Prof. Zwanzger: Bei der Panikstörung handelt es sich um eine oftmals schwer und vielfach sehr langwierig verlaufende Erkrankung. Im Vordergrund stehen akute, schwere Panikattacken mit ausgeprägter körperlicher Symptomatik, die von den Patienten meist nicht als solche identifiziert werden. Vielmehr haben die Patienten aufgrund der im Vordergrund stehenden Symptome Herzrasen, Schweißausbrüche, Schwindel und Übelkeit, ebenso die Sorge, einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder sonstige akute körperliche Erkrankung zu erleiden. Dies führt dazu, dass zunächst oftmals der Notarzt alarmiert wird oder sich die Patienten in einer Klinik vorstellen.
Im Vordergrund stehen akute, schwere Panikattacken mit ausgeprägter körperlicher Symptomatik, die von den Patienten meist nicht als solche identifiziert werden.
Prof. Zwanzger: Die Entstehungsbedingungen bei der Panikstörung sind, wie auch bei anderen psychischen Erkrankungen, vielfältig. In der Regel bringen die Patienten eine genetische Disposition mit, aufgrund derer eine erhöhte Empfindlichkeit für Angsterkrankungen vorliegt. Hinzu kommen – zum Teil auf Basis der genetischen Disposition – Stoffwechselveränderungen, ein Ungleichgewicht der Neurotransmitter, Überempfindlichkeit von furchtrelevanten Netzwerkstrukturen. Der dritte große Faktor ist der psychosoziale Einfluss: biografische Faktoren, akute Lebensereignisse, Persönlichkeit und psychosoziales Umfeld spielen ebenso eine Rolle und können dazu führen, dass am Ende „das Fass überläuft“.
Prof. Zwanzger: Weltweit sind die Prävalenzzahlen (Häufigkeitszahlen) ähnlich: im Schnitt ist die Wahrscheinlichkeit, einmal im Leben an einer Panikstörung zu erkranken ca. 3 – 4%. Diese Zahlen beruhen auf amerikanischen und europäischen Studien. Dabei sind Frauen ungefähr doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Prof. Zwanzger: Die meisten Patienten, die sich erstmals mit einer Paniksymptomatik beim Arzt oder Therapeuten vorstellen, sind zwischen 20 und 30 Jahre alt. In dieser Zeit treten Panikstörungen am häufigsten erstmals auf.
Prof. Zwanzger: Wenn Sie so wollen, ist die Panikattacke das kleine Element der Panikstörung. Eine Panikattacke ergibt noch keine Panikstörung, vielmehr ist es so, dass das gehäufte Auftreten von Panikattacken über einen längeren Zeitraum zu den Hauptkriterien der Panikstörung gehört.
Eine Panikattacke ergibt noch keine Panikstörung...
Prof. Zwanzger: Panikattacken sind in der Regel kurz und selbstlimitierend. Der typische Zeitraum beträgt zwischen 5 und 30 Minuten. Eine Panikattacke von einer Stunde ist eher eine Seltenheit.
Prof. Zwanzger: Panikattacken im Rahmen einer Panikstörung sind dadurch charakterisiert, dass sie eben keinen bestimmten Auslöser haben, sie kommen aus heiterem Himmel. Aber es gibt auch Panikattacken im Rahmen von phobischen Erkrankungen, Spinnen, Hunde, Agoraphobie etc. Hier hat die Panikattacke natürlich einen ganz konkreten Auslöser, eben den spezifischen Reiz.
Prof. Zwanzger: Erleidet man das erste Mal eine Panikattacke, ist es meist ein großer Schreck und man hat wenig Ressourcen, auf die man zurückgreifen kann. Im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie – dem psychotherapeutischen Verfahren der 1. Wahl – lernen die Patienten, dass keine körperliche Erkrankung vorliegt, dass die Symptomatik wieder abebbt und dass ihr Leib und Leben nicht bedroht ist. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von kognitiven Methoden, Atemtechniken usw., die erlernt und in einer solchen Situation ganz gezielt angewendet werden können.
Prof. Zwanzger: Liegt eine Panikstörung entsprechend den Diagnosekriterien von ICD10 vor, richtet sich die Therapie in Deutschland nach den sogenannten S3-Leitlinien für Angsterkrankungen. Hier sind die wirksamen und geprüften Therapieverfahren zusammengefasst und aufgelistet. Zu den wesentlichen Säulen einer Angsttherapie gehören dabei – wie oben beschrieben – die kognitive Verhaltenstherapie als psychotherapeutisches Verfahren sowie die Pharmakotherapie.
Die kognitive Verhaltenstherapie ist dabei das weltweit bei Panik am besten untersuchteste Verfahren und zeigt die höchsten Wirksamkeitsraten. Unter den Medikamenten gehören moderne Antidepressiva, insbesondere selektive Serotonin Wiederaufnahmehemmer zu den Medikamenten der Wahl. Allerdings ist die Verordnung eines SSRI, wie man die Medikamente in Kurzform nennt, nicht so einfach.
Wirkung, Nebenwirkungen, Dosis, Laborbefunde, Plasmaspiegel und klinische Symptomatik interagieren eng miteinander, weswegen die Pharmakotherapie durch einen psychopharmakologisch erfahrenen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie am ehesten zum Erfolg führt. Allerdings haben heutzutage aber auch viele Hausärzte bereits umfassende Erfahrung und sind entsprechend weitergebildet.
Zu den wesentlichen Säulen einer Angsttherapie gehören...die kognitive Verhaltenstherapie als psychotherapeutisches Verfahren sowie die Pharmakotherapie.
Prof. Zwanzger: Die Botschaft ist ganz klar: mit der richtigen Therapie sind die Heilungschancen im Gegensatz zu vielen körperlichen Erkrankungen extrem hoch. Allerdings kann es sein, dass die Therapie sich dann etwas langwieriger gestaltet, wenn sogenannte komorbide Erkrankungen, also zusätzliche Begleiterkrankungen vorliegen, wie z. B. eine Depression, Alkoholabhängigkeit oder andere Suchterkrankungen oder eine Persönlichkeitsstörung.
Prof. Zwanzger: Typische Risikofaktoren für das Entstehen einer Panikstörung sind u. a. beruflicher und privater Stress, länger andauernde Schlafstörungen, übermäßiger Kaffeekonsum, Alkoholmissbrauch, aber auch sonst ein ungesunder Lebenswandel wie ständiger Wechsel des Tag-Nacht-Rhytmus etc. Zu den mittlerweile besonders häufigen und wichtigen Risikofaktoren gehört aber der Drogenkonsum. Hier sehen wir, dass insbesondere Cannabis eine immense Rolle spielt.
Dabei ist bekannt, dass insbesondere regelmäßiger und hochdosierter Konsum von Cannabis zu wiederkehrenden schweren Angstzuständen führen kann, die typischerweise die Symptomatik einer Panikstörung aufweisen und in der Regel einen hartnäckigen Verlauf aufweisen. Daneben spielen aber auch Psychosen eine große Rolle. Als jemand, der sich seit über 30 Jahren mit der Entstehung und Behandlung von Angsterkrankungen befasst, ist mir die unkritische Haltung von Politik und Gesellschaft diesbezüglich wirklich ein Rätsel.
Prof. Zwanzger: Für die Behandlung der Panikstörung stehen gemäß S3-Leitlinien sehr gut etablierte, hochwirksame, nachhaltige und gut verträgliche Therapiestrategien zur Verfügung. Insofern sind die Therapieoptionen in der Gesamtschau als ausgesprochen positiv zu beurteilen, was allen Patientinnen und Patienten Hoffnung und Zuversicht geben sollte.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 15.02.2024.