Reizmagen und Reizdarm sind zwei ähnliche Krankheitsbilder, die durch wiederholte bis chronische Beschwerden im Verdauungstrakt gekennzeichnet sind. Reizmagen und Reizdarm können zu erheblichen Beschwerden wie Bauchschmerzen, Völlegefühl, Durchfall, Verstopfung oder Blähungen führen und die Lebensqualität beeinträchtigen. Sie führen in aller Regel aber nicht zu ernsten Schäden oder gefährlichen Komplikationen. Die Ursache für den Reizmagen oder den Reizdarm lässt sich im Einzelfall nicht ermitteln, da mit den Untersuchungen keine organischen Veränderungen feststellbar sind. Das typische Erkrankungsalter liegt beim Reizdarm zwischen 20 und 40 Jahren. Bei Frauen tritt der Reizdarm doppelt so oft auf wie bei Männern. Fachbegriffe sind für den Reizmagen auch funktionelle Dyspepsie und für den Reizdarm auch Colon irritabile. Häufig werden sie auch als Reizmagensyndrom beziehungsweise Reizdarmsyndrom sowie mit einem weiteren Fachausdruck als funktionelle gastrointestinale Störungen (FGIS) bezeichnet. Oft treten beide Krankheitsbilder parallel auf.
Reizdarm und Reizmagen sind Beschwerden, für die sich mit den Untersuchungen keine spezielle organische Ursache ermitteln lässt. Wahrscheinlich spielen mehrere Komponenten bei der Entwicklung dieser Erkrankungen eine Rolle. Möglicherweise ist die natürliche Bewegung des Magens oder Darms beeinträchtigt, sei es durch die Nahrung, durch die Dehnung oder auch durch psychische oder andere Einwirkungen. Dadurch braucht der Nahrungsbrei lange zur Passage und führt zu den Beschwerden. Die Reizwahrnehmung (Füllungszustand, Schmerzen) im Verdauungstrakt ist verändert und Betroffene bekommen eher unangenehme und störende Empfindungen als andere Menschen. Auch eine Entzündung der Magen- oder Darmschleimhaut ist möglicherweise der Grund für den Reizmagen oder Reizdarm. Ein unausgeglichenes Verhältnis der körpereigenen Botenstoffe im Magen und im Darm könnte eventuell zu den Ursachen gehören. Eventuell tragen Vorgänge wie ein Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre, zu schneller Transport der Nahrung in den Darm oder Medikamente (z. B. ASS) zur Störung bei.
Psychische und soziale Faktoren wie Stress, Angst und Depression scheinen weiterhin sehr häufige Gründe für den Reizdarm beziehungsweise den Reizmagen zu sein. Viele der Betroffenen führen ein belastendes Leben ohne den richtigen Ausgleich und lassen sich leicht aus der Ruhe bringen.
Die Symptome dieser Funktionsstörungen der Verdauungsorgane sind vielfältig. Bei vielen Betroffenen sind die Symptome am Tage stärker, in der Nacht kommt es oft zur Besserung. Ein Reizmagensyndrom oder Reizdarmsyndrom liegt dann vor, wenn es über mindestens drei Monate zu fortbestehenden oder wiederholten Beschwerden kommt.
Im Vordergrund stehen Symptome des Magen-Darm-Apparats wie Blähungen, Durchfall (oft mit abgehendem Schleim) oder Verstopfung. Diese wechseln sich teilweise ab. Völlegefühl und Übelkeit finden sich häufig, Erbrechen oder auch Sodbrennen können auftreten. Charakteristisch sind auch schmerzhafte Krämpfe des Magens beziehungsweise des Darms. Beim Reizdarm bessert sich dies oft nach einem Stuhlgang. Im Abdomen (Bauch) kann es zu Empfindungsstörungen kommen. Der Reizmagen kann mit vermehrtem Aufstoßen und mit Mundgeruch einhergehen. Patienten klagen oft auch über einen verminderten Appetit. Manchen fällt auch eine weiß belegte Zunge auf.
Betroffene klagen in einigen Fällen auch über andere Beschwerden ihres Körpers. So sind Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Kopfschmerz und Migräne, Herzrasen und Schweißausbruch, Schlaf- und Konzentrationsprobleme, Ängste und Nervosität, niedergeschlagene Stimmung, Gliederschmerzen oder Rückenschmerzen möglich.
Die Diagnose von Reizmagensyndrom oder Reizdarmsyndrom wird gestellt, indem andere Erkrankungen ausgeschlossen werden, die die Symptome bedingen könnten. Dazu führt der Arzt zunächst eine Anamnese durch, d. h. ein Untersuchungsgespräch mit dem Patienten. Er bringt die Symptome in Erfahrung und fragt auch nach Vorerkrankungen und der Lebensweise.
Blut wird abgenommen und untersucht. Eine Stuhlprobe wird bei Darmbeschwerden ebenfalls genommen und im Labor beurteilt, um Krankheitserreger (Bakterien, Parasiten, krankmachende Pilze) oder Blut feststellen zu können. Je nach Beschwerden kann eine Magenspiegelung (Gastroskopie) oder eine Darmspiegelung (Koloskopie) sinnvoll sein, um dortige mögliche Veränderungen sehen zu können. Mittels Röntgen können Magen und Darm ebenfalls beurteilt werden. Abhängig von der Symptomatik können weitergehende Untersuchungen erfolgen.
Für die Beschwerden können eine Fülle anderer Erkrankungen in Frage kommen. Aufgabe des Arztes ist es, sie nachzuweisen oder auszuschließen und damit gegen das Reizdarm- oder Reizmagensyndrom abzugrenzen.
Die Therapie gestaltet sich bei den einzelnen Betroffenen unterschiedlich. Nicht allen Patienten helfen alle Methoden gleich gut. Hier sollte individuell geschaut werden, was am besten gegen die Erkrankung wirksam ist.
Patienten, die an einem Reizmagen oder Reizdarm leiden, sollten ihre Ernährung und Lebensweise anpassen. Sie sollten ausprobieren, unter welcher Ernährung sie am besten die Symptome wegbekommen. Sie sollten möglichst keinen Alkohol trinken und nicht rauchen. Kaffee sollten Betroffene weglassen. Scharfe Speisen können die Reizung verstärken und hier sollte ebenfalls probiert werden, darauf häufiger zu verzichten. Dagegen sollte auf milde, leichte Nahrungsmittel in eher kleineren Mengen zurückgegriffen werden, um den Verdauungstrakt nicht zu sehr zu beanspruchen. Das Essen sollte langsam verzehrt werden und genügend gekaut werden. Auch ist es empfehlenswert, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen (Richtwert: zwei Liter am Tag). Unnötige Medikamente sollten (in Absprache mit dem Arzt) abgesetzt werden.
Allgemein sollten Patienten mit den Magen-Darm-Beschwerden auf eine weniger belastende Lebensführung achten. Stress, der die Symptomatik verstärkt, kann schon mit kleinen Maßnahmen entgegengewirkt werden wie regelmäßigen Pausen und einem gesunden und langen Schlaf. Vielen Betroffenen helfen Entspannungstechniken wie Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung (nach Jacobson). Körperliche Bewegung im gesunden Ausmaß fördert die Verdauung und ist allgemein günstig für die Gesundheit und das Wohlbefinden.
Hausmittel können vielen Menschen ebenfalls helfen. Etwaige Schmerzen lassen sich mit Wärmeanwendungen lindern. Darüber hinaus kann eine Verhaltenstherapie (kognitive Verhaltenstherapie) Erfolge gegen den Reizdarm oder Reizmagen bringen. Hypnose und andere psychologische Techniken wie die Imagination sind weitere Möglichkeiten. Außerdem sind alternativmedizinische Methoden möglich, beispielsweise kann eine Akupunktur einigen Betroffenen helfen.
Häufig werden Medikamente gegen die Syndrome eingesetzt. Hier eignen sich Mittel, die die Säurebildung im Magen hemmen (sie lindern auch Sodbrennen) oder die dem Völlegefühl entgegensteuern. Medikamente, die die Bewegung im Magen-Darm-Trakt fördern (Prokinetika), können dafür sorgen, dass der Inhalt leichter weitertransportiert wird. Das lindert häufig ebenfalls die Beschwerden. Medikamente zur Krampflösung (Spasmolytika) können rasch eine Besserung hervorbringen, wirken jedoch nicht immer zuverlässig. In manchen Fällen eignen sich bestimmte Antibiotika wie Rifaximin.
Sollten Durchfälle bestehen, gibt es auch dagegen Mittel wie Loperamid, das die übermäßige Darmtätigkeit herabsetzt. Längerfristig kann beim Reizdarm und Reizmagen eine Einnahme von probiotischen Mitteln erfolgreich sein, beispielsweise spezielle Joghurts mit Lebendkulturen.
Die Prognose ist insofern günstig, dass keine Folgeschäden oder -erkrankungen zu erwarten sind beziehungsweise keine Komplikationen auftreten. Das deckt sich damit, dass keine organische Ursache ausgemacht werden kann und es sich somit um eine sogenannte funktionelle Störung handelt. Die Beschwerden lassen sich nicht immer so einfach aus dem Weg räumen, aber den meisten Betroffenen hilft eine Anpassung der Lebensweise, Vermeidung von Stress und die Änderung der Ernährung. Unter einer Therapie mit Medikamenten bessern sich die Symptome ebenfalls bei vielen Betroffenen. Die Beschwerden können aber wiederholt auftreten, insbesondere wenn die Medikamente wieder weggelassen werden.
aktualisiert am 06.04.2023