Prof. Krammer: Prä- und Probiotika sind beide Substanzen, die unsere Verdauungsgesundheit unterstützen können, aber auf unterschiedliche Weise. Probiotika sind lebende Mikroorganismen, meist ausgewählte Bakterienstämme, die eine gesundheitsfördernde Wirkung haben, wenn sie in ausreichender Menge eingenommen werden. Sehr häufig kommen in Probiotika-Produkten Stämme der Bakteriengattungen Lactobacillus, Bifidobacterium oder Bacillus vor. Präbiotika sind dagegen Fasern, also Ballaststoffe, die in bestimmten Lebensmitteln wie Bananen, Zwiebeln, Knoblauch und Vollkornprodukten vorkommen und die wir Menschen selbst nicht verdauen können. Das sind z.B. Inulin, Pektin oder resistente Stärke. Sie stehen somit unseren Darmbewohnern als Futterquelle zur Verfügung. Der Hauptunterschied zwischen Probiotika und Präbiotika liegt also darin, dass Probiotika lebende Mikroorganismen sind, während Präbiotika die Nahrung für diese Mikroorganismen bereitstellen. Beide spielen eine wichtige Rolle für eine gesunde Darmflora und Verdauung.
Prä- und Probiotika sind beide Substanzen, die unsere Verdauungsgesundheit unterstützen können, aber auf unterschiedliche Weise.
Prof. Krammer: Das liegt vor allem an ihrer positiven Wirkung auf unsere Darmmikrobiota – also unsere Darmflora. Ein gesundes Darmmikrobiom, das bei jedem Menschen sehr individuell aussieht, ist für uns enorm wichtig. Es sorgt unter anderem dafür, dass wir unsere Nahrung richtig verwerten können, sorgt über die Beeinflussung der Darmbewegungen für einen normalen Stuhlgang und trägt zur Funktionsfähigkeit unseres Immunsystems bei. Spannend ist auch, dass die Darmbakterien nicht nur Funktionen im Darm beeinflussen! Über die Darm-Hirn oder Darm-Haut-Achse können die Bakterien beispielsweise auch Einfluss auf dortige Prozesse nehmen.
Prof. Krammer: Prä- und Probiotika haben beide einen Einfluss auf unser Mikrobiom, also die Gesamtheit der Mikroorganismen, die unseren Körper besiedeln, insbesondere den Darm.
Präbiotika wirken indirekt, indem sie als Nahrung für die Bakterien im Darm dienen. Indem sie selektiv bestimmte Bakterien ernähren, fördern sie ihr Wachstum und ihre Aktivität, was wiederum zu einer positiven Veränderung des Mikrobioms führt. Eine gesunde Darmflora, die durch Präbiotika unterstützt wird, kann die Verdauung verbessern, die Nährstoffaufnahme optimieren und Entzündungen reduzieren. Deswegen ist eine ballaststoffreiche Ernährung von entscheidender Bedeutung, da sie die Präbiotika liefert, die als Nahrung für die Bakterien im Darm dienen und sie gesund hält.
Probiotika, als lebende Mikroorganismen, können dagegen direkt in das Mikrobiom eingreifen. Wichtig ist zu beachten, dass man ein wissenschaftlich gut untersuchtes Probiotikum anwendet, denn die Forschung zeigt inzwischen, dass nicht jedes probiotische Bakterium die gleiche Wirkung erzielen kann. Probiotikum ist also nicht gleich Probiotikum. Einige von ihnen konnten zeigen, dass sie im Darm über verschiedene Wege wirken können, u.a.:
Bestimmte Darmbakterien können z.B. aus Präbiotika kurzkettige Fettsäuren wie Propionat, Acetat oder Butyrat produzieren, welche wiederum von den Darmwandzellen für die Aufrechterhaltung einer intakten Darmbarriere benötigt werden und als Signalstoffe auch für das Immunsystem wichtig sind.
Prof. Krammer: Vor allem in Gemüse und Vollkornprodukten stecken jede Menge Präbiotika. Chicorée, Topinambur, aber auch Schwarzwurzeln oder Artischocken sind reich an Inulin, Hülsenfrüchte und Vollkorngetreide sind reich an beta-Glucan und Hemicellulosen. Die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt mindestens 30g Ballaststoffe am Tag – in Deutschland werden derzeit durchschnittlich aber nur circa 18g pro Tag verspeist. Es gibt also noch Luft nach oben, um unseren Darm und damit unsere Gesundheit optimal zu unterstützen. Der Einsatz von präbiotischen Präparaten kann hier manchen helfen, genügend Ballaststoffe zu sich zu nehmen.
Vor allem in Gemüse und Vollkornprodukten stecken jede Menge Präbiotika.
Prof. Krammer: Die Nahrungsmittel, die die meisten lebenden Mikroorganismen enthalten, sind in erster Linie fermentierte Lebensmittel. Dazu gehören Sauerkraut, Naturjoghurt, Kimchi, Kefir, Kombucha, naturtrüber Apfelessig und bestimmte Arten von lang gereiftem Käse wie zum Beispiel Gouda oder Cheddar. Es ist wichtig sicherzustellen, dass die Produkte wirklich lebende Kulturen enthalten, da einige industriell hergestellte Produkte möglicherweise während des Herstellungsprozesses pasteurisiert wurden, wodurch die lebenden Mikroorganismen abgetötet werden. Auch starkes Erhitzen beim Kochen kann den enthaltenen Bakterien nicht gut bekommen. Was man bei den fermentierten Lebensmitteln jedoch nicht weiß, ist die genaue Zusammensetzung und die Anzahl an Bakterien, die enthalten sind. Daher sind diese Lebensmittel zwar im Rahmen einer gesunden Ernährung absolut empfehlenswert, wenn man aber einen spezifischen Effekt damit erreichen will, sollte man eher zu probiotischen Präparaten aus der Apotheke greifen.
Prof. Krammer: Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es nicht wirklich. Generell kann man mit einer dauerhaften Ernährung, die reich an fermentierten und ballaststoffreichen Lebensmitteln ist sein Mikrobiom, auch durch die enthaltenen Präbiotika, unterstützen, vor allem präventiv.
Will man einen spezifischen gesundheitlichen Effekt erreichen, z.B. bestimmte gesundheitliche Beschwerden lindern, sollte man aber zu qualitativ hochwertigen probiotischen Präparaten greifen. Diese sollten in klinischen Studien ihre Wirksamkeit belegt haben und auch genau in dieser Dosierung angewendet werden, ganz ähnlich wie bei Arzneimitteln auch. Da nicht jedes Bakterium die passenden Eigenschaften hat, um die Beschwerden einer bestimmten Erkrankung zu lindern, ist es ratsam, sich hier bei seinem Arzt oder Apotheker vorab zu informieren, welche Formulierung für welche Beschwerden oder Gesundheitszustand geeignet ist.
Ein positives Beispiel ist aber die Kombination der beiden Bakterienstämme Bacillus coagulans MY01 und Bacillus subtilis MY02 (enthalten in Innovall® FD). Die Einnahme dieser Stämme hat in klinischen Studien gezeigt, dass sie die Reizmagen-Symptome bei den Studienteilnehmern signifikant linderten. Ein anderes Beispiel im Bereich der Vorbeugung, ist die Anwendung eines ausgewählten Probiotikums, wenn man Antibiotika einnehmen muss. Hier ist zum Beispiel der Vierer-Kombi aus L. paracasei Lpc-37, L. acidophilus NCFM, Bifidobacterium lactis Bi-07 und B. lactis Bl-04 bewährt (enthalten in Innovall® AB+), die man bereits ab der 1. Antibiotika-Dosis begleitend einnimmt. Studien dieser Kombi haben eindrücklich gezeigt, dass dieses Probiotikum das Mikrobiom stabilisieren und eine schnellere Regeneration fördert. Die Folge: Weniger unerwünschte Begleiterscheinungen bei einer Antibiose wie u.a. Durchfall, Blähungen oder Bauchschmerzen.
Will man einen spezifischen gesundheitlichen Effekt erreichen,...,sollte man aber zu qualitativ hochwertigen probiotischen Präparaten greifen.
Prof. Krammer: Bei sehr vielen Krankheiten würde ich sagen! Schließlich gibt es, wie gerade schon beschrieben, bei einigen Erkrankungen schon gut untersuchte Anwendungsbeispiele zur Beschwerdelinderung. Theoretisch könnten also in Zukunft bei allen Krankheiten, bei deren Entstehung oder Fortschreiten das Mikrobiom eine Rolle spielt, Prä- oder Probiotika eingesetzt werden. Es laufen derzeit viele präklinische und klinische Untersuchungen an unterschiedlichsten Krankheitsbildern, unter anderem bei:
Prof. Krammer: Wie schon vorhin anhand der Beispiele gezeigt, gibt es einige Anwendungsgebiete, bei denen man zeigen konnte, dass eine bestehende Erkrankung durch die Modulation der Darmflora positiv beeinflusst werden kann. Zu den Anwendungsgebieten mit einer klar nachgewiesenen Wirksamkeit von bestimmten dafür ausgewählten Probiotika gehören unter anderem:
Ein Präbiotikum, welches derzeit oft therapeutisch bei Verstopfung eingesetzt wird, sind Flohsamenschalen. Sie sind eine lösliche Ballaststoffquelle, können Wasser binden und zu einer Erhöhung des Stuhlvolumens führen. Durch diese Mechanismen können Flohsamenschalen helfen, die Darmbewegungen zu fördern und die Stuhlpassage zu erleichtern.
Prof. Krammer: Hier ist die Antwort ganz klar: Ja! Auch die aktuelle ärztliche Leitlinie zur Behandlung des Reizdarmsyndroms hat die entscheidende Rolle des Mikrobioms und der Dysbiose bei Reizdarm-Patienten erkannt und ausgewählte, studienbasierte Probiotika als Empfehlung aufgenommen. Ich denke aber, es ist wichtig, dass Patienten verstehen, dass ein Probiotikum alleine keine Wunder bewirken wird, sondern eher unterstützend dient.
Gerade beim Reizdarm hilft dem Patienten am meisten eine geschickte Kombination von verschiedenen Behandlungsoptionen aus Probiotikum, Akutmedikation, Ernährungsanpassung und Entspannungstechniken. Aber auch hier gilt: Probiotikum ist nicht gleich Probiotikum! Wie bei einem Arzneimittel-Wirkstoff, muss der richtige Bakterienstamm für die Behandlung der Beschwerden ausgewählt werden. Bewährt hat sich u.a. der spezifische Bakterienstamm Lactobacillus plantarum 299v (enthalten in Innovall® RDS), der in Kapselform eingenommen wird und in Studien gezeigt hat, dass er die typischen Reizdarmbeschwerden, wie Bauchschmerzen, Blähungen, Blähbauch, Durchfall bzw. Verstopfung signifikant lindern kann. Daher wird Lactobacillus plantarum 299v auch in der genannten deutschen Behandlungs-Leitlinie für Ärzte empfohlen und ist in jeder Apotheke erhältlich.
Ich denke aber, es ist wichtig, dass Patienten verstehen, dass ein Probiotikum alleine keine Wunder bewirken wird, sondern eher unterstützend dient.
Prof. Krammer: Die Mikrobiomforschung und damit auch die Forschung an Prä- und Probiotika ist ein sehr junges und sehr lebendiges Forschungsfeld. Neue Studien haben in den letzten Jahren ein tieferes Verständnis für die Rolle der Darmflora bei der Gesundheit des gesamten Körpers gebracht und mit diesen Erkenntnissen öffnen sich auch immer mehr neue therapeutische Optionen. Es wurde u.a. begonnen, die vielfältigen Auswirkungen von Probiotika und Präbiotika auf verschiedene Aspekte der Gesundheit zu untersuchen, von der Verdauung über das Immunsystem bis hin zu psychischen Gesundheitszuständen wie Angst und Depression.
Ich schaue voller Vorfreude in die Zukunft, denn ich bin sicher, dass es in der nahen Zukunft auf diesem Gebiert noch einige sehr spannende Aha-Erlebnisse geben wird.
Vielen Dank für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 03.05.2024.