Die Entwicklung der äußeren Geschlechtsorgane beginnt bei Mädchen wie bei Jungen in der sechsten Schwangerschaftswoche. Aus den gleichen embryologischen Anlagen (Genitalhöcker, -falten und -wülste) entstehen in der achten bis dreizehnten Fetalwoche die jeweils geschlechtsspezifischen äußeren Geschlechtsorgane. Bei Jungen entwickeln sich Penis und Hoden durch den Einfluss des männlichen Hormons Testosteron.
Der männliche Penis besteht aus drei Schwellkörpern: Die paarig angelegten Corpora cavernosa befinden sich auf der Oberseite des Penis, der Corpus spongiosum an der Unterseite. In ihm verläuft die Harnröhre, die an der Spitze des Penis im Ostium urethrae mündet. Die Eichel wird beim unbeschnittenen Mann von der Vorhaut, dem Preputium bedeckt, die an der Unterseite über das Vorhautbändchen (Frenulum) befestigt ist.
Durch verschiedenste hormonelle Einflüsse und negative Auswirkungen beispielsweise durch Medikamente während der Schwangerschaft, können sich Fehlbildungen am Penis entwickeln. Einige sind schon direkt nach der Geburt zu sehen, wie zum Beispiel die Fehlmündung der Harnröhre. Andere Fehlbildungen, wie Harnröhrenklappen, machen sich erst später bemerkbar. Die meisten Fehlbildungen des männlichen Glieds können operativ korrigiert werden.
Harnröhrenklappen sind Membranen oder zusätzliche Muskelstränge, die die Harnröhre - meist knapp unterhalb der Blase - einengen. Sie kommen bei etwa einem von 7000 Neugeborenen vor und können auch Mädchen betreffen. Solche Engstellen machen sich im Säuglingsalter bemerkbar, weil die Kinder nur in einem schwachen Strahl urinieren können und häufig Harnstauungen mit extrem voller Blase und einem Rückstau ins Nierenbecken haben.
Auf dem Boden dieser Fehlbildung können sich wiederkehrende Harnwegsinfekte entwickeln und auch die Nieren werden durch den ständigen Harnstau geschädigt. Die Therapie der Harnröhrenklappen besteht in der operativen Entfernung der Hindernisse. Meist kann dies direkt durch die Harnröhre erfolgen, sodass kein Hautschnitt erforderlich ist.
Eine Engstelle im Bereich der Harnröhre kann sich auch an der Spitze des Penis entwickeln. Dies geschieht, wenn sich in der Embryonalzeit die von außen einwachsende Harnröhre nicht mit dem von innen ausgebildeten Anteil der Harnröhre vereinigt. Es verbleit dann eine Membran, die eine so genannte Meatusenge verursacht. Sie zeigt sich ebenso wie die Harnröhrenklappen in einem häufigen Harnverhalt und wiederkehrenden Infektionen. Auch sie kann durch einen operativen Eingriff korrigiert werden.
Als Harnröhrenatresie wird das vollständige Fehlen der Harnröhre bezeichnet. Embryonen, die keine Harnröhre entwickeln, sind nicht lebensfähig. Häufig geht diese schwerwiegende Fehlbildung mit weiteren Fehlanlagen einher.
Eine weitere mögliche Fehlbildung der Harnröhre ist das Auftreten von Aussackungen der Harnröhre, die als Harnröhrendivertikel bezeichnet werden. Sie entstehen meist im Bereich des Penisschafts durch einen Gewebsdefekt. Solche Aussackungen verursachen ebenso wie Harnröhrenklappen sehr häufig eine Einengung der Harnröhre, sodass es zum Harnverhalt und Infektionen kommt. Auch Divertikel können in einem operativen Eingriff über die Harnröhre korrigiert werden. Aufgrund der ähnlichen Symptomatik werden Harnröhrendivertikel auch als vordere Harnröhrenklappen bezeichnet.
Die häufigste Fehlbildung, die sowohl Penis als auch Harnröhre betrifft, ist die Fehlmündung der Harnröhre an einer anderen Stelle als der Penisspitze. Mündet die Harnröhre an der Unterseite des Glieds, spricht man von Hypospadie. Die Fehlmündung an der Oberseite wird als Epispadie bezeichnet, ist jedoch viel seltener als die Hypospadie.
Sie werden nach der Mündungsstelle der Harnröhre eingeteilt:
Am häufigsten sind glanduläre und koronare Mündungsstellen, die etwa 90 Prozent der Fehlmündungen ausmachen. Seltener kommen Harnröhrenmündungen in den anderen Bereichen vor.
Die Fehlmündungen der Harnröhre kommen bei etwa einem von 1000 Neugeborenen vor und sind bei geringgradiger Fehlbildung meist nur ein kosmetisches und kein funktionelles Problem. Allerdings tritt bei Epispadien gehäuft Inkontinenz auf, weil auch die Schließmuskeln der Blase und Harnröhre fehlerhaft angelegt sein können.
Es können zusätzlich typische Fehlbildungen auftreten. Zu ihnen zählen die Verkrümmung des Penis nach oben oder unten (je nach Lokalisation der Harnröhrenmündung) und eine unvollständig angelegte Vorhaut. Beispielsweise kann bei einer Fehlmündung der Harnröhre an der Unterseite der Eichel eine Biegung des Penis nach unten resultieren, wobei die Vorhaut nur die Oberseite der Eichel bedeckt.
Als Ursachen einer Hypo- oder Epispadie werden genetische Faktoren, ein Mangel an männlichen Geschlechtshormonen und verschiedene Umweltfaktoren während der Schwangerschaft angesehen.
Die Therapie der Hypo- und Epispadie besteht in der operativen Korrektur der Fehlbildung. Sie erfolgt je nach vorliegendem Schweregrad der Fehlbildung in verschiedenen Techniken. Ziel einer Operation ist es, den Penis zu begradigen, die Harnröhrenmündung an die Spitze der Eichel zu verlegen, ein normales Wasserlassen und eine vollständige Erektion bei äußerlich unauffälligem Penis zu ermöglichen. Da die Operation einer solchen Fehlbildung extrem aufwendig und kompliziert ist, außerdem mit einigen Komplikationen und möglichen Langzeitschäden behaftet ist, muss sie unbedingt in einem spezialisierten Zentrum von erfahrenen Ärzten durchgeführt werden. In der Regel wird eine Korrektur der Fehlbildung in den ersten Lebensjahren angestrebt.
Eine weitere, nicht direkt als Fehlbildung des Penis zu bezeichnende Erkrankung ist die Vorhautenge, die Phimose. Sie kann angeboren oder durch häufige Entzündungen erworben sein. Die Vorhaut ist bei allen männlichen Neugeborenen mit der Eichel verwachsen, sodass sie sich nicht zurück schieben lässt. Diese Verwachsung löst sich erst in den ersten drei Lebensjahren. Von einer echten Phimose spricht man, wenn die Verklebung darüber hinaus bestehen bleibt oder eine Enge durch narbige Veränderungen entsteht. Eine verengte Vorhaut kommt bei acht Prozent der 6-jährigen und etwa ein Prozent der 16-jährigen vor.
Die Therapie der Phimose besteht in der Entfernung der Vorhaut durch einen kreisförmigen Schnitt (Zirkumzision). Ein absoluter Notfall ist die so genannte Paraphimose. Dies bezeichnet eine zu enge Vorhaut, die sich nach dem Zurückziehen hinter die Eichel nicht mehr nach vorne schieben lässt. Es kommt zu einer Schwellung und bläulichen Verfärbung der Haut. Diese Einschnürung ist extrem gefährlich, weil die Blutzufuhr zur Eichel unterbrochen wird und es zum Absterben des Gewebes kommen kann. Kann die Vorhaut auch vom Arzt unter örtlicher Betäubung nicht wieder vorgeschoben werden, muss ein kurzer Hautschnitt durch die Engstelle erfolgen. Eine vollständige Zirkumzision wie bei der Phimose ist in der Regel nicht notwendig und wird, wenn die Vorhaut sich weiterhin als zu eng erweist, erst nach dem Abschwellen des Gewebes durchgeführt.
Fehlbildungen des Penis können von einem Arzt meist schon durch eine ausführliche körperliche Untersuchung erkannt werden. Zusätzlich ist es jedoch wichtig zu wissen, ob in der Familie bereits Fehlbildungen der äußeren Geschlechtsorgane bekannt sind, da insbesondere bei der Hypospadie familiäre Häufungen auftreten.
Bei besonders schweren Fehlbildungen wie beispielsweise einer perinealen Hypospadie mit Fehlanlage des Penis und der Hoden muss eine genetische Untersuchung durchgeführt werden. Nicht selten treten bei so genannten chromosomalen Anomalien und verschiedenen genetischen Syndromen solche Fehlbildungen auf.
Auch die ausführliche Bestimmung des Hormonhaushalts ist notwendig, da Störungen in der Hormonregulation im Gehirn, den Nebennieren oder Hoden bzw. Eierstöcken Fehlbildungen der äußeren und inneren Geschlechtsorgane zur Folge haben können.
Bei Verdacht auf eine Fehlbildung wird eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Könnten auch andere Bereiche des Harntrakts betroffen sein, werden spezielle Röntgenuntersuchungen mit Kontrastmittel wie das Urogramm oder die Miktionszystourethrographie (MCU) daran angeschlossen.
Auch mit bildgebenden Verfahren wie der Computer- und Magnetresonanztomographie können Fehlbildungen des Harntrakts sowie der inneren und äußeren Geschlechtsorgane dargestellt werden.
Letzte Aktualisierung am 25.02.2022.