Die Chorea minor oder Chorea Sydenham äußert sich in unwillkürlichen, ruckartigen Bewegungen. Unter dem Sammelbegriff Chorea werden unterschiedliche Krankheiten zusammengefasst, die zu tanzartigen Bewegungen führen. Der Begriff leitet sich vom griechischen Choreia für Tanz ab. Die spezielle Form Chorea minor tritt typischerweise einige Wochen oder Monate nach einer Infektion mit Bakterien der Gattung Streptococcus auf. Streptokokken-Infektionen sind häufig im Bereich der oberen Atemwege lokalisiert und führen zu Krankheiten wie Angina oder Scharlach. Wenn der Abwehrmechanismus des Körpers gegen die Bakterien nicht richtig funktioniert, kann es zur Ausbildung einer Chorea minor kommen.
Das Immunsystem des menschlichen Körpers ist darauf spezialisiert, Krankheitserreger zu erkennen und zu vernichten. Um die angreifenden Bakterien unschädlich zu machen werden maßgeschneiderte Antikörper gebildet. Diese Antikörper heften sich an die Oberfläche der Bakterien und dienen dem Immunsystem als Marker. Der Körper erkennt die mit Antikörpern markierten Zellen als Erreger und macht diese unschädlich. Aber auch im menschlichen Körper finden sich Gewebestrukturen, die denen der Bakterien zum Verwechseln ähnlich sind. Die Antikörper interpretieren fälschlicherweise die körpereigenen Zellstrukturen als Bakterien. In der Folge richtet das Immunsystem seine Aktivität nicht nur gegen die Krankheitserreger, sondern gegen körpereigenes Gewebematerial.
Diese Kreuz- oder Autoimmunreaktion kann die verschiedensten Regionen des menschlichen Körpers betreffen. Neben den großen Gelenken kann das Herz und das Nervensystem in Mitleidenschaft gezogen werden. Erstreckt sich die Autoimmunerkrankung auf bestimmte Regionen im Gehirn, kommt es zur Ausbildung einer Chorea minor. Die Feinabstimmung der Bewegungen funktioniert nicht mehr richtig und der Betroffene ist stark in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt.
Entstehungsschritte der Chorea minor:
Die Symptome der Chorea minor treten nicht unmittelbar mit der Streptokokken-Infektion auf. Es können Wochen bis Monate zwischen der ursächlichen Erkrankung und den ersten Symptomen der Chorea minor liegen. Die Anzeichen stellen sich häufig schleichend ein und können nicht immer unmittelbar zugeordnet werden.
Besonders häufig betroffen sind Jungen und Mädchen im Alter zwischen 5 und 15 Jahren. Den Betroffenen fallen fein abgestimmte Bewegungen, wie beispielsweise das Schreiben, zunehmend schwerer. Wenn nach einem überstandenen Scharlach oder einer abgeklungenen Angina ein Kind mit zunehmenden feinmotorischen Problemen zu kämpfen hat, kann eine Chorea minor dahinterstecken. Fahrige, ruckartige Bewegungen sind das augenfälligste Anzeichen für eine Erkrankung an Chorea minor oder Sydenham.
Als Hyperkinesien werden unkoordinierte, unwillkürliche Muskelzuckungen der Extremitäten (Gliedmaßen) bezeichnet. Es können sowohl Arme und Hände als auch Füße und Beine betroffen sein. Erstrecken sich die Hyperkinesien auf den Gesichtsbereich, kommt es zu ungewolltem Grimassenschneiden. Probleme beim Schlucken und Sprechen sind ebenfalls möglich.
Eine weitere Begleiterscheinung der Chorea minor kann eine verringerte Muskelkraft oder Muskelhypotonie sein. Selbst leichte Tätigkeiten des täglichen Lebens können für die Betroffenen eine Herausforderung darstellen. In schweren Fällen ist den Patienten sogar das Gehen und Stehen nicht mehr möglich.
Eine weitere Begleiterscheinung der Chorea minor, die für den Betroffenen und auch für sein Umfeld sehr belastend sein können, sind Veränderungen der Psyche. Neben Aufmerksamkeitsdefiziten kann es zu Müdigkeit bis hin zur Apathie kommen. Aber auch Unruhe, Reizbarkeit und aggressives Verhalten sind möglich.
Die sichere Diagnose einer Chorea minor setzt zahlreiche Einzeluntersuchungen voraus. Das deutlichste Anzeichen der Erkrankung sind die Bewegungsauffälligkeiten. Aber auch die medizinische Vorgeschichte des Patienten spielt eine wichtige Rolle. Kam es in der jüngeren Vergangenheit zu einer Erkrankung der oberen Atemwege und in der Folge möglicherweise zur Ausbildung eines rheumatischen Fiebers, sind zumindest die Voraussetzungen für eine Chorea minor gegeben. Erhöhte Entzündungsparameter im Blutbild sind ebenso typisch wie eine hohe Konzentration bestimmter Antikörper. Mithilfe der bildgebenden Untersuchung der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) kann im Gehirn ein erhöhter Zuckerstoffwechsel nachgewiesen werden.
Anzeichen der Chorea minor:
Eine Erkrankung an Chorea minor kann den Betroffenen sowohl körperlich als auch psychisch enorm belasten und die Lebensqualität erheblich einschränken. Bei einer entsprechenden Therapie stehen die Chancen aber gut, dass die Erkrankung nach etwa zwei bis drei Monaten völlig ausheilt. Über 90 Prozent der Patienten sind nach einer Therapie symptomfrei.
Steht die Diagnose einer Chorea minor fest, wird dem Patienten zunächst strikte Bettruhe verordnet. Über zehn Tage hinweg wird hochdosiert mit Penicillin behandelt, um die verbliebenen Streptokokken abzutöten.
Um die Entzündungen des körpereigenen Gewebes einzudämmen, werden einerseits Salicylate wie beispielsweise ASS (Aspirin)®, aber auch Cortison eingesetzt. Besonders gefährlich und behandlungswürdig sind Entzündungen am Herzmuskel.
Bei leichten psychischen Beeinträchtigungen reicht häufig die Schaffung einer ruhigen Umgebung. Sind die psychischen Beeinträchtigungen deutlicher ausgeprägt, kann eine Behandlung mit Beruhigungsmitteln notwendig sein. In seltenen Fällen kann es zu einer Psychose kommen, die dann mit weiteren Medikamenten (Neuroleptika) behandelt wird.
aktualisiert am 22.01.2019