Die maligne Hyperthermie ist eine genetisch bedingte und damit vererbbare Erkrankung der Skelettmuskulatur. Sie tritt in der Regel erst unter Narkose klinisch in Erscheinung und wird daher meist erst dann diagnostiziert. Sie führt bei den betroffenen Patientinnen und Patienten zu lebensbedrohlichen Zwischenfall während der Narkose, der schnell und konsequent behandelt werden muss.
In Deutschland ist 1:2.000 bis 1:3.000 Menschen betroffen (Prävalenz). Während einer Narkose kommt es in 1:10000 bis 1:250.000 Fällen zu einer malignen Hyperthermie Krise während der Allgemeinanästhesie. Damit ist die Erkrankung selten. Wir die maligne Hyperthermie rechtzeitig erkannt, kann sie gut behandelt werden. Die Sterblichkeit konnte so auf unter 3% gesenkt werden.
Im Alltag bleibt die maligne Hyperthermie unbemerkt und beeinträchtigt den Patienten nicht.
Ursache der malignen Hyperthermie ist eine genetische Veranlagung, die bei den Trägern zu einer subklinischen Myopathie führt, d.h. zu einer Muskelerkrankung, die im Alltag normalerweise keine Symptome verursacht. Erst unter Narkose kann sich die Krankheit manifestieren.
Bei der malignen Hyperthermie liegt eine Störung der die Kalziumströme kontrollierenden Systeme (Störung der intrazellulären Calcium-Regulation) im Muskel vor, die nach bestimmten Medikamenten ausgelöst werden kann. Die Erkrankungen kann durch bestimmte Inhalationsnarkotika wie Halothan oder und durch das Muskelrelaxans Succinylcholin ausgelöst werden. In diesem Fall kommt es zu einer unkontrollieren Freisetzung von Calcium-Ionen, die zu einer lebensbedrohlichen Stoffwechselentgleisung führt.
Bestimmte Medikamente (z.B. Succinylcholin) können eine maligne Hyperthermie Krise auslösen. Diese Medikamente werden Triggersubstanzen genannt. Sie bewirken eine Überflutung des Skelettmuskels mit Kalzium. Sobald die freie Kalziumkonzentration in den Skelettmuskelzellen die tolerable Grenze überschreitet, die auch als mechanische Schwelle bekannt ist, kommt es zu einer dauerhaften Muskelanspannung. Dadurch entsteht eine übermäßige Hitzebildung. Die Verletzung von Muskelzellen verursacht eine erhöhte Kaliumkonzentration im Blut, was zu Hyperkaliämie führt. Zudem steigt der Gehalt an normalerweise intrazellulären Substanzen wie Kreatinkinase (CK) oder Myoglobin, die innerhalb der Muskelzelle liegen. Dadurch kann es zu einer Nierenschädigung bis hin zum Nierenversagen kommen. Die auslösenden Stoffe sind geläufige Medikamente während der Narkose, wie etwa Succinylcholin (ein Muskelrelaxans) und flüchtige Inhalationsanästhetika („Narkosegase“) wie Halothan.
Vorangegangene unauffällige Narkosen schließen das Auftreten einer malignen Hypothermiekrise bei einer weiteren Narkose nicht aus, da diese in vielen Fällen erst nach wiederholter Verabreichung der Medikamente auftritt.
Die maligne Hyperthermie kann sich auf verschiedene Weise bemerkbar machen. Sie kann einen milden Verlauf mit nur einem oder wenigen Symptomen nehmen, sie kann aber auch zu einer fulminanten malignen Hyperthermiekrise mit lebensbedrohlichen Stoffwechselentgleisungen führen. Tritt eine maligne Hyperthermiekrise auf, handelt es sich um einen Notfall, der sofort behandelt werden muss.
Die maligne Hyperthrermie kann während einer Operation oder nach einer Operation auf der Intensivstation auftreten.
Frühsymptome sind unspezifisch, aber sollten bereits dazu führen, dass man eine Behandlung einleitet. Man sollte also nicht auf weitere Symptome warten, um sicher zu stellen, dass es sich um eine maligne Hyperthermie handelt.
Die Symptome sind Ausdruck einer starken Steigerung der Stoffwechselvorgänge des Körpers. Dabei kommt es zunächst zu unspezifischen Symptomen.
Zu den Frühsymptomen gehören:
Wird die maligne Hyperthermie nicht rechtzeitig behandelt, können weitere Symptome auftreten:
Durch das Zusammenwirken der oben genannten Faktoren kann es zu einem allgemeinen Kreislaufzusammenbruch mit Myokardischämie, d.h. Sauerstoffmangel des Herzmuskels, kommen. Die vielen in kurzer Zeit aus der Muskulatur ausgeschwemmten Stoffe können zu einem Nierenversagen, zur Lungenfunktionsstörung und einem Hirnödem führen. Unbehandelt führt die maligne Hyperthermiekrise meist zum Tod durch Kreislauf- und Nierenversagen.
Tritt während einer Narkose bei einem Patienten, bei dem im Vorfeld keine maligne Hyperthermie bekannt war, eine Maligne Hyperthermiekrise auf, so lassen ein Ansteigen der Herzfrequenz und das schnelle Ansteigen der CO2 Konzentration in der Ausatemluft, sowie eine vor allem im Kaumuskel auftretende Muskelversteifung den Verdacht einer Malignen Hyperthermiekrise zu. Allerdings ist die Diagnose schwierig, da das Auftreten einer Krise sich mit unterschiedlichen Symptomen und in unterschiedlicher Geschwindigkeit ankündigt. Treten diese Symptome auf, wird sofort eine Behandlung eingeleitet, wenn der Verdacht besteht, dass sich eine maligne Hyperthermie entwickeln kann.
Die Diagnose kann durch eine Blutgasanalyse gesichert werden. In der Blutgasanalyse zeigt sich:
Besteht vor einer Narkose der Verdacht einer malignen Hyperthermie oder ist bei einem Patienten bereits eine Krise aufgetreten, so lässt sich dies mit dem so genannten „In-vitro-Kontrakturtest“ nachweisen. Dabei wird eine Muskelbiopsie von der Außenseite des Oberschenkels entnommen, dann wird im Labor getestet ob der Muskel abnorm auf die Hyperthermie auslösenden Substanzen reagiert. Dieser Test ist sehr aufwendig und wird daher nur in einigen Zentren durchgeführt, ist aber bei Verdacht auf eine Maligne Hyperthermie auf jeden Fall angebracht.
Differentialdiagnostisch kommen während einer Narkose zunächst alle Erkrankungen oder Zustände in Betracht, die zu einer Erhöhung der Stoffwechselvorgänge des Körpers führen, im einfachsten Fall zum Beispiel eine zu flachen Narkose oder ein Bedarf an Schmerzmittel, aber auch eine nicht angepasste Beatmung. Es gibt aber auch noch viele andere Möglichkeiten. Durch die Anfangs sehr unspezifischen Symptome ist die korrekte und frühe Diagnose oft schwierig.
Tritt während einer Narkose eine maligne Hyperthermie auf, so muss die Behandlung sofort eingeleitet werden:
Ist die maligne Hyperthermie und damit die Anlage zur Krise vorher bekannt, zum Beispiel wegen eines positiven In-vitro-Kontrakturtests, wird eine so genannte „Triggerfreie Narkose“ durchgeführt. Das bedeutet, vor und während der Narkose wird auf Medikamente verzichtet, die eine maligne Hyperthermie auslösen können und es wird auf andere Medikamente ausgewichen.
Eine maligne Hyperthermie Krise ist trotz intensivmedizinischer Möglichkeiten weiterhin ein gefährlicher Narkosezwischenfall, vor allem da das Erkennen einer Krise oft nicht einfach ist. Die maligne Hyperthermie kann aber gut behandelt werden, wenn sie rechtzeitig erkannt wird. Die Sterblichkeit liegt bei etwa 3 Prozent. Unbehandelt endet eine Krise meist tödlich.
Ist die maligne Hyperthermie vor der Narkose bekannt werden entsprechende Vorsichtsmaßnahmen ergriffen und einer sicheren Narkose steht nichts im Wege.
Da es sich bei der malignen Hyperthermie um eine genetische und damit vererbbare Erkrankung handelt, sollte man, falls Narkosezwischenfälle in der Familie bekannt geworden sind, mit einem Arzt darüber sprechen und eventuell einen In-vitro-Kontrakturtest durchführen lassen.
Ebenso sollte man mit dem Narkosearzt sprechen, wenn andere Muskelerkrankungen, wie zum Beispiel Muskeldystrophien oder Myotonien, vorliegen.
aktualisiert am 22.11.2023