Räuspern ist ein physiologischer Reflex, der von dem Gefühl ausgelöst wird, dass im Hals etwas steckt, was da nicht hingehört. Das Räuspern erzeugt einen starken Luftstrom, mit dem versucht wird, den (vermeintlichen) Fremdkörper herauszubefördern. Sich ab und zu räuspern zu müssen ist also normal. Besteht der Drang dazu sehr oft und dauerhaft, kann es sich um einen Räusper- oder Schluckzwang handeln. Betroffene haben ein permanentes Trockenheits- oder Fremdkörpergefühl im Hals. Sie versuchen durch vermehrtes Räuspern und Schlucken die Stimmlippen von Schleim zu befreien, um die Missempfindungen zu reduzieren.
Häufig ist die Ursache für den Räusperzwang eine funktionelle Stimmstörung (eine gestörte Stimme ohne krankheitsbedingte Ursache). Organische Gründe wie chronische Entzündungen der Nasenschleimhaut, Verbiegungen der Nasenscheidewand oder ein Reflux von Magensäure (Rückfluss über die Speiseröhre) können aber ebenfalls einen Räusperzwang verursachen. Menschen mit ständigem Kontakt zu schleimhautreizenden Substanzen (z.B. Nikotin, Alkohol, Chemikalien) leiden häufig unter der Erkrankung.
Der Räusper- und Schluckzwang wird sehr oft durch funktionelle Stimmstörungen ausgelöst. Eine Stimmstörung (Dysphonie) liegt vor, wenn die Leistungsfähigkeit der Stimme eingeschränkt und ihr Klang verändert ist. Man unterscheidet organische Stimmstörungen (die durch Fehlbildungen, Lähmungen, Entzündungen oder Tumoren im Bereich der Stimmbänder oder des Kehlkopfes entstehen) von funktionellen Stimmstörungen. Eine organische Ursache ist bei den funktionellen Stimmstörungen nicht festzustellen. Meist ist eine Kombination verschiedener Faktoren für funktionelle Stimmstörungen und damit oft für den Räusperzwang verantwortlich. Hierzu zählen
Eine erhöhte Schleimproduktion ist bei Entzündungen im Hals oder häufig bei Allergien eine natürliche Funktion des Körpers, auf den Krankheitsreiz zu reagieren. Dies löst bei Betroffenen den Drang zum Räuspern aus. Dabei wird immer ein Luftstrom über die Schleimhaut geleitet. Dies belastet und reizt den Kehlkopf. Es kann sich eine Heiserkeit entwickeln, was zu erneutem Räuspern führt. So entsteht ein Teufelskreis, der unterbrochen werden muss. Denn permanentes Räuspern kann zu organischen Veränderungen an den Stimmlippen führen. Die ständige Überbelastung kann die Beweglichkeit dauerhaft einschränken, sogenannte Stimmlippenknötchen können entstehen.
Weitere Ursachen für den vermehrten Schleim sind möglich. Magensaft, der über die Speiseröhre bis zum Hals aufsteigt (Reflux), führt zur Schleimbildung im Kehlkopfbereich. Ziel ist es, die Schleimhaut vor der reizenden Magensäure zu schützen. Das Post-Nasal-Drip-Syndrom (PNDS) ist eine unangenehme, aber harmlose Erscheinung. Hier kommt es noch längere Zeit nach Erkältungskrankheiten zur Bildung von zähem Schleim, der ein Fremdkörpergefühl bei Betroffenen auslöst. Die Ursache für die Schleimbildung ist unklar. Wie viele Organe reagiert auch der Kehlkopf auf Stress. Durch psychische Faktoren wie beruflichen, privaten oder seelischen Stress kommt es zu Muskelverspannungen im Kehlkopf, die Stimmlippen können nicht mehr frei schwingen. Die Schleimdrüsen der Stimmlippen reagieren mit einer vermehrten Schleimproduktion, ein zäher Schleim entsteht im Kehlkopf. Bei allen genannten Ursachen führt die vermehrte Schleimproduktion zu dem Zwang, sich räuspern zu müssen.
Betroffene haben über Wochen ein Trockenheits- oder Fremdkörpergefühl im Hals, das sie zum ständigen Räuspern zwingt. Die Beschwerden nehmen nach längerem oder lauten Sprechen und Singen zu. Die Stimme klingt belegt und heiser. Viele Betroffene haben außerdem einen häufigen Drang, schlucken zu müssen.
Besteht seit einiger Zeit ein Fremdkörper- oder Trockenheitsgefühl im Hals, das einen Räusperzwang auslöst, sollte ein Facharzt (Hals-Nasen-Ohren-Arzt) aufgesucht werden. Dieser wird zunächst in der Patientengeschichte auf genaue Angaben über die Art der Beschwerden und gegebenenfalls eine Belastung der Stimme im Beruf oder Alltag eingehen. Eine ausführliche Krankengeschichte ist entscheidend, um bereits Hinweise für die Ursache zu bekommen. Gleichzeitig bekommt der Arzt einen Eindruck von Stimme und Sprechweise des Patienten. Anschließend wird er den Kehlkopf genauer untersuchen (indirekte oder direkte Kehlkopfspiegelung oder Laryngoskopie), um zu erkennen, ob organische Ursachen vorliegen. Zur Untersuchung der Schwingungsfähigkeit der Stimmlippen kann eine Stroboskopie folgen. Ein Stroboskop ist ein mit Lichtblitzquelle und Lupe ausgestattetes Endoskop. Bei einer Stroboskopie werden die Stimmlippen über das Stroboskop auf einem Bildschirm dargestellt. Wenn der Patient nun Laute in verschiedenen Tonlagen hält, können die vom Stroboskop ausgehenden Lichtblitze mit den Schwingungen der Stimmlippen synchronisiert werden. Dies gelingt über ein Mikrofon am Kehlkopf. Schon kleinste Veränderungen an den Stimmlippen können so erkannt werden.
Erkrankungen die mit einer erhöhten Magensäure-Produktion einhergehen und damit einen Reflux der Magensäure in die Speiseröhre und Hals auslösen, reizen den Kehlkopf. Dieser kann mit vermehrtem Räuspern reagieren. In der endoskopischen Untersuchung kann der Arzt eine weißliche oder stark gerötete Schleimhaut im Bereich des Kehlkopfs erkennen. Außerdem leiden Betroffene häufig zusätzlich unter Beschwerden im Magen-Darm-Bereich (z.B. Magenschmerzen).
Zubildungen wie Stimmlippenzysten, -polypen oder -knötchen und (selten) Tumoren können ebenfalls einen Räüsperzwang auslösen. Diese wird der Arzt ebenfalls während einer Laryngoskopie feststellen. Hat der Arzt den Verdacht auf eine ursächliche Allergie, wird er einen Allergietest durchführen oder gegebenenfalls an einen Spezialisten überweisen (Dermatologe, Allergologe).
Kann der Arzt organische Ursachen feststellen, werden diese nach Möglichkeit medikamentös behandelt oder operativ entfernt.
Ansonsten gilt es die Ursachen weitestgehend auszuschalten. Schleimhautreizende Stoffe (beispielsweise Zigarettenrauch) sowie scharfe, saure oder heiße Speisen und Getränke sollten vermieden werden. Liegen Entzündungen der Rachenschleimhaut vor, werden zunächst entzündungshemmende Medikamente verordnet. Bei funktionellen Stimmstörungen hilft eine logopädische Sprach- und Sprechtherapie. Stimmtherapeuten arbeiten mit unterschiedlichen Methoden an Wahrnehmung, Körperhaltung, Atmung, Artikulation und Stimmgebung. Ziel der Behandlung ist es, eine möglichst spannungsfreie, klangvolle und leistungsfähige Stimme zu erreichen. Leidet der Betroffene unter Stress oder sind psychische Gründe an der Entstehung des Räusperzwangs beteiligt, kann eine psychotherapeutische Behandlung ergänzend in Erwägung gezogen werden.
Um den zähen Schleim zu verflüssigen, sollte auf eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme geachtet werden (Wasser oder ungesüßter Tee). Wirkstoffe, die die Schleimhäute beruhigen, sind z.B. Salbei oder Panthenol. Diese gibt es als Rachenspülung, Lutschtabletten oder zum Inhalieren. Generell sollte die Stimme geschont werden.
Bei Magensäure-Reflux ist ebenfalls auf eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme zu achten, außerdem wird der Arzt zur Hemmung der Magensäureproduktion oder zur Bindung der vermehrten Magensäure entsprechende Medikamente verordnen.
Liegt eine organische Ursache vor, werden die Symptome nach medikamentöser Behandlung oder operativem Eingriff und anschließender Stimmschonung nach wenigen Wochen verschwinden. Eine konsequente logopädische Therapie ist entscheidend für eine erfolgreiche und dauerhafte Behandlung, wenn eine funktionelle Stimmstörung für den Räusperzwang verantwortlich ist. Die Dauer der Therapie ist individuell sehr unterschiedlich. Sie wird durch den Sprachtherapeut je nach Ursache der Erkrankung an den Betroffenen angepasst.
Um den Kreislauf aus Räuspern, Reizung und dadurch weiter vermehrtem Räuspern zu unterbrechen, sollte frühzeitig eingegriffen werden. Sobald Betroffene über eine längeren Zeitraum unter einem Trockenheits-, Kloß- oder Fremdkörpergefühl im Hals leiden und sich aufgrund dessen ständig räuspern müssen, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Internetseite des Deutschen Bundesverbands für Logopädie e.V. mit Adressen von Logopäden in der Nähe: https://www.dbl-ev.de/
aktualisiert am 22.03.2021