Pollenallergie ist eine quälende Angelegenheit. Tränende Augen, Niesanfälle, eine laufende Nase und Husten können einem Pollenallergiker die schönsten Tage des Jahres verleiden. Während andere Fahrradausflüge machen, am Badesee liegen und Wanderungen unternehmen, geht es ihnen am besten zu Hause, hinter geschlossenen Fenstern. Doch nicht nur die körperlichen Beschwerden beeinträchtigen den Heuschnupfengeplagten. Fast jeder Zweite, der von einer Pollenallergie betroffen ist, leidet auch an einer Depression. Dies ist das Ergebnis einer Studie der University of Maryland aus dem Jahr 2010 (1).
Verständlich würde man meinen, dass jemand, der sich wochen- vielleicht gar monatelang krank fühlt und in seiner Lebensqualität stark eingeschränkt ist, der vielleicht nachts keinen erholsamen Schlaf mehr findet, tendenziell eher an einer Depression erkrankt als jemand, der sich gesund fühlt. Das alleine erklärt jedoch nicht den Zusammenhang von Depression und Pollenallergie, meinen amerikanische Umweltmediziner.
Das Ergebnis der Studie aus Maryland ist für viele Allergologen überhaupt keine Überraschung. Bereits vor 60 Jahren wurde ein Zusammenhang zwischen Allergien und psychischen Störungen festgestellt. Der 1995 verstorbene Allergologe Theron Randolph stellte bereits 1951 fest, dass bestimmte Allergene – in seinem Fall waren es allergieauslösende Nahrungsmittel – nicht nur körperliche Beschwerden, sondern auch eine akute psychotische Episode auslösten. Randolph, der Begründer der Gesellschaft für Klinische Ökologie, veröffentlichte bereits 1962 das erste Buch über die Zusammenhänge von Allergien und psychischen Störungen.(2)
Dr. Partam Manalai, der die Studie in Maryland durchführte, untersuchte einhundert Menschen mit einer diagnostizierten Depression. Die Hälfte davon litt unter eine Pollenallergie, die andere Hälfte nicht. Die Pollenallergiker berichteten, dass dann, wenn die Pollenbelastung besonders hoch ist, auch die Depression ihren Höhepunkt erreicht. Manalai stellt außerdem eine direkte Verbindung zwischen einer starken Pollenbelastung und einer steigenden Suizidrate her.
Umweltmediziner berichteten schon in den 1960er Jahren über einen direkten Zusammenhang von Allergen und Depression. Sie vermuteten, dass das Allergen Auslöser einer spontanen Depression ist. Nicht also die lange Leidenszeit, die eingeschränkte Lebensquälität, die der Heuschnupfen mit sich bringt, verursacht die depressive Stimmung. Vielmehr wurde festgestellt, dass die Depression sofort und unmittelbar einsetzt, sobald der Allergiker mit dem Allergen in Berührung kommt. Im Umkehrschluss fand man dann heraus, dass, wenn der Kontakt mit dem Allergen vermieden wird, auch keine Depression auftritt.
Um festzustellen, ob es sich bei der Depression tatsächlich um eine von Pollen ausgelöste Erkrankung handelt, empfiehlt sich die Selbstbeobachtung. Die Pollenflugbelastung erfährt man über Pollenwarndienste. Am besten führt man eine Weile ein Tagebuch, in dem man die Pollenbelastung und das eigene körperliche und psychische Empfinden notiert.
Wie wird nun ein Heuschnupfen, der mit einer Depression einhergeht, am besten behandelt? Wenn man davon ausgeht, dass das Allergen unmittelbar und spontan die Depression auslöst, greifen die gängigen Behandlungsmethoden einer Depression nur bedingt. Das heißt die Einnahme von Antidepressiva und eine Psychotherapie sind nicht unbedingt das erste Mittel der Wahl. Besser wäre es zunächst, das Allergen soweit wie möglich zu meiden. Denn stimmt die These der Umweltmediziner, würde das heißen: kein Allergen, keine Depression. Gerade bei Heuschnupfen ist die gänzliche Vermeidung natürlich nicht so einfach. Bevor man die Depression behandelt, sollte man jedoch alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, die Pollenallergie zu lindern. Dazu gehört, sich zu den Zeiten, da die allergieauslösenden Pollen fliegen, so wenig wie möglich im Freien aufzuhalten, Straßenkleidung zu Hause sofort zu wechseln, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Auch eine Hyposensibilisierung, die langfristig eine Unempfindlichkeit gegen die allergieauslösenden Pollen herbeiführt, sollte durchgeführt werden.
Quellen:
(1) Amanda Gardner: Allergies-might-trigger-depression: http://health.usnews.com/health-news/family-health/allergy-and-asthma/articles/2010/05/27/allergies-might-trigger-depression
(2) Theron Randolph: Human Ecology and Susceptibility to the Chemical Environment, Charles Thomas Publisher, 1962
aktualisiert am 06.04.2023