Prof. Trenkwalder: Das Restless-Legs-Syndrom ist eine sehr unangenehme neurologische Erkrankung, die mit einer Unruhe in den Beinen einhergeht. Dies äußert sich häufig durch Kribbeln, eventuell auch Schmerzen und einen starken Bewegungsdrang. Die Symptome treten vor allem nachmittags und nachts auf, können aber oft durch Bewegung gelindert werden.
Prof. Trenkwalder: Das ist schwer zu sagen, denn es gibt eine Vielzahl von Erkrankungen, die mit dem Restless-Legs-Syndrom (RLS) in Verbindung gebracht werden. Es gibt verschiedene Risikofaktoren und nicht nur eine Ursache. Eine genetische Veranlagung spielt eine Rolle, die von vielen Genen bestimmt wird - wir kennen mehr als 20 dieser Gene und ihren Zusammenhang mit erblichen Risikofaktoren. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von internistischen, Stoffwechsel- und neurologischen Erkrankungen, die damit in Zusammenhang stehen können. Sie alle hier aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen.
Prof. Trenkwalder: Auch das wissen wir nicht genau, aber wir vermuten, dass es mit dem Eisenstoffwechsel zusammenhängt. Frauen haben normalerweise weniger Eisen und einen kleineren Eisenspeicher, weil sie regelmäßig Blut verlieren, besonders während der Schwangerschaft. Dies könnte der Grund dafür sein, dass Frauen, insbesondere Frauen mit mehreren Kindern, im Laufe ihres Lebens häufiger und stärker unter dem RLS leiden.
Prof. Trenkwalder: Typische Anzeichen sind: Bewegungsdrang in den Beinen, Ziehen, Stechen oder Schmerzen in den Beinen, Erschöpfung und Müdigkeit.Es treten Schlafstörungen auf, weil es eine zeitliche Bindung der Symptome gibt. Sie beginnen typischerweise gegen 17 oder 18 Uhr am Nachmittag, ziehen sich in den Abend hinein und erreichen ihren Höhepunkt zwischen Mitternacht und 1 oder 2 Uhr morgens. Diese Zeit fällt genau in die Schlafphase, was vor allem das Ein- und Durchschlafen beeinträchtigt. Unruhe und häufiges Aufwachen verschlimmern die Situation zusätzlich. Außerdem erscheint der Schlaf im Allgemeinen nicht mehr so tief und erholsam. Diese beiden Faktoren tragen zur Gesamtsymptomatik des Syndroms bei. Wir wissen jedoch nicht genau, warum es diese zeitliche Markierung der Symptome gibt. Wir wissen nur, dass es so ist. Wahrscheinlich hat es mit Melatonin zu tun und mit dem gesamten zirkadianen Stoffwechsel. Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das den Schlaf reguliert und auch den Beginn des Schlafes beeinflusst. Warum es beim Restless-Legs-Syndrom gestört ist, ist noch unklar.
Es treten Schlafstörungen auf, die sich vor allem durch eine deutliche zeitliche Bindung der Symptome auszeichnen.
Prof. Trenkwalder: Wenn die Symptome nur leicht auftreten - was bei den meisten Menschen der Fall ist - treten sie gelegentlich auf, vielleicht für eine oder zwei Nächte und verschwinden dann wieder. Oder sie bessern sich im Urlaub, wenn der Stress nachlässt. In solchen Fällen ist normalerweise keine ärztliche Behandlung erforderlich. Eine Behandlung ist dann notwendig, wenn die Schlafstörungen schwerwiegend sind oder sie die Lebensqualität beeinträchtigen. In diesem Fall sollte ein Arzt aufgesucht werden. Die Behandlung kann zunächst darin bestehen, über die Ursachen aufzuklären und Verhaltensänderungen vorzuschlagen, wie z.B. den Verzicht auf Alkohol und Koffein am Nachmittag und die Förderung von Bewegung und sportlichen Aktivitäten. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, kann eine medikamentöse Behandlung in Betracht gezogen werden, wobei immer zuerst der Eisenstoffwechsel überprüft werden sollte.
In den letzten Jahren wurden vor allem dopaminhaltige Substanzen häufig zur medikamentösen Therapie des RLS eingesetzt. Sie gelten als schnell wirksam. Ein Nachteil ist jedoch, dass ihr Einsatz häufig zu einer raschen Dosissteigerung führt. Manchmal geschieht dies sogar eigenmächtig durch den Patienten, manchmal aber auch mit Zustimmung des Arztes. Dies führt zu einem bedauerlichen Teufelskreis mit immer stärkeren Symptomen, die schließlich eine höhere Dosierung erforderlich machen. Dieses Phänomen wird als Augmentation bezeichnet. Derzeit leiden viele Patienten in Deutschland unter dieser Augmentation, die zu noch stärkeren RLS-Symptomen führt. Wir müssen dann wieder versuchen, die Dosierung langsam zu reduzieren und alternative Medikamente vorzuschlagen. Dieser Weg ist für die Patienten oft sehr belastend.
Meine Botschaft lautet daher: Bei der Gabe von dopaminhaltigen Substanzen unbedingt vorsichtig sein und die Dosierung auf ein Minimum beschränken. Wenn das nicht möglich ist, ist es besser, auf ein anderes Präparat umzusteigen.
Prof. Trenkwalder: Die Rolle des Eisens habe ich zuvor ja schon einmal angesprochen. Vitamin B12 und Folsäure scheinen ebenfalls eine Rolle zu spielen, wenn es um einen Mangel geht. Andere Vitamine wurden nicht eindeutig mit der Entstehung oder Ausprägung des RLS in Verbindung gebracht.
Prof. Trenkwalder: Das ist durchaus möglich! Es ist jedoch häufig so, dass sich die Symptome mit zunehmendem Alter eher verschlimmern als verbessern. Bei jungen Patienten kann es durchaus vorkommen, dass sich die Symptome zurückbilden. Bekannt ist auch, dass das Restless-Legs-Syndrom häufig während der Schwangerschaft auftritt - teilweise sind bis zu 30 Prozent der Schwangeren betroffen, wobei der Schweregrad der Symptome variiert. Nach der Schwangerschaft kann sich das Syndrom auch wieder zurückbilden.
Es ist jedoch häufig so, dass sich die Symptome mit zunehmendem Alter eher verschlimmern als verbessern.
Prof. Trenkwalder: Ich halte es für ratsam, zunächst andere Maßnahmen zu ergreifen, bevor man sich für eine medikamentöse Behandlung entscheidet, insbesondere bei jüngeren Patienten. Zum Beispiel sollte man eine regelmäßige Schlafhygiene praktizieren, indem man zu festen Zeiten zu Bett geht, kurz vor dem Schlafengehen keine besonders aktiven Tätigkeiten ausübt und vielleicht am Nachmittag ein leichtes Training wie Gymnastik oder einen kurzen Spaziergang macht, um die Durchblutung der Beine zu fördern und den Kreislauf anzuregen. Auch Wechselbäder oder das Einreiben und Massieren der Waden können bei manchen Patienten hilfreich sein. Es ist sinnvoll, verschiedene Maßnahmen auszuprobieren, denn einige Patienten berichten, dass Kälte oder Radfahren auf einem Hometrainer ihre Beschwerden lindern können, indem sie die Beinmuskulatur aktivieren. Außerdem sollten schwere, zuckerreiche Mahlzeiten vermieden werden, da sie sich negativ auf den weiteren Tagesverlauf auswirken können. Der Alkoholkonsum ist vor allem am Abend ungünstig und sollte ebenfalls reduziert werden.
Prof. Trenkwalder: Wie Sie schon sagen, es ist ein Mythos. Dieser entstand möglicherweise, weil die Medikamente, die gegen das Restless-Legs-Syndrom (RLS) wirksam sind, hauptsächlich aus der Parkinson-Therapie stammen. Es gibt jedoch Studien, die zeigen, dass RLS-Symptome oft Jahre vor dem Ausbruch der Parkinson-Krankheit auftreten oder sehr intensiv sind. Dies hängt eher damit zusammen, dass Parkinson in der Frühphase häufig mit allgemeinen Schlafstörungen einhergeht. Die RLS-Symptome treten dann erst durch diese Schlafstörung auf bzw. werden den Betroffenen erst dann bewusst. Es handelt sich also nicht wirklich um eine Vorstufe der Parkinson-Krankheit. Manchmal gibt es aber Assoziationen.
Prof. Trenkwalder: Es handelt sich um zwei völlig unterschiedliche Krankheiten mit völlig unterschiedlichen Symptomen. Ein Parkinson-Patient hat nicht die Symptome, die ein Restless-Legs-Patient beschreibt. Bei der Parkinson-Krankheit kommt es in der Regel zu einer allgemeinen Verlangsamung und häufig zu einseitigen Symptomen, möglicherweise mit Zittern oder Steifheit. Diese Symptome treten beim Restless-Legs-Syndrom nicht auf, und die Parkinson-Krankheit führt auch nicht zu einer ständigen Bewegungsunruhe, die den Betroffenen zu ständigem Umherlaufen zwingt. Die Symptome überschneiden sich also nicht.
Ein Parkinson-Patient hat nicht die Symptome, die ein Restless-Legs-Patient beschreibt.
Prof. Trenkwalder: Zunächst ist es wichtig herauszufinden, wie häufig und in welchem Ausmaß das Restless-Legs-Syndrom bei einem Patienten auftritt und wie stark es ihn beeinträchtigt. Wenn die Lebensqualität oder der Schlaf nicht wesentlich beeinträchtigt sind, können allgemeine Maßnahmen wie Bewegung und Schlafhygiene ausreichen, um das RLS in den Griff zu bekommen. Treten jedoch nächtliche Ein- oder Durchschlafstörungen auf, ist der Patient tagsüber müde oder schläft sogar vor Müdigkeit ein oder ist die Unruhe besonders belastend, sollte eine medikamentöse Therapie in Erwägung gezogen werden. Idealerweise sollte eine solche Therapie nur intermittierend erfolgen, je nach Bedarf, insbesondere dann, wenn die Symptome nicht jede Nacht auftreten.
Prof. Trenkwalder: Es gibt zahlreiche Untersuchungen zur Vererbbarkeit, insbesondere neuere, groß angelegte Studien untersuchen dies gerade. Dabei wurden Patienten mit Restless Legs Syndrom mit gesunden Kontrollpersonen verglichen, um genetische Unterschiede zu identifizieren. Diese Studien haben zahlreiche individuelle genetische Unterschiede aufgezeigt. Die Forscher versuchen nun, die zugrundeliegenden Ursachen dieser genetischen Unterschiede zu verstehen. Dazu gehört die Untersuchung der Stoffwechselsysteme im Gehirn, die an der Entstehung von RLS beteiligt sind. Ziel ist es, gezielte Therapien zu entwickeln, die auf diese spezifischen Stoffwechselsymptome abzielen.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist das Testen verschiedener Substanzen, die im Labor entdeckt wurden, um herauszufinden, ob sie bei der Behandlung von RLS helfen könnten. Allerdings sind die Aktivitäten in diesem Bereich derzeit eher gering, da die Industrie hier nicht sehr aktiv ist. Es scheint auch keine spezifische Substanz in Entwicklung zu sein, die ausschließlich gegen RLS-Symptome wirkt. Möglicherweise müssen wir also warten, bis wir durch weitere genetische Erkenntnisse mehr Informationen über die Ursachen von RLS erhalten.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 23.04.2024.