwäche und Störungen im Bewegungsablauf möglich. Beim sogenannten Chorea-Sydenham-Syndrom kommt es durch eine Schädigung des Gehirns zu unkontrollierten, ziellosen Bewegungen.
Zu den Symptomen des rheumatischen Fiebers gehören damit:
Trifft ein Kinderarzt bei einem Kind oder Baby auf die Kombination aus hohem Fieber und Gelenkschmerzen nach einer überstandenen (Hals-)Entzündung, wird er die Erkrankung an rheumatischem Fieber in Betracht ziehen. Die vielfältigen Symptome machen eine eindeutige Diagnose nicht immer einfach. Eine Entscheidungshilfe besteht in den sogenannten Jones-Kriterien. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Symptomen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit auf ein rheumatisches Fieber hindeuten.
Die Jones-Kriterien sind:
Weitere Indizien sind erhöhte Entzündungswerte im Blut, Veränderungen im EKG und Fieber. Der Nachweis von Streptokokken in den vergangenen Wochen ist ein weiterer Hinweis. Wird bei Halsschmerzen eine akute Streptokokken-Infektion vermutet, kann ein Schnelltest innerhalb von wenigen Minuten Aufschluss über das Vorhandensein der Erreger geben. Wenn der Racheninfekt bereits überstanden ist, kann mit geeigneten Tests nach einer Immunreaktion im Blut gesucht werden.
Das zentrale Element bei der Behandlung einer bakteriellen Infektion ist ein geeignetes Antibiotikum. Wird die Streptokokken-Infektion rechtzeitig medikamentös behandelt, kann das Risiko einer Erkrankung an rheumatischem Fieber signifikant verringert werden. Auch wenn es bereits zu rheumatischem Fieber gekommen ist, lässt sich der Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und Langzeitschäden möglicherweise verhindern.
Eine besondere Gefahr geht bei rheumatischen Fieber von der Schädigung des Herzens aus. Neben einer Herzmuskelschwäche droht der teilweise oder komplette Verschluss der Herzklappen, die dann operativ korrigiert oder sogar ausgetauscht werden müssen. Entzündungshemmende Mittel wie beispielsweise Ibuprofen sollen die Entzündung am Herzmuskel abklingen lassen. Darüber hinaus kann mit Cortison behandelt werden. Ist es bereits zu schweren Schäden am Herzen gekommen, kann die andauernde Gabe von einem Antibiotikum notwendig sein. Erkrankt ein Kind an rheumatischen Fieber, kann sich die Behandlung über Jahre, Jahrzehnte und in besonders schweren Fällen auch lebenslang hinziehen. Verabreicht wird das Antibiotikum in Tablettenform oder über Spritzen in wöchentlichem oder monatlichem Abstand.
aktualisiert am 29.01.2021