Das menschliche Ohr dient nicht nur der Übertragung von Schallwellen als Sinneseindruck ans Gehirn, auch das Gleichgewichts- und Orientierungsgefühl wird über Anteile des Innenohrs vermittelt. Diese Vorgänge werden beeinträchtigt, wenn Funktionsstörungen im Ohr auftreten.
Eine der Ursachen für Funktionsstörungen ist eine Flüssigkeitsansammlung im Ohr. Wasser, das beim Baden, Schwimmen oder Tauchen von außen ins Ohr gelangt, sammelt sich im Gehörgang vor dem Trommelfell. Eine zweite Ursache ist eine Erkrankung oder Verletzung innerhalb des Ohrs. Es kann dadurch zu einem Paukenerguss kommen, einer Flüssigkeitsansammlung, die im Ohr selbst gebildet wird.
In beiden Fällen kann das Trommelfell nicht mehr richtig schwingen. Das führt zu unangenehmen Empfindungen: Ein Druckgefühl und eine eingeschränkte, nur noch gedämpfte Hörfähigkeit sind die Folge. Ein vergleichbares Phänomen entsteht beispielsweise bei Start- und Landevorgängen beim Fliegen, wenn sich der Druck der Luft im Mittelohr nicht an die Umgebungsluft anpasst. Auch bei Autofahrten im Gebirge tritt es auf, wenn große Höhenunterschiede überwunden werden. Wenn sich die Druckverhältnisse im Mittelohr nicht schnell genug anpassen, scheinen sich die Ohren zu verschließen. Schlucken oder Gähnen sorgen für Abhilfe. Dabei geschieht ein Druckausgleich über die Eustachische Röhre, die Verbindung des Mittelohrs zum Rachenraum.
Trotz aller Vorsicht gerät gelegentlich Wasser ins Ohr. Das kann schon bei einer Unachtsamkeit beim Duschen oder Baden passieren, aber auch im Schwimmbad. Das größte Risiko besteht beim Tauchen.
Für gewöhnlich läuft Wasser aus dem langen äußeren Gehörgang schlicht wieder ab oder verdunstet. Das Trommelfell verhindert, dass die Flüssigkeit weiter ins Ohr hinein gelangt. Weil der äußere Gehörgang aber zum Trommelfell hin eine kleine Mulde bildet, kann sich dort Restwasser sammeln. Es übt Druck auf das Trommelfell selbst aus und behindert die Schallübertragung, solange es dort verbleibt. Zuweilen entstehen „Nebengeräusche“, als Schwappen oder Knacken wahrgenommen, wenn sich die Wasseransammlung bewegt.
Gelegentlich erschweren anatomische Besonderheiten das problemlose Abfließen des eingedrungenen Wassers. Dazu zählen Knochenvorsprünge, extrem enge Gehörgänge oder Ansammlungen von Ohrenschmalz.
Das Wasser folgt der Schwerkraft. Deswegen genügt es meist, den Kopf seitwärts zu neigen und zu schütteln. Auch eine Seitenlage mit dem betroffenen Ohr nach unten ist hilfreich. In anderen Fällen nützt ein Andrücken und Loslassen des kleinen Knorpels am Eingang der Ohrmuschel: Das erzeugt einen kurzfristigen Sog, der ebenfalls hilft, Wasser aus dem Ohr „abzusaugen“.
In der Apotheke sind Ohrstöpsel erhältlich, die in der Lage sind, Flüssigkeit aus dem Gehörgang aufzunehmen. Vorsicht gilt bei der Anwendung von Ohrenreinigungssprays, Wattestäbchen oder Ohrenduschen. Wer hier zu energisch vorgeht, kann mehr Schaden als Nutzen stiften.
In hartnäckigen Fällen und bei anhaltenden Beschwerden ist der Besuch beim Hals-Nasen-Ohrenarzt die bessere Entscheidung: Meist ist eine gezielte, sanfte Spülung des Gehörgangs erfolgreich. Dabei wird auch Cerumen (Ohrenschmalz) mit gelöst und entfernt. Eine verhärtete Ansammlung davon verhindert, dass eingedrungenes Wasser von selbst abfließen kann.
Allzu lange sollten Betroffene nicht warten: Wasser im Gehörgang weicht die Haut dort auf und erzeugt eine Brutstätte für Bakterien. Eine Entzündung des äußeren Ohres (Otitis externa) droht. Die Gehörgangsentzündung ist mit Schmerzen, Schwellungen und einer weiteren Gehöreinschränkung verbunden. Häufig bilden sich sogar Eiterherde im Ohr.
Eine Vorbeugung gegen Wasser im Ohr ist kaum möglich oder sinnvoll. Wer sich viel im Wasser aufhält oder gar taucht, verwendet am besten Ohrstöpsel aus Silikon.
Wattestäbchen eignen sich allenfalls zur vorsichtigen Reinigung des äußeren Gehörgangs. Wer sie tiefer ins Ohr einführt, verdichtet vorhandenes Ohrsekret und schiebt es nach hinten. Auf diese Weise bildet sich eine Barriere, die den natürlichen Selbstreinigungsprozess des Ohrs verhindert. Unachtsam angewendete Wattestäbchen können das Trommelfell verletzen.
Flüssigkeitsansammlungen im Mittelohr haben für gewöhnlich einen Paukenerguss als Ursache. Dabei sammeln sich Flüssigkeit oder Sekret in dem Hohlraum hinter dem Trommelfell. Meist ist dies eine Reaktion auf einen akuten Infekt. Die Folge sind wiederum Druckgefühle und eine Einschränkung der Hörfähigkeit.
Die gängigsten Ursachen für diese Symptome sind Belüftungs- und Druckausgleichsstörungen des Mittelohrs. Diese gehen beispielsweise zurück auf
Weitere mögliche Auslöser für Paukenergüsse sind Tumore oder bestimmte Fehlbildungen im Rachenraum oder den Gehörgängen.
In einzelnen Fällen kann Flüssigkeit von außen eindringen. Für gewöhnlich verhindert das Trommelfell, dass Wasser von außen ins Mittelohr gelangt. Wenn das Trommelfell verletzt ist oder bereits eine Paukendrainage gelegt wurde (eine künstliche Öffnung), kann dieser Fall trotzdem eintreten.
Akute Infektionen führen oft zu starken Ohrenschmerzen, unangenehmen Ohrgeräuschen (Tinnitus) und zu Schwindel. Dabei verengt oder verschließt sich die Eustachische Röhre, die Ohrtrompete, die den Rachenraum mit dem Mittelohr verbindet. In der Paukenhöhle entsteht „Unterdruck“. Das Trommelfell schwingt nicht mehr frei und kann Schallwellen-Impulse nicht mehr weitergeben. Das Gehör funktioniert nur noch eingeschränkt.
Chronische Paukenergüsse sind schmerzfrei, drücken aber und führen zu einer stetigen Verschlechterung des Hörvermögens. Bei kleinen Kindern kann diese sogar zu einer verzögerten Sprachentwicklung führen.
Weil sich das Trommelfell verändert und im Mittelohrbereich ein Unterdruck aufbaut, kann der behandelnde Arzt einen Paukenerguss schnell erkennen: Eine Otoskopie oder Ohrspiegelung zeigt, ob sich das Trommelfell nach innen oder außen wölbt. Wässriges oder blutiges Sekret lässt sich auf diese Weise ebenfalls erkennen.
Mit einer Tympanometrie werden die Druckverhältnisse im Mittelohr ermittelt. Die Ergebnisse geben Aufschluss über
Je größer eine Flüssigkeitsansammlung ist, desto weniger kann das Trommelfell schwingen und desto stärker ist die Beeinträchtigung des Gehörs. Hörtests geben besonders bei Kindern weitere Hinweise auf das Ausmaß der Störung.
Ist ein akuter Infekt die Ursache für den Paukenerguss, genügen meist eine einfache symptomatische Behandlung und ein Auskurieren. Die Symptome sollten abklingen, sobald sich Schwellungen und Entzündungsprozesse im Nasen-Rachen- und Mittelohrbereich zurückgebildet haben. Liegen beispielsweise eine eitrige Mandel- oder Nasennebenhöhlenentzündung vor, können Antibiotika notwendig werden. Zusätzlich helfen abschwellende und schleimlösende Präparate, die unangenehmsten Symptome der Infektion einzudämmen und eine Heilung zu beschleunigen.
Weitere Hilfsmaßnahmen sind
In extremen oder hartnäckigen Fällen kann der behandelnde Arzt unter örtlicher Betäubung einen winzigen Schnitt im Trommelfell anlegen (Parazentese). Anschließend lässt sich die Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr absaugen. Der Schnitt verheilt schnell und problemlos.
Gelegentlich ist es notwendig, Tumore oder ähnliche anatomische Hindernisse sowie vergrößerte Rachenmandeln operativ zu entfernen. Die Heilungsaussichten sind gut, wenn rechtzeitig eine wirksame Behandlung vorgenommen wird.
Kinder haben ein erhöhtes Risiko, einen Paukenerguss zu erleiden. Beinahe alle Menschen sind mindestens einmal in ihrer Kindheit betroffen. Auslöser sind dabei oft chronisch vergrößerte Rachenmandeln. Diese haben eine wichtige Funktion für das in der Entwicklung begriffene Immunsystem. Wenn sie sich vergrößern, können sie den Nasen-Rachenraum und die Verbindung zum Mittelohr (Eustachische Röhre) verengen. Das blockiert die Belüftung der Paukenhöhle und löst den Paukenerguss aus.
Besonders die Kleinsten können ihre Beschwerden, beispielsweise Ohrenschmerzen oder Ohrendruck mit eingeschränktem Gehör, nicht mitteilen. In der Folge bestehen Paukenergüsse oft länger und können zu anhaltender Schwerhörigkeit führen. In der Phase, in der Kinder das Sprechen erlernen, hat dies oft gravierende Auswirkungen in Form von mangelnder Sprachentwicklung.
Auch bei kleinen Schulanfängern ist eine genaue Beobachtung des Verhaltens und der Entwicklung wichtig. So lassen sich eine eventuelle Hörbehinderung und deren Ursachen schnell entdecken und behandeln.
Wie beim Erwachsenen ist es wichtig, die Ursachen operativ zu beseitigen oder mit Medikamenten auszuheilen. Die Parazentese, der kleine Schnitt ins Trommelfell, wird bei Kindern in Vollnarkose durchgeführt. Damit sich die Belüftung des Mittelohres dauerhaft verbessern kann, wird eine Paukendrainage gelegt: Eine winzige Einlage aus Metall oder Kunststoff verhindert, dass die Öffnung im Trommelfell sich vorzeitig schließt. Diese Drainage (das Paukenröhrchen) kann später wieder unter örtlicher Betäubung entfernt werden. Meist wird sie aber ohnehin von selbst „abgestoßen“.
Kinder mit Down-Syndrom leiden häufig an Paukenergüssen, die nicht von selbst weggehen. Der Grund dafür sind stark verengte Strukturen im Bereich des Ohres. Viele Ärzte setzen in diesen Fällen Paukendrainagen ein, damit sich die Flüssigkeitsansammlungen entleeren können. Moderne Therapeuten setzen eher auf gezielte Übungen, die den Hals-Rachenraum stärken. Die Kinder lernen beispielsweise, Druckgefühl im Ohr bewusst durch Schlucken auszugleichen. Auf diese Weise lässt sich in vielen Fällen eine belastende Operation vermeiden.
Sowohl ein Paukenerguss als auch hartnäckige Flüssigkeitsansammlungen im Außenohr sollten nach Möglichkeit zeitnah einem Arzt vorgestellt werden. Eine Behandlung ist überwiegend schnell und effektiv möglich. Treten erst langwierige Entzündungen auf, können diese auf andere Strukturen übergreifen, beispielsweise auf Knochenzellen der Umgebung (Mastoiditis).
Bei einer Labyrinthitis ist das Innenohr von einer Infektion betroffen. Das Gleichgewichtsorgan und die Hörschnecke können gleichermaßen geschädigt werden. Eine hartnäckige, nicht behandelte Labyrinthtis zu einer lebensgefährlichen Hirnhautentzündung (Meningitis) führen. Das Blut überträgt die bakteriellen Erreger weiter.
Dauerhaft unerkannte Beschädigungen des Trommelfells führen selten zu einem Cholesteatom. Dabei wuchern Hautzellen und -strukturen im Mittelohr, die natürlicherweise nur im äußeren Gehörgang vorkommen. Dieses Phänomen führt zu einer chronischen Mittelohrentzündung, die sich zu einer Knocheneiterung und Knochenzerstörung entwickeln kann.
Im äußeren Gehörgang ist Wasser im Ohr überwiegend harmlos und leicht wieder zu beheben. Flüssigkeitsansammlungen im Mittelohr haben tiefergehende Ursachen. Diese sind behandlungsbedürftig. Besonders bei Kindern oder bei vorangegangenen Infekten sollte eine Therapie möglichst schnell erfolgen. Das verhindert dauerhafte Schäden und Komplikationen wie eine bleibende Schwerhörigkeit.
aktualisiert am 16.11.2023