Eine Antibiotika-Prophylaxe (oder genauer: perioperative Antibiotika-Prophylaxe) ist die kurz dauernde, meistens einmalige Gabe von Antibiotika vor und in Ausnahmefällen während einer Operation zum Schutz vor ansteckenden Keimen. Antibiotika sind Medikamente, die gegen Bakterien wirksam sind. Die Antibiotika-Prophylaxe ist bei chirurgischen Maßnahmen angezeigt, die ein hohes Infektionsrisiko aufweisen.
Ziel der Antibiotika-Prophylaxe ist es, Infektionen als Komplikation zu verhindern beziehungsweise zu reduzieren. Vor allem sollen oberflächliche und tiefe Wundinfektionen nach der OP verhindert werden. Aber auch gegen andere infektiöse Komplikationen wird eine Vorbeugung angestrebt, beispielsweise vor einer Lungenentzündung (Pneumonie), einer Streuung von Erregern im Blut (Sepsis, Blutvergiftung) und Harnwegsinfekten. Das ausgewählte Antibiotikum wird bereits vor Beginn der Behandlung oder vor der Operation verabreicht.
Das Hauptziel der Antibiotikaprophylaxe ist die Verringerung der Zahl der Wundinfektionen, die nach einer Operation auftreten können.
Die Antibiotikaprophylaxe ersetzt nicht die Hygienemaßnahmen zur Vermeidung von Infektionen nach der Operation. Hygienemaßnahmen müssen weiterhin eingehalten werden.
Die Antibiotika-Prophylaxe richtet sich einerseits gegen die körpereigenen Erreger der jeweiligen Körperregion, wo die Operation durchgeführt wird (z. B. Mundhöhle, Darm etc.). Ebenso richtet sie sich gegen potenziell gefährliche Keime bei Patienten mit Abwehrschwäche. Andererseits ist die Antibiotika-Prophylaxe aber auch angebracht bei Verletzungen gegen die zu erwartenden Infektionskeime (z. B. bei Tierbissen, Verschmutzungen durch Erde, Fäkalien, Schusswunden etc.). Zu den wichtigsten Erregern gehören Bakterienarten wie Staphylokokken, Streptokokken, Clostridien, Anaerobier (z. B. Fusobakterien und Aktinomyzeten), Enterobakterien (z. B. Shigella, Klebsiella, Enterobacter, Serratia, Proteus und Morganella) und andere Keime.
Bei bestimmten Operation wird aufgrund des höheren Infektionsrisikos einen Antibiotikaprophylaxe empfohlen. Dazu gehören:
Eine Indikation, also ein Anlass, für die Antibiotika-Prophylaxe besteht vor allem bei folgenden Zuständen:
Bei der Auswahl des richtigen Antibiotikums muss die Halbwertszeit berücksichtigt werden. Die Halbwertszeit ist die Zeit, die der Körper benötigt, um 50% des Antibiotikums abzubauen. Zum Beispiel haben die Antibiotika Ampicillin, Amoxicillin und Cefotaxim eine Halbwertszeit von 60 Minuten. Dauert die Operation länger als zwei Stunden, müsste in diesem Fall eine weitere Gabe erfolgen. Das Antibiotikum Clindamycin hingegen hat eine Halbwertszeit von 2,5 Stunden. Mit einer einmaligen Gabe von Clindamycin könnte also auch eine längere Operation durchgeführt werden.
Chirurgische Eingriffe werden unterteilt in Kategorien, wie "sauber" (keimarm) die Vorgehensweise ist. Es geht um die mögliche Kontamination (Verschmutzung mit Keimen) des Körperbereiches, der operiert wird. Danach richtet sich auch, ob eine Antibiotika-Prophylaxe notwendig ist. Die Kontaminationsgrade sind:
Aseptisch bedeutet, dass ein Bereich nicht mit Mikroorganismen (beziehungsweise Krankheitserregern) belastet ist. Das ist der Fall, wenn die Schleimhaut des Harn-, Geschlechts-, Atem- und Magen-Darm-Traktes nicht mit einbezogen und nicht verletzt sind. Die häufigsten Bakterien, die sich bei aseptischen Operationen noch finden, sind Staphylokokken. Eine Antibiotika-Prophylaxe ist normalerweise nicht notwendig. Eine Ausnahme ist die Implantation von Fremdmaterial.
Als kontaminiert gilt ein Bereich, wenn die Schleimhaut des Magen-Darm-, Atem-, Harn- oder Geschlechtstraktes verletzt ist. In diesem Fall sind weitere Erreger häufig anzutreffen (Atemwege: Staphylokokken und Streptokokken, Magen-Darm-Trakt, Harnwege, Geschlechtsorgane: Enterokokken, Enterobakterien, Anaerobier).
Hierzu gehören alle Eingriffe in Körperregionen mit massiver bakterieller Kontamination oder offene Verletzungen mit starker Verschmutzung. Beispiele von solchen Eingriffen sind die Entfernung von Fremdkörpern, die Eröffnung von Abszessen oder ein Darmdurchbruch (Darmperforation). Oft handelt es sich um Infektionen mehrerer Erreger zusammen wie Escherichia-coli-Bakterien und Anaerobier. Durch die Antibiotika-Prophylaxe kann die ansonsten sehr hohe Wundinfektionsrate von 25 Prozent auf 5 Prozent gesenkt werden.
Bei einigen Gegebenheiten ist das Risiko für Infektionen nach der OP erhöht.
Wie fast bei jeder Therapie mit Medikamenten sind auch hier Nebenwirkungen möglich. Demnach steht dem erwünschten Effekt, eine Infektion verhindern zu können, das Risiko unerwünschter Ereignisse gegenüber. So erzeugen Antibiotika bei 13 Prozent der Patienten Nebenwirkungen. Im Einzelnen muss abgewägt werden, ob der Nutzen größer als das Risiko zu bewerten ist. In bestimmten Fällen ist die Prophylaxe mit Antibiotika praktisch unumgänglich.
Leitlinien zur Hygiene in Klinik und Praxis: Perioperative Antipiotikaprophylaxe: https://euprevent.eu/wp-content/uploads/2017/01/AWMF-Leitlinie-Perioperative-Antibiotikaprophylaxe.pdf (online, letzter Abruf: 31.10.2023)
aktualisiert am 31.10.2023