Beim Raynaud-Syndrom (Morbus Raynaud) kommt es zu einer funktionellen Durchblutungsstörung. Als Reaktion auf Kälte ziehen sich bei dieser Krankheit die kleinen Arterien zusammen. Betroffen sind meist Finger und Zehen. Selten zeigt sich die Durchblutungsstörung im Gesicht an Ohren oder Nase.
Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. In Europa erkranken zwischen fünf und zwanzig Prozent der Menschen am Raynaud-Syndrom. Dabei werden bei Kälte oder Stress vor allem die Fingerkuppen weiß, blass oder bläulich. Deshalb wird die Erkrankung auch manchmal Weißfingerkrankheit genannt. Sie fühlen sich taub an und kribbeln. In manchen Fällen schmerzen die Finger wegen der Durchblutungsminderung. Es gibt viele Maßnahmen, die man selbst umsetzen kann, um die Symptome zu lindern. In bestimmten Fällen werden auch durchblutungsfördernde Medikamente verordnet. Eine Operation ist nur in Einzelfällen nötig.
Es wird zwischen einem primären und einem sekundären Raynaud-Syndrom unterschieden.
Beim primären Raynaud-Syndrom ist das Gewebe unverändert. Es kommt zu Spasmen der kleinen Arterien in den Fingern und Zehen, deren Ursache man nicht kennt. Auslöser der Spasmen können Kälte oder Stress sein. Die Prognose des primären Raynaud-Syndroms ist gut. Die Symptome bessern sich häufig im Laufe der Zeit. Die Lebensqualität ist kaum eingeschränkt. Eine familiäre Häufung wird öfter beobachtet. Das lässt darauf schließen, dass auch genetische Faktoren eine Rolle spielen. Hormonelle Faktoren werden ebenso diskutiert wie Veränderungen im Erregungszustand der Nerven, die die Hand- und Fingergefäße versorgen. Rauchen begünstigt Durchblutungsstörungen.
Beim sekundären Raynaud-Syndrom zeigen sich organische Veränderungen der kleinen Arterien von Finger oder Zehen (Digitalartieren). Sie treten vermehrt bei Menschen mit Kollagenosen wie dem systemischen Lupus erythematodes, der Sklerodermie oder dem Sjögren-Syndrom auf. Aber auch andere Faktoren können ein sekundäres Raynaud-Syndrom auslösen:
Die sekundäre Form tritt deutlich seltener auf als die primäre (nur bei circa 20 Prozent der Erkrankungen).
Das Raynaud-Syndrom äußert sich durch plötzlich einsetzende Verengungen der Gefäße (Gefäßspasmen). Die Symptome treten typischerweise anfallsartig auf und zeigen sich mit einem dreiphasigen Verlauf:
Diese typischen Veränderungen bezeichnet man als "Trikolore-Phänomen". Die letzte Phase (Rotfärbung der Haut) tritt nicht immer auf.
Das primäre Raynaud-Syndrom tritt meist symmetrisch an beiden Händen auf, das sekundäre Raynaud-Syndrom eher einseitig. Beim sekundären Raynaud-Syndrom können Gewebeschäden auftreten, wenn die Durchblutungsstörung länger besteht. Dann kann Gewebe auch absterben (Nekrosen).
Die Dauer der Anfälle kann variieren. Meist halten sie wenige Minuten bis eine halbe Stunde an. Viele Betroffene beschreiben, dass die Symptome eher im Herbst oder Frühling durch einen Temperaturwechsel auftreten. Im Winter, wenn die Temperaturen konstant niedrig sind, tritt die Symptomatik seltener auf.
Bei der Diagnostik geht es darum, ein sekundäres Raynaud-Syndrom nachzuweisen oder auszuschließen. Bei der sekundären Form steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund der Therapie.
Zunächst führt der Arzt ein Gespräch mit dem Patienten und stellt verschiedenen Fragen, die Aufschluss über die Ursache der Beschwerden geben. Übliche Fragen sind:
Ein Auftreten in oder nach der Pubertät mit beidseitigen Beschwerden ohne zugrundeliegende Begleiterkrankungen lässt eine meist harmlose primäre Form des Raynaud-Syndroms vermuten.
Die wichtigste Untersuchung zur Unterscheidung eines primären Raynaud-Syndroms von einem sekundären Raynaud-Syndrom ist die Nagelfalz-Mikroskopie. Ist die Mikroskopie auffällig, spricht das für ein sekundäres Raynaud-Syndrom. Dabei können die kleinen Gefäße auffällig erweitert sein.
Beim primären Raynaud-Syndrom sind die Laborwerte unauffällig. Hat der Arzt den Verdacht, dass ein sekundäres Raynaud-Syndrom vorliegt, dann liegt der Fokus auf die Diagnose der Grunderkrankung. Vor allem werden Entzündungswerte (BSG, CRP) und Antikörper bestimmt (bei Kollagenosen oder Vaskulitiden).
Weitere diagnostische Maßnahmen sind:
Die Diagnose eines Raynaud-Syndroms ist eine Ausschlussdiagnose. Kann keine andere Erkrankung für die Symptomatik verantwortlich gemacht werden und liegen die klassischen Symptome vor, wird die Diagnose gestellt.
Erkrankungen, die ähnliche Beschwerden verursachen, müssen zunächst ausgeschlossen werden. Hierzu zählen andere Formen von Durchblutungsstörungen (Arteriosklerose, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Gefäßentzündungen), eine Akrozyanose (Blaufärbung der Akren = Körperenden) oder Tumore.
Beim Raynaud-Syndrom sind folgende Maßnahmen hilfreich:
Helfen diese Maßnahmen alleine nicht zur Linderung der Symptome oder bestehen schlecht heilende Wunden, können auch Medikamente eingesetzt werden. Am häufigsten werden Mittel zur Gefäßerweiterung, Kalziumantagonisten, verordnet. 75 Prozent aller Patienten sprechen auf das Mittel Nifedipin an. Auch Nitroglyzerinsalbe zur äußeren Anwendung wirkt gefäßerweiternd und damit durchblutungsfördernd.
In schweren Fällen kann eine Sympathektomie durchgeführt werden. Es handelt sich um einen operativen Eingriff, bei dem bestimmte sympathische Nerven blockiert oder herausgeschnitten werden. So können die Symptome des Raynaud-Syndroms gelindert werden. Die Wirkung des Verfahrens hält allerdings nur ein bis zwei Jahre an. Sie wird dann angeboten, wenn die Lebensqualität zunehmend eingeschränkt ist.
Da der Auslöser der Erkrankung nicht bekannt ist, ist eine Vorbeugung nicht möglich. Der Verzicht auf das Rauchen trägt dazu bei, Gefäßerkrankungen zu verhindern. Anfälle können reduziert werden, wenn die bekannten Auslöser (Kälte, Stress) vermieden werden.
Die Prognose des primären Raynaud-Syndroms ist gut. In der Regel verläuft die Erkrankung harmlos und es treten keine Gewebeschäden auf. Die Beschwerden werden außerdem oft im Laufe der Jahre besser.
Beim sekundären Raynaud-Syndrom ist die Prognose schlechter und hängt von der Grunderkrankung und deren Verlauf ab. Es kommt häufiger zu schlecht heilenden Wunden, Gewebeschäden und Nekrosen. In seltenen Fällen kann eine Amputation von Fingerkuppen, Fingern oder Zehen notwendig werden.
Deutsche Rheuma-Liga – Weiße Finger: Das Raynaud-Syndrom: https://www.rheuma-liga.de/rheuma/krankheitsbilder/kollagenosen/raynaud-syndrom (online, letzter Abruf: 13.10.2022)
Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Die Durchblutungsstörung Raynaud-Phänomen: https://www.dga-gefaessmedizin.de/fileadmin/content/PDFs/dga-raynaud_screen.pdf (online, letzter Abruf: 13.10.2022)
Gesundheit.gv.at – Raynaud-Phänomen: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/herz-kreislauf/arterien/raynaud-syndrom.html (online, letzter Abruf: 13.10.2022)
aktualisiert am 13.10.2022