Bei einer Radiusfraktur (Bruch der Speiche) handelt es sich um die Art von Knochenbruch, die bei Erwachsenen am häufigsten auftritt. Die weitaus meisten Radiusfrakturen betreffen den handgelenksnahen Bereich des Knochens am Unterarm. In der Medizin ist dann von einer distalen Radiusfraktur die Rede. Gut 20 bis 25 Prozent aller Knochenbrüche bei Erwachsenen entfallen auf diese Fraktur. In der Umgangssprache ist ein Handgelenksbruch mit dieser Art der Fraktur gemeint. Diese Brüche im Bereich der Speiche können bis zu drei Zentimeter von dem Handgelenk der Betroffenen entfernt sein. Vergleichsweise selten tritt ein Speichenbruch in einem Bereich auf, der näher am Oberarm gelegen ist. Kommt es zu einer Fraktur am oberen Ende der Speiche, spricht man von einer Radiusköpfchenfraktur.
Der häufige handgelenksnahe Speichenbruch tritt nicht nur in einem fortgeschrittenen Alter vermehrt auf, sondern ist bei Frauen auch häufiger als bei Männern. Patienten, die an Osteoporose leiden, sind häufig betroffen. Doch auch bei jüngeren, aktiven Personen tritt diese Fraktur auf. In 75 Prozent der Fälle handelt es sich um eine einfache Radiusfraktur. In 25 Prozent aller Fälle sind die Gelenkflächen im Handgelenk jedoch ebenfalls von dem Bruch betroffen, was zu einem weitaus komplizierteren Heilungsverlauf führt.
Die Speiche kann in unterschiedlichen Bereichen brechen. Der Knochenbruch ereignet sich
Bei einer distalen Radiusfraktur wird zudem zwischen zwei verschiedenen Arten unterschieden. Dabei geht es um die Richtung, in welche die handgelenksnahen Knochenfragmente durch den Bruch verschoben wurden. Bei einem Versatz in die Richtung der jeweiligen Handinnenfläche ist von einer Smith-Fraktur oder einer Flexionsfraktur die Rede. Verschieben sich die Knochenfragmente hingegen in Richtung des linken oder rechten Handrückens, dann handelt es sich um eine Extensions- oder Colles-Fraktur. Die letztere der beiden Frakturen tritt häufiger auf. Dies ist vor allem auf die Art der Unfälle zurückzuführen, die eine Radiusfraktur bedingen. Neben der Colles- und der Smith-Fraktur können noch weitere seltene Arten der distalen Radiusfraktur auftreten.
Eine proximale („körpernahe“) Radiusfraktur besteht zumeist am Radiusköpfchen, einem Teil des Ellenbogens (Radiusköpfchenbruch). Die Radiusköpfchenfraktur macht immerhin drei Prozent der menschlichen Knochenbrüche aus.
Zu einer Radiusfraktur kommt es deshalb so oft, da die meisten Menschen sich bei einem Sturz reflexartig mit ihren Händen abstützen. Dabei sind die Handgelenke großen Belastungen ausgesetzt, denen sie oft nicht standhalten können. Meist kommt die Handinnenfläche als erstes auf dem Boden auf, so dass die Hand während des Unfalls gestreckt ist. Aus diesem Grund handelt es sich bei einem Großteil der Radiusfrakturen um Extensionsfrakturen (Colles-Frakturen).
Besonders bei älteren Patienten, die über eine geschwächte Knochenstruktur aufgrund degenerativer Alterungsprozesse oder Osteoporose verfügen, reicht oft ein kleiner Sturz aus, um solch eine Fraktur herbeizuführen. Ältere Menschen, die an einem unsicheren Gang oder Herz-Rhythmus-Störungen leiden, gehören zu der erklärten Risikogruppe für derartige Stürze und damit für Knochenbrüche wie die Radiusfrakturen.
Bei jungen, knochengesunden Patienten ist hingegen ein größerer Kraftaufwand erforderlich, um eine Radiusfraktur bei einem Sturz herbeizuführen. Ihre Knochen sind robuster und halten demzufolge mehr aus. Daher sind Radiusfrakturen bei jüngeren Menschen eher nach Sport- und Verkehrsunfällen sowie im Anschluss an gefährliche und wirklich schwerwiegende Stürze anzutreffen.
Eine Radiusschaftfraktur kann bei einer Abwehrhaltung entstehen (Unterarme werden bei drohender Gewalteinwirkung zum Beispiel vor das Gesicht gehalten).
Die Radiusköpfchenfraktur (Speichenbruch am Ellenbogen) passiert typischerweise, wenn eine Person auf den ausgestreckten Arm stürzt.
Wie jede andere Fraktur auch, geht eine Radiusfraktur mit starken Schmerzen einher. Diese nehmen bei der typischen distalen Radiusfraktur zu, wenn die Patienten ihren Unterarm oder die Hand nach außen drehen. Außerdem gehört ein Kraftverlust zu weiteren Symptomen. Auch eine sichtbare Fehlstellung sowie offene Wunden sind möglich. Im Bereich des Handgelenks und der Hand ist bei einer entsprechenden Fraktur mit einem Funktionsverlust oder zumindest mit einer Funktionsstörung zu rechnen. Schwellungen, blaue Flecken und Gefühlsstörungen sind ebenfalls typisch für eine Radiusfraktur.
Für die Diagnose einer Radiusfraktur werden meist die folgenden drei Ansätze miteinander kombiniert:
Bezüglich der Anamnese wird der zuständige Arzt abfragen, ob die Patienten einen Sturz erlitten haben, und sich nach dem genauen Unfallmechanismus erkundigen. Schließlich ist ein Aufprall auf die Handinnenfläche oder den Handrücken die häufigste Ursache für eine Radiusfraktur. Zudem wird der zuständige Mediziner abklären, inwiefern die Patienten bereits Vorverletzungen in diesem Bereich erlitten haben oder an Vorerkrankungen wie Osteoporose leiden. Denn dies erhöht das Risiko einer Radiusfraktur bei einem Sturz.
Bei der körperlichen Untersuchung wird der behandelnde Arzt die folgenden Faktoren genau überprüfen:
Auf einem Röntgenbild lässt sich eine Radiusfraktur gut erkennen. Sofern der Verdacht besteht, dass es darüber hinaus zu einer Verletzung der Bänder gekommen sein könnte, wird zusätzlich eine Kernspintomografie angeordnet. Mit dieser Untersuchung lässt sich eine solche Begleitverletzung diagnostizieren oder der Verdacht widerlegen oder bestätigen.
In den meisten Fällen handelt es sich bei der Radiusfraktur um ein isoliertes Phänomen. Es kann jedoch passieren, dass die Radiusfraktur entweder mit folgenden Begleitverletzungen einhergeht oder von diesen Verletzungen zu differenzieren ist:
Um die Unterscheidung (Differenzialdiagnose) zwischen diesen verschiedenen Krankheitsbildern vornehmen zu können, ist das Röntgenverfahren gut geeignet. Knochenbrüche sowie die Art der Fraktur lassen sich auf einem guten Röntgenbild klar erkennen. Um Bänderverletzungen ausschließen zu können, kann zusätzlich noch eine Kernspintomografie durchgeführt werden.
Abhängig von der Art und der Komplexität des Bruches kann eine Radiusfraktur sowohl konservativ (nichtoperativ) als auch operativ behandelt werden. Das Alter von Betroffenen, die Begleiterkrankungen sowie der Funktionsanspruch, den die Patienten zum Beispiel aufgrund ihres Jobs an ihre Hände stellen, wirken sich auf die Art der Behandlung aus.
Dabei sieht eine konservative Behandlung, die bei unkomplizierten Brüchen ohne eine Gelenkbeteiligung zum Einsatz kommt, wie folgt aus:
Jeweils nach vier, sieben und elf Tagen erfolgt die Kontrolle mittels Röntgen.
Damit eine konservative Behandlung möglich ist, darf der Bruch keinen zu großen Versatz aufweisen. Sonst würden sich die Knochen nicht so leicht wieder in die korrekte Position bringen lassen. Gerade bei komplizierten Brüchen der Speiche lässt sich eine Operation daher häufig nicht vermeiden. In folgenden Fällen wird die OP als Therapiemethode meist eingesetzt:
Standardmäßig kommt eine winkelstabile Platte zur Stabilisierung der Knochen zum Einsatz. Diese wird operativ eingesetzt. Im Anschluss an solch einen operativen Eingriff beträgt die Verweildauer im Krankenhaus circa vier bis fünf Tage. Anschließend sollte das Handgelenk für die Dauer des Heilungsprozesses ruhig gestellt werden. Wie lange dies der Fall ist, hängt vor allem davon ab, wie gut die Stabilität ist, die mittels der eingesetzten Platte erzielt werden konnte. Unmittelbar im Anschluss an die Operation erfolgt eine Röntgenkontrolle. Diese Prozedur wird im Abstand von acht Wochen wiederholt.
Zur weiteren Behandlung kann eine Physiotherapie zum Einsatz kommen. Dabei geht es vor allem um frühzeitige Bewegungsübungen, um die angrenzenden Gelenke, sprich die Schulter, Finger und Ellenbogen, zu mobilisieren. Leichte alltägliche Aktivitäten sollten ebenfalls mit den Fingern ausgeführt werden. Ein normaler Gebrauch der Greiffunktion wird selbst mit einem Gipsverband empfohlen, sofern dies den Patienten möglich ist. Dies dient dazu, möglichst die volle Funktionalität der Hand zurückzugewinnen. Bis das Handgelenk und die Hand ihre volle Funktion wiedererlangt haben, erfolgen mehrere Kontrollen durch körperliche Untersuchung sowie Röntgenkontrollen. Patientenabhängig wird die implantierte Platte bei einer operativen Behandlung nach einem individuell definierten Zeitraum entfernt. Frühestens geschieht dies jedoch nach etwa einem Jahr.
Bei einem ungünstigen Heilungsverlauf ist die Liste der möglichen Komplikationen bei einer Radiusfraktur lang. Diese lauten wie folgt:
Wie gut die Heilungschancen bei einer Radiusfraktur ausfallen, hängt nicht nur von den möglichen Begleitverletzungen ab. Ein geschlossener Knochenbruch, bei dem die Haut intakt ist, heilt besser als ein offener Knochenbruch. Dieser geht schließlich mit einer offenen Wunde einher, so dass das Risiko einer Infektion wesentlich größer ausfällt. Eine Infektion wiederum verzögert den Heilungsprozess mitunter erheblich. Außerdem heilt eine einfache Radiusfraktur meist schneller und besser als ein komplexer Bruch der Speiche, in den das Handgelenk mit einbezogen ist.
Bei jüngeren Menschen sind die Heilungschancen zumeist besser als bei älteren Patienten. In einem fortgeschrittenen Alter dauert es häufig länger, bis gebrochene Knochen korrekt zusammenwachsen. Die Therapie einer Radiusfraktur ist dabei immer darauf aus, folgende Ziele zu erreichen:
Allerdings kann es gerade bei komplizierten Frakturen sowie bei älteren Patienten zu einem teilweisen Verlust der Beweglichkeit, Kraft und Funktion kommen. Daher lassen sich keine pauschalen, sondern nur individuelle Aussagen über die Heilungschancen machen.
Eine Radiusfraktur lässt sich nur vermeiden, indem es gar nicht erst zu Stürzen auf das Handgelenk kommt. Bei besonders risikoreichen Sportarten, bei denen Stürze, die zu einer Radiusfraktur führen können, häufig auftreten, ist das Tragen der entsprechenden Schutzkleidung zu empfehlen. Sofern die Patienten an Osteoporose leiden, sind eine frühzeitige Erkennung und Behandlung dieser Grunderkrankung sinnvoll. Dies mindert das Risiko einer Radiusfraktur.
Wer an einem unsicheren Gang leidet, greift am besten auf einen Stock oder einen Rollator zurück, um das Risiko eines Sturzes und der damit möglicherweise verbundenen Radiusfraktur zu minimieren. Außerdem ist es nicht sinnvoll, sich bei einem Sturz mit dem Handgelenk abzufangen. Wer sich anstatt dessen auf beide Unterarme fallen lässt, wird eher keine Radiusfraktur erleiden, dafür aber das Risiko anderer Verletzungen eingehen.
aktualisiert am 10.08.2021