Die Schenkelhalsfraktur (Schenkelhalsbruch), umgangssprachlich auch als Oberschenkelhalsbruch bezeichnet, ist eine häufige Verletzung bei älteren Menschen. Insbesondere tritt der Schenkelhalsbruch bei bestehender Osteoporose häufig auf, weshalb er insgesamt bei Frauen häufiger als bei Männern ist. Schon durch geringe Gewalteinwirkung auf die Hüfte, meist bei einem Sturz auf die Körperseite, kommt es zum Bruch zwischen dem Kopf und dem Schaft des Oberschenkelknochens (Femur). Je nach Lokalisation des Bruches wird zwischen der häufigen mittleren (medialen), vor allem ältere Menschen betreffenden und der seltenen seitlichen (lateralen), vor allem jüngere Menschen betreffenden Schenkelhalsfraktur unterschieden, die auch unterschiedlich behandelt werden. In Deutschland erleiden jährlich rund 100 000 Menschen eine Schenkelhalsfraktur, ein großer Teil von ihnen ist über 65 Jahre alt. Schenkelhalsfrakturen bei Kindern treten nur sehr selten auf.
Die Ursache für eine Schenkelhalsfraktur ist in den meisten Fällen ein Sturz auf die Körperseite, oft bei ausgestrecktem Bein und in Kombination mit einer Drehbewegung. Die Gefahr für einen Schenkelhalsbruch ist wesentlich größer, wenn die Knochensubstanz bereits geschwächt ist. Häufig ist eine Osteoporose (Knochenschwund) verantwortlich für die mangelnde Stabilität, bisweilen auch ähnliche Erkrankungen, die die Knochenfestigkeit vermindern. In seltenen Fällen führen auch Tumore zur Knochenvorschädigung. Da die Altersosteoporose bei Frauen öfter als bei Männern eine Rolle spielt, ist dementsprechend auch der Oberschenkelhalsbruch bei Frauen häufiger als bei Männern. Ein typischer Hergang ist ein Sturz im Haushalt oder auf der Straße, wofür gerade bei älteren Menschen ein höheres Risiko besteht, da sie an Gangunsicherheit, Gleichgewichtsstörungen, Schwindel sowie schlechtem Sehen leiden können. Manchmal ist es auch ein Fall aus dem Bett, der zur Schenkelhalsfraktur führt. Bei entsprechend wenig stabilen Knochen kann sogar schon eine ganz geringe Einwirkung wie beispielsweise das Aufstehen ausreichen, damit der Schenkelhals bricht.
Während ein Sturz bei älteren Menschen in der Regel zu einer mittleren (medialen) Schenkelhalsfraktur führt, erleiden jüngere Menschen meist eine seitliche Schenkelhalsfraktur. Da bei ihnen der Oberschenkelknochen im Gegensatz zu älteren Menschen normalerweise stabil ist, bedarf es für einen Bruch einer größeren Gewalteinwirkung, wie beispielsweise bei Autounfällen oder Stürzen aus größerer Höhe. Das Geschlechterverhältnis bei Schenkelhalsbrüchen junger Personen ist umgekehrt zu dem im höheren Alter, denn es erleiden mehr Männer solche Unfälle als Frauen.
Im Allgemeinen kommt es bei einem Schenkelhalsbruch zu Schmerzen im Hüftbereich, die beim Versuch der Bewegung stärker werden. Die Schmerzen können bis in den Oberschenkel, in das Becken oder in die Leiste ziehen. Die Beweglichkeit in der Hüfte ist stark vermindert, oft ist gar keine Bewegung und Belastung mehr möglich. Des Weiteren können in Abhängigkeit von der Art des Traumas Prellmarken, Schwellungen und Blutergüsse am Oberschenkel sichtbar sein.
In vielen Fällen sind die Bruchstücke gegeneinander aus der Position geraten und bewirken dadurch meist eine Außenrotationsstellung und eine Verkürzung des Beines. Bei fehlender oder nur geringer Verlagerung der Bruchstücke kann es hingegen vorkommen, dass kaum Beschwerden bestehen. Dies ist auch bei einem Bruch mit Stauchung des Knochens der Fall.
Insbesondere ältere Menschen können infolge der Schmerzen und des möglichen Blutverlusts unter Kreislaufbeschwerden leiden. Wenn auch selten, so kann es im Zuge der Schenkelhalsfraktur zu einer weiteren Komplikation aufgrund der Beschädigung von Blutgefäßen kommen. Aufgrund der möglichen Minderversorgung mit Blut kann es zu einem Absterben des Hüftkopfes kommen (Hüftkopfnekrose). Ebenfalls denkbar ist eine Beschädigung von Nerven durch die Schenkelhalsverletzung, so dass Sensibilitätsstörungen und Muskellähmungen möglich sind.
Nach der Anamnese (Untersuchungsgespräch) erfolgt die gründliche klinische Untersuchung. Oftmals kann der Arzt bereits beim Anblick des Patienten erkennen, dass es sich um einen Oberschenkelhalsbruch handelt. Die Schmerzen und die Beinverkürzung mit Außendrehung sind deutliche Anzeichen. Ein Röntgenbild des Beckens und der Hüfte trägt maßgeblich zur Diagnosestellung bei. Zusatzuntersuchungen wie eine Computertomographie (CT) sind nur notwendig, wenn anhand der Beschwerden und des Röntgenbildes keine sichere Diagnose gestellt werden kann. Verletzungen des Beckens sowie weitere Brüche am Oberschenkel sollten ausgeschlossen werden.
Die Schenkelhalsfrakturen können nach zwei verschiedenen Klassifikationen eingeteilt werden. Die Klassifikation nach Pauwels erfolgt nach dem Winkel, der zwischen der Bruchlinie und einer gedachten horizontalen Linie besteht. Bei Grad I beträgt der Winkel weniger als 30° (Abduktionsfraktur), bei Grad II liegt er zwischen 30 und 70° (Adduktionsfraktur) und bei Grad III ist er größer als 70° (Abscherfraktur). Bei Pauwels I ist die Bruchlinie also weniger steil als bei Pauwels III. Die zweite, weniger gebräuchliche Klassifikation nach Garden orientiert sich an der durch den Bruch erfolgten Verschiebung (dem Dislokationsgrad) des Oberschenkelknochens. Garden I bedeutet unvollständiger Bruch, Garden II vollständiger Bruch ohne Verschiebung, Garden III vollständiger Bruch mit teilweiser Verschiebung und Garden IV vollständiger Bruch mit kompletter Verschiebung.
Von einer Schenkelhalsfraktur müssen andere Formen von Knochenbrüchen in der Region abgegrenzt werden, z. B. Beckenfraktur, Hüftkopffraktur, Pertrochantäre Femurfraktur (Oberschenkelbruch im Bereich der so genannten Rollhügel), Bruch im Bereich der Hüftpfanne (Acetabulumfraktur). Auch andere Verletzungen müssen unterschieden werden, beispielsweise eine traumatische Hüftgelenksauskugelung (Luxation) sowie eine einfache Prellung.
Ob eine Operation erfolgen muss, wird nach der Art der Oberschenkelhalsfraktur entschieden. Hierzu wird vor allem die Einteilung nach Pauwels und Garden herangezogen. In manchen Fällen können noch weitere Kriterien eine Rolle spielen. Wenn eine Operation ein hohes Risiko für den Patienten bedeutet, etwa bei schweren Grunderkrankungen, muss unter Umständen darauf verzichtet werden.
Bei stabilen Schenkelhalsfrakturen mit Innenrotationsstellung des Beines (Pauwels Grad I und Garden I) kann mit einer konservativen, also nicht-operativen, Behandlung bestehend aus Schmerztherapie und Krankengymnastik begonnen werden. Die Patienten sollten zunächst Bettruhe einhalten und beginnen dann nach dem Abklingen der Schmerzen mit Krankengymnastik, bei der die Belastung allmählich immer mehr erhöht wird. In der ersten Zeit werden Unterarmgehstützen verwendet, um eine volle Belastung des betroffenen Beines zu vermeiden. Außerdem erfolgen eine Gangschulung sowie Übungen zur Muskelkräftigung. Bei instabilen Brüchen darf das Bein über Monate nicht belastet werden. Solange der Patient im Bett liegen muss, sind aufgrund des hohen Risikos tägliche Atemgymnastik sowie eine Heparin-Therapie zur Vermeidung von venösen Blutgerinnseln (Thrombosen) erforderlich. Bei einer nicht-operativen Therapie der Schenkelhalsfraktur sollten regelmäßige Röntgenkontrollen über etwa drei Monate erfolgen, um mögliche Verschiebungen (Dislokationen) rechtzeitig zu erkennen und gegebenenfalls noch operativ zu behandeln.
Viele Arten der Schenkelhalsfraktur werden operiert, vor allem instabile. Als Operationen kommen in Abhängigkeit von der Art des Bruches, dem Gesundheitszustand, Alter und der Mobilität des Patienten verschiedene Verfahren zur Anwendung. Im Allgemeinen werden hüftkopferhaltende Verfahren und Hüftkopfersatzverfahren unterschieden. Wenn der Hüftkopf ersetzt wird, handelt es sich um eine Hüftprothese. Wenn der Hüftkopf nicht ersetzt wird, werden die Bruchteile mit Fremdmaterialien aneinandergefügt (Osteosynthese).
Eine Befestigung der Bruchstücke aneinander geschieht im Falle der Schenkelhalsfraktur mit Zugschrauben, dynamischen Hüftschrauben (DHS) oder einem Gamma-Nagel. Die hüftkopferhaltende Operation wird in der Regel bei Patienten bis zu einem Alter von 70 Jahren durchgeführt.
Eine Endoprothese (Hüftkopf-/Hüftgelenksersatz) wird eher bei älteren Patienten mit Schenkelhalsbruch eingesetzt, denn sie ist in vielen Fällen nur eine begrenzte Zeit (etwa 15 Jahre) ausreichend funktionsfähig. Manchmal muss aber auch beim jungen Patienten eine Prothese eingesetzt werden. Es gibt so genannte Hemiendoprothesen (HEP), wobei nur der Kopf des Oberschenkelknochens ersetzt wird, und so genannte Totalendoprothesen (TEP), bei der sowohl der Kopf des Oberschenkelknochens als auch die Hüftgelenkspfanne (Teil der Beckenknochen) ersetzt wird. Der Einsatz einer Hüftprothese kann es dem Patienten ermöglichen, sehr frühzeitig wieder auf die Beine zu kommen.
Eine instabile Schenkelhalsfraktur sollte notfallmäßig innerhalb von sechs Stunden operiert werden. Nach jeder Operation, sei sie hüftkopferhaltend oder hüftkopfersetzend, sollte ein Röntgenbild zur Kontrolle veranlasst werden.
Bei den Operationen sind Komplikationen möglich wie beispielsweise Blutungen, Verletzungen angrenzender Strukturen, Infektionen und Wundheilungsstörungen, Lockerwerden des Fremdmaterials oder eine Hüftkopfnekrose (Absterben des Hüftkopfgewebes). Auch können sich Probleme wie eine Lungenentzündung (Pneumonie) oder venöse Blutgerinnsel (Thrombose) entwickeln.
Die Aussichten bei einem Schenkelhalsbruch können ganz unterschiedlich sein, was von der Bruchform, aber auch von den Voraussetzungen des Patienten abhängt. Junge Menschen, die einen Oberschenkelhalsbruch erleiden, können meist einen günstigen Verlauf erwarten, auch wenn die Behandlung langwierig sein kann (etwa bei konservativer Behandlung oder bei einer Operation ohne Hüftprothese). Bei älteren Patienten kann es eher zu Schwierigkeiten nach einem Schenkelhalsbruch kommen, insbesondere wenn Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) oder Herzkrankheiten hinzukommen. Komplikationen und längere Bettlägerigkeit können die Prognose verschlechtern. Wird eine Hüftprothese eingesetzt, so kann das Bein in der Regel direkt wieder bis zu einem gewissen Maße belastet werden.
Bevor es überhaupt zu einem Schenkelhalsbruch kommt, sind gerade bei älteren, geschwächten Patienten vorbeugende Maßnahmen sinnvoll. Bereits kleinere Veränderungen helfen bei der Vermeidung einer Schenkelhalsfraktur, wenn sie das Sturzrisiko vermindern. Dazu gehört z. B. eine geeignete Einrichtung der Wohnung. Um die Stabilität der Knochen zu behalten, sollten ältere beziehungsweise gefährdete Menschen einer Osteoporose vorbeugen. Falls eine Osteoporose bereits diagnostiziert wurde, sollte diese z. B. mit Bisphosphonaten, Vitamin D3 oder Kalzium konsequent behandelt werden. Eine relativ neue Methode zur Vermeidung von Schenkelhalsfrakturen ist die Anwendung so genannter Sturzhosen mit Hüftpolsterung (Hüftprotektoren). Der Grund für eine bisher noch nicht so große Verbreitung dieser vorbeugenden Maßnahme sind zum einen die Kosten und zum anderen die geringe Akzeptanz bei den Risikopersonen (enger Sitz der Hosen, Wärmebildung aufgrund nicht atmungsaktiver Polsterung).
aktualisiert am 01.11.2022