Rheumatisches Fieber ist eine entzündliche Erkrankung, deren Ursprung in einer Infektion mit Bakterien liegt. Das Krankheitsgeschehen kommt jedoch nicht direkt durch die Infektion zustande, sondern ist nach wenigen Wochen die Folge einer Reaktion des Immunsystems auf die Bakterien. Bei den Bakterien handelt es sich um bestimmte Streptokokken (Streptokokken der Gruppe A). Daher wird das rheumatische Fieber auch als Streptokokkenrheumatismus bezeichnet. Das rheumatische Fieber führt zu entzündlichen Veränderungen an Organen wie den Gelenken, der Haut, dem Herz oder dem Nervengewebe. Üblicherweise kam es vor der Ausbildung des rheumatischen Fiebers zu einer Erkrankung der oberen Atemwege (Nasen-Rachen-Raum). Hierbei müssen aber keine ausgeprägten Symptome bestanden haben.
Ein rheumatisches Fieber kommt am häufigsten bei Kindern zwischen 5 und 15 Jahren vor, es kann aber auch im Erwachsenenalter (vornehmlich bei Personen bis 30 Jahren) vorkommen. Ältere Menschen mit rheumatischem Fieber haben oft untypische Symptome, so dass bei ihnen die Erkrankung schwierig zu erkennen ist. Die Erkrankung kann bei beiden Geschlechtern gleichermaßen auftreten.
Länder mit hohem Lebensstandard haben eher wenige Fälle von rheumatischem Fieber. Sie werden oft schon von vornherein durch die gute Hygiene und eine gegebenenfalls rasche Therapie von Streptokokkeninfektionen mit Antibiotika verhindert. Auch entsteht auf eine Streptokokkeninfektion hin noch nicht zwangsläufig ein rheumatisches Fieber, sondern dies ist nur bei einer geringen Anzahl der Fälle die Folge (schätzungsweise zwischen 0,1 und 3 Prozent).
Bestimmte Bakterien (ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A) verursachen zunächst eine Infektion. Die zuerst entstehende Krankheit ist noch kein rheumatisches Fieber. Erst wenn eine fehlgeleitete Immunreaktion auf die Infektion hin abläuft, kommt es zum Krankheitsgeschehen des rheumatischen Fiebers. Die Entstehung des rheumatischen Fiebers ist noch nicht im Einzelnen bekannt. Es handelt sich aber um eine durch Antikörper vermittelte Reaktion, die nicht nur die Bakterien trifft, sondern auch körpereigenes Gewebe. Das gefährdete Gewebe weist Strukturen auf, die denen auf den Bakterien ähneln. Solche entzündlichen Reaktionen entwickeln sich besonders an Gelenken und an Organen wie dem Herz. Einen Einfluss auf die Entwicklung des rheumatischen Fiebers üben anscheinend das Lebensalter, die Gene und die Lebensweise aus.
Kommt es zu dieser Erkrankung, dann besteht ein plötzlich eingetretenes Fieber und eine Gelenkschwellung, vornehmlich an den größeren Gelenken der Gliedmaßen. Das rheumatische Fieber tritt ein bis drei Wochen nach einer Infektion mit den Bakterien (Streptokokken) ein. Die Infektion kann ebenfalls zu stärkeren Beschwerden geführt haben, sie kann aber auch leicht gewesen sein oder praktisch gar nicht bemerkt worden sein. Ein bis drei Wochen nach der Infektion kommt es dann zum eigentlichen rheumatischen Fieber.
Ein rheumatisches Fieber kann sich auf ganz verschiedene Weise ausprägen. Neben den Gelenken können auch innere Organe oder die Haut befallen sein.
Die Entzündung mehrerer Gelenke (Polyarthritis) ist aber die häufigste Ausprägung des rheumatischen Fiebers, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Vor allem die großen Gelenke wie insbesondere das Sprunggelenk und das Kniegelenk sind Orte, an denen die Symptome auftreten. Es kommt häufig zu starken Schmerzen. Die Schmerzen gehen oft von einem auf ein anderes Gelenk über. Typisch ist es, dass zunächst die körpernahen Gelenke betroffen sind, sich die Schmerzen aber nach außen hin ausbreiten (schließlich auch auf die Fingergelenke und Zehengelenke).
Am Herzen kann es an verschiedenen Anteilen zu einer Entzündung kommen (rheumatische Karditis). Bei betroffenen Kindern und Jugendlichen tritt eine Herzentzündung verhältnismäßig häufig auf. Eine Endokarditis (Entzündung an der inneren Schicht des Herzens) kann auch zu einer Herzklappenentzündung führen. Hier kann es zu bleibenden Herzklappenveränderungen kommen (Verengungen, Erweiterungen), die die Funktion des Herzens stören. Führt das rheumatische Fieber zu einer Entzündung an der Muskelschicht des Herzens (Myokarditis), dann sind meist Herzrhythmusstörungen die Folge. Auch kann an kleinen Stellen Herzmuskelgewebe absterben (Nekrose) oder es bilden sich Knötchen aus. Des Weiteren kann sich eine Herzbeutelentzündung (Perikarditis) entwickeln.
Als Chorea minor wird eine mögliche Erscheinung der Erkrankung bezeichnet, die sich nach Wochen bis Monaten bemerkbar machen kann. Die Chorea minor ist eine nervliche (neurologische) Störung an bestimmten Teilen des Gehirns, die die Ausprägung einer Gehirnentzündung (Enzephalitis) ist. Bei der Störung kommt es zu plötzlichen ungewollten und unkoordinierten Bewegungen (Hyperkinesien). Gleichermaßen liegt eine Abschwächung der Muskelspannung vor (Hypotonie), auch die Reflexe sind geschwächt (Hyporeflexie). Etwa 10 bis 15 Prozent der betroffenen Kinder entwickeln die Chorea minor. Die Chorea minor wird auch als Chorea Sydenham bezeichnet.
An der Haut führt rheumatisches Fieber zu Veränderungen wie dem Erythema nodosum (rötliche schmerzende knötchenartige Befunde an den Unterschenkeln) oder dem Erythema anulare (oft ringförmige Rötung am Rumpf, auch rheumatisches Erythem genannt). An Armen und Beinen können Rheumaknoten auftreten.
Weitere Folgen können Müdigkeit, eine blasse Haut, Schwitzen, Kopfschmerzen oder Bauchschmerzen sein.
Zunächst erfolgt ein Untersuchungsgespräch (Anamnese) zwischen dem Arzt und dem Betroffenen (beziehungsweise dessen Eltern). Dort kommt häufig heraus, dass es vor wenigen Wochen eine Infektion gab, beispielsweise eine Rachen- oder Mandelentzündung. Eine körperliche Untersuchung schließt sich an, bei der die Gelenke und die Haut beurteilt werden und das Herz abgehorcht wird. Auch der Zustand des Nervensystems wird geprüft (neurologische Untersuchung).
Es erfolgt eine Blutuntersuchung im Labor. Dort finden sich erhöhte Entzündungsparameter wie das CRP (C-reaktives Protein) oder die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG). Antikörper auf Streptokokken der Gruppe A beziehungsweise auf Streptolysin (eine von den Bakterien gebildete Substanz) können ebenfalls festgestellt werden. Auch ein Abstrich aus dem Rachen wird gegebenenfalls genommen, um ihn im Labor auf Krankheitserreger zu untersuchen.
Darüber hinaus wird das Herz genauer untersucht: Ein EKG (Elektrokardiogramm) zeigt Veränderungen der Herzaktionen beziehungsweise Herzerregungsleitung an. Ebenfalls erfolgt eine Untersuchung mittels Herzultraschall.
Die Diagnose gilt als bestätigt, wenn zum einen eine vorherige Infektion mit Streptokokken nachgewiesen ist und bestimmte weitere Kriterien zutreffen. Nach Jones werden die Symptome in Major-Kriterien und Minor-Kriterien eingeteilt. Hiervon müssen zur Diagnose des rheumatischen Fiebers mindestens entweder zwei Major-Kriterien oder ein Major-Kriterium mit zwei Minor-Kriterien zutreffen.
Eine ähnliche Symptomatik mit schmerzhaften Gelenken und Fieber findet sich bei verschiedenen anderen Erkrankungen ebenfalls. So muss der Mediziner nicht nur an ein rheumatisches Fieber, sondern z. B. an eine Polyarthralgie (Schmerzerkrankung der Gelenke), eine Fibromyalgie (Schmerzerkrankung an Muskeln, Knochen, Bändern), eine Multiple Sklerose (MS) oder an eine Erkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen (bestimmte Bindegewebserkrankungen) denken. Mit den Untersuchungen gelingt eine Unterscheidung dieser Ursachen der Beschwerden. Außerdem kann nach einer Streptokokken-Infektion eine Nierenentzündung (postinfektiöse Glomerulonephritis) vorkommen, die allerdings auf andere Weise entsteht (Immunablagerungen) als das rheumatische Fieber.
Die Therapie beinhaltet zum einen die Beseitigung bestehender Streptokokken-Infektionsherde, zum anderen die Verringerung der Symptome und Schäden (Hemmung der Entzündungen sowie Schmerzlinderung). Außerdem soll langfristig ein erneutes Auftreten verhindert werden.
Die ursprüngliche Infektion mit Streptokokken erfordert den Einsatz von Antibiotika. Der Standard ist hier die Gabe von Penicillin. Menschen, die eine Allergie gegen Penicillin haben, bekommen stattdessen Antibiotika aus der Gruppe der Makrolide.
Die Symptomatik beim rheumatischen Fieber wird durch die Gabe von unterschiedlichen Medikamenten behandelt. Die Entzündung durch das rheumatische Fieber wird mit entzündungshemmenden Mitteln wie ASS (Acetylsalicylsäure, Aspirin®) oder anderen Medikamenten aus der Gruppe der NSAR (nichtsteroidalen Antirheumatika) behandelt. Reichen solche Medikamente nicht aus, dann wird Cortison zur weiteren Entzündungshemmung eingesetzt. Das Cortison empfiehlt sich vor allem, wenn am Herzen eine Entzündung auftritt.
Die Symptome können durch verschiedene weitere Maßnahmen gemildert werden. Der Arzt wird Betroffenen mit rheumatischem Fieber eine Bettruhe verordnen. Die Gelenke sollten geschont werden. Eine Kältebehandlung führt zur Reduzierung der Gelenkschmerzen.
Für den Fall, dass ein Herd mit Bakterienbefall im Körper bestehen bleibt, wird dieser mit einer Operation ausgeräumt. Das gilt z. B. für eine Mandelentzündung (Tonsillitis), bei denen die Mandeln (Tonsillen) entfernt werden. Der Eingriff sollte allerdings dann erfolgen, wenn derzeit keine Symptome bestehen.
Langfristig muss das erneute Auftreten verhindert werden. Dazu werden bis zu einem Alter des Patienten von 30 Jahren im regelmäßigen Abstand Antibiotika (normalerweise Penicillin) in den Muskel gespritzt. Es handelt sich um Depotpräparate, die eine längere Zeit vorhalten und etwaige Streptokokken im Körper bekämpfen. Vor medizinischen Eingriffen ist zudem eine Vorbeugung der Herzentzündung angezeigt, wozu z. B. das Antibiotikum Amoxicillin gegeben wird.
Die Prognose der Erkrankung wird im Wesentlichen dadurch bestimmt, ob sie eine Entzündung des Herzens beinhaltet. Die Beteiligung des Herzens kann zu gefährlichen Komplikationen wie einem Herzstillstand oder zu Herzklappenveränderungen führen. Bei zwei bis fünf Prozent der Erkrankten kommt es zum Tod des Patienten. Ist das Herz nicht beteiligt, so ist die Prognose weitestgehend günstig und in aller Regel heilt die Erkrankung dann ohne weitere Folgen aus. Eine chronische rheumatische Erkrankung des Herzens ist bei etwa der Hälfte der Patienten mit rheumatischem Fieber die Folge.
Infektionen im Nasen-Rachenraum sollten ärztlich untersucht werden. So kann festgestellt werden, ob eine Behandlung mit Antibiotika erforderlich ist. Die Antibiotika können in diesen Fällen verhindern, dass ein rheumatisches Fieber entsteht. Die Antibiotika sollten bei diesen Infektionen nach Anweisung des Arztes bis zum Schluss eingenommen werden, auch wenn die Beschwerden schon zurückgegangen oder verschwunden sind.
aktualisiert am 11.05.2023