Frauen können, wie auch Männer, an einer Orgasmusstörung leiden. Trotz sexueller Stimulierung bleibt der Orgasmus aus oder tritt nur selten und unter Schwierigkeiten ein. Orgasmusstörungen gehören zu den Sexualstörungen. Wenn die Frau gar keinen Orgasmus erreichen kann, so wird es in der Fachsprache als Anorgasmie bezeichnet. Ist ein Orgasmus an sich möglich, aber die Orgasmusfähigkeit stark herabgesetzt, dann handelt es sich um eine Hyporgasmie. Da diese Störungen häufig durch negative psychische Einflüsse begründet sind, eignet sich meist eine Art der Psychotherapie wie z. B. eine Paartherapie zur Behandlung. Manchmal sind aber auch körperliche Krankheiten der Grund für die Orgasmusstörung, so dass diese dann behandelt werden müssen.
Prinzipiell können alle Männer und Frauen einen Orgasmus bekommen. Gerade bei Frauen ist dies aufgrund ganz unterschiedlicher Gründe nicht selten erschwert. Eine große Rolle beim Erreichen eines Orgasmus spielt eine intakte psychologische Verfassung und eine gute Partnerschaft. Deshalb sind häufig seelische und soziale Beeinträchtigungen die Ursache der Orgasmusstörung. In manchen Fällen kann eine organische Erkrankung die Ursache einer Orgasmusstörung darstellen. Das ist aber um einiges seltener als eine Störung aus psychischem Grund.
Mögliche Ursachen sind Partnerschaftskonflikte, fehlende Liebe und fehlende emotionale Wärme. In manchen Fällen empfindet die Frau ihren Partner als unattraktiv. Unter Umständen sind auch individuelle sexuelle Neigungen nicht richtig erfüllt und die Erregung ist zu gering, um einen Orgasmus zu bekommen. Doch auch ganz allgemeine seelische Belastungen bis hin zu Stress und inneren Konflikten können die Störung hervorrufen.
Einige Betroffene mit Orgasmusstörung sind unvorteilhaft erzogen worden, so dass sie sich heute vor sexueller Befriedigung scheuen und gehemmt sind. Dies kann bei einer prüden Erziehung mit strikten Tabus entstanden sein. Die Betroffene kann ein schlechtes Gewissen oder Ängste haben. Die Ängste können sich auch durch negative Erfahrungen mit vorherigen sexuellen Kontakten entwickelt haben. In manchen Fällen wurde die Frau missbraucht und leidet deshalb an Ängsten und sexuellen Funktionsstörungen. Manche Frauen fühlen sich auch einem gewissen sexuellen Leistungsdruck ausgesetzt und verkrampfen gerade deshalb.
Häufig ist es auch einfach so, dass der Sex zu kurz dauert, um der Frau einen Orgasmus zu liefern. Männer „kommen" nicht selten viel schneller als Frauen, so dass das Liebesspiel schon vorbei ist, bevor die Frau ihren Höhepunkt erreicht. Dies kann außerdem beim Coitus interruptus (unterbrochenen Geschlechtsverkehr, z. B. als unsichere Verhütungsmethode) der Fall sein.
Körperliche Erkrankungen, die eine Orgasmusstörung hervorrufen können, sind unter anderem Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Schilddrüsenstörungen und andere hormonelle Abweichungen, Erkrankungen des Nervensystems sowie Verletzungen oder vorangegangene Operationen im gynäkologischen Bereich. Manchmal ist eine ernste psychische Störung der Grund für die Anorgasmie, wie z. B. eine Depression. Des Weiteren können einige Medikamente sowie Alkohol und Drogen die Störung auslösen.
Bei Frauen sind Störungen der Orgasmusfähigkeit häufiger als bei Männern. Die sexuelle Stimulation führt nicht zum Orgasmus (Anorgasmie) oder erst nach langer Zeit oder nur selten zu dem Höhepunkt (Hyporgasmie). Eine Anorgasmie kann primär oder sekundär sein. Primäre Anorgasmie heißt, dass die Frau noch nie einen Orgasmus bekommen hat. Bei einer sekundären Anorgasmie wurden früher bereits Orgasmen erzielt, aber seit einiger Zeit nicht mehr.
Erst wenn die Frau auch einen Leidensdruck verspürt, kann von einer Orgasmusstörung gesprochen werden. Das Empfinden ist dafür von Frau zu Frau unterschiedlich. Recht viele Menschen haben keinen Orgasmus, vermissen diesen aber auch nicht und stören sich nicht daran. Andere fühlen sich von der fehlenden Orgasmusfähigkeit dagegen stark beeinträchtigt.
Die Orgasmusprobleme können manchmal nur einen Teilbereich des Sexuallebens betreffen (situative Orgasmusstörung). Sie können z. B. bei einem bestimmten Geschlechtspartner auftreten, bei anderen hingegen nicht. Einige Frauen erreichen einen Orgasmus nur durch Selbstbefriedigung. Andere erreichen ihn bei Stimulierung durch den Mund des Partners, aber nicht bei herkömmlichem Sex durch den Penis. Ob diese Abweichungen als wirkliche Orgasmusstörungen anzusehen sind, ist strittig.
Die Betroffene kann aufgrund einer Orgasmusstörung Minderwertigkeitsgefühle bekommen, was in einem regelrechten Teufelskreis münden kann und die Sexualfunktion noch weiter beeinträchtigt. Eine Orgasmusstörung kann sich auch ungünstig auf die Partnerschaft auswirken. Vor allem bei mangelndem gegenseitigen Verständnis und schlechter Kommunikation kann die Partnerschaft auseinanderbrechen.
Im Vordergrund der Diagnostik steht erst einmal das Gespräch des Arztes oder Therapeuten mit der Patientin. Der Untersucher erkundigt sich nach den Symptomen und nach möglichen Ursachen. Deshalb kommen gesundheitliche, psychische, soziale und individuelle Aspekte zur Sprache. Vor allem muss der Arzt fragen, ob noch nie ein Orgasmus bestand oder ob die Probleme erst seit einer bestimmten Zeit bestehen. Ebenfalls ist es wichtig zu wissen, ob der Orgasmus nur in bestimmten Situationen nicht erreicht werden kann oder ob die Störung grundsätzlich vorhanden ist.
Damit mögliche Erkrankungen erkannt werden können, die die Orgasmusstörung verursacht haben könnten, erfolgt ebenfalls eine medizinische Untersuchung. So wird eine körperliche und gynäkologische Beurteilung vorgenommen, Blut abgenommen, und je nach dem Befund können weitere Untersuchungen angebracht sein.
Die Abgrenzung zu anderen sexuellen Funktionsstörungen (Libidostörungen, Erregungsstörungen) kann uneindeutig sein. Organische (krankhafte) Ursachen für die fehlenden Orgasmen müssen vom Arzt ausgeschlossen oder festgestellt werden.
Wenn eine definitive Ursache der Orgasmusstörung bekannt ist, dann wird speziell diese behandelt. Unter anderem ist die Gabe von Medikamenten eine von vielen Möglichkeiten, die zugrunde liegende Erkrankung zu behandeln.
In allen anderen Fällen kann eine Behandlung mit psychologischer oder psychiatrischer Basis sinnvoll sein. Unterschiedliche Möglichkeiten der Psychotherapie bieten sich an, dazu gehören z. B. Gesprächstherapie, Paartherapie, Sexualtherapie. Häufig ist schon ein eingehendes, ehrliches Gespräch eine erfolgreiche Maßnahme. Falsche Vorstellungen können ausgeräumt werden. Der Partner sollte möglichst mit einbezogen werden. Die Kommunikation zwischen den Partnern sollte gefördert werden, so dass sie Bescheid wissen, was dem Gegenüber gut tut und was nicht. Die Patientin soll auch erfahren, dass Geschlechtsverkehr nichts Unmoralisches oder Abstoßendes ist, sondern eine schöne Angelegenheit sein kann. Sie wird darüber aufgeklärt, dass mit der Erfahrung auch oft der Orgasmus leichter kommt. Die Betroffene kann erlernen, auf welche Weise sie am besten zum Höhepunkt kommt. Die Frau kann auch langsam an die Orgasmusfähigkeit herangeführt werden. So kann es hilfreich sein, den Orgasmus erst einmal mittels Selbstbefriedigung in einem entspannten Rahmen erlangen zu versuchen. Unter Umständen können auch Entspannungsverfahren helfen.
Mit der richtigen Therapie, der richtigen Einstellung gegenüber der Sexualität und guter Kommunikation mit dem Partner kann häufig wieder erreicht werden, dass die Patientin wieder Orgasmen bekommt. Dies lässt sich im Einzelfall aber nicht vorhersagen und nicht erzwingen. Die Frau muss wissen, dass es nicht unbedingt am (fehlenden) Orgasmus liegt, wie erfüllend die Sexualität empfunden wird.
aktualisiert am 16.12.2020