Eine Vielzahl unterschiedlicher Nierenfehlbildungen kann beim Menschen auftreten. Nierenfehlbildungen sind alle strukturellen Veränderungen der Nieren, die angeboren sind. Dies kann von
bis hin zu mikroskopischen Veränderungen und Funktionsstörungen reichen. Viele Nierenfehlbildungen haben medizinisch keine Relevanz und werden erst bemerkt, wenn sich Patienten zu einer Routineuntersuchung zum Arzt begeben. Andere Fehlbildungen können jedoch schwerwiegend sein, zu Funktionsstörungen führen und sie können eine Behandlung, gegebenenfalls auch eine Operation, erforderlich machen.
Ein bedeutender Anteil der angeborenen Fehlbildungen des Menschen betrifft die Harn- und Geschlechtsorgane, nämlich circa ein Drittel. Fehlbildungen sind die Folge einer gestörten Entwicklung dieser Körperregionen. Häufig handelt es sich um genetische Störungen.
Zystennieren (Entwicklung vielzahliger flüssigkeitsgefüllter Höhlen der Niere) sind beispielsweise durch Veränderungen im Erbgut bedingt. Durch die genetische Veränderung ist die Bildung von Substanzen wie Polycystin oder Fibrocystin vermindert. Mangelt es an der jeweiligen Substanz, dann ist die Struktur der Niere geschwächt oder Entwicklungsvorgänge sind verändert und an vielen Stellen bilden sich die Hohlräume.
Eine Fehllage der Niere (z. B. eine Beckenniere) kommt meist dadurch zustande, dass die Verlagerung nach oben, wie sie in der normalen Entwicklung erfolgt, gestört ist. Eine Wanderniere tritt häufig bei schlanken Menschen auf und hat möglicherweise eine Bindegewebsschwächung als Grund.
Auch andere Fehlbildungen im Bereich der Niere haben häufig spezifische Ursachen.
Nierenzysten (diese entwickeln sich gewöhnlicherweise erst im fortgeschrittenen Alter) haben unbekannte Ursachen. Sie können sich auch im Rahmen von verschiedenen Syndromen entwickeln, die teilweise erblich sind.
Die Fehlbildungen der Nieren sind sehr vielfältig und lassen sich in einige Gruppen aufteilen.
Eine numerische Anomalie ist der Zustand, dass die Anzahl der Nieren von den normalen zwei Organen abweicht. Es handelt sich also um zusätzliche Nieren (z. B. Doppelniere) oder fehlende Nieren. Mit einer oder mit mehr als zwei Nieren kann ein Betroffener problemlos leben, sofern die Funktion gegeben ist.
Eine Lageanomalie ist der Zustand, dass die Niere sich nicht an ihrer vorgesehenen Stelle befindet. Es kann sich um eine grundsätzliche Fehllage handeln, bei der die Niere fest am abnormen Ort liegt (Nierendystopie). Es gibt aber auch die Wanderniere, das heißt, dass die Niere zwischen verschiedenen Positionen hin und her gleitet (Nephroptose) - insbesondere bei aufrechter Lage rutscht die Wanderniere nach unten. Zu den festen Lageanomalien gehört etwa die Beckenniere, bei der die Niere sich weiter unten als normal, im Becken, befindet. Eine sogenannte gekreuzte Nierendystopie besteht, wenn ein Harnleiter (Ureter) von der Harnblase zu einer Niere auf der gegenüberliegenden Seite zieht (welche oft von einer Fehllage oder Verschmelzung mit einer anderen Niere betroffen ist). Eine Lageanomalie der Niere kann dazu führen, dass der Harnabfluss gestört ist. Harnsteine oder ein aufgeweitetes Nierenkelchsystem (Hydronephrose) können ebenfalls die Folge sein.
Die Rotationsanomalie besteht darin, dass die Niere sich in der Entwicklung nicht richtig gedreht hat. Das wird auch als Malrotation bezeichnet. Meist bestehen keine Beschwerden oder Folgen, aber bisweilen entwickelt sich ebenfalls eine Aufweitung der Nierenkelche (Hydronephrose).
Eine Fusionsanomalie bezeichnet das Zusammenwachsen von Nieren, in der Regel in Form einer Hufeisenniere. Bei dieser sind die beiden Nieren an den unteren Enden miteinander verbunden. In den allermeisten Fällen beeinträchtigt das nicht die Funktion des Organs und bei circa 60 Prozent der Betroffenen bestehen keine Symptome. Die Hufeisenniere begünstigt jedoch Folgestörungen wie erweiterte Nierenkelche (Hydronephrose), die Bildung von Nierensteinen oder Harnwegsinfekte.
Die Nierengefäße können von einer Fehlbildung betroffen sein. Sie können beispielsweise an falscher Stelle entspringen oder in vermehrter Anzahl (doppelte Nierenarterie) angelegt sein. Meist hat das keinen Krankheitswert.
Fehlbildungen können sich ebenfalls an den Nierenkelchen zeigen. Die Kelche sind die Auffangstrukturen für den Harn, nachdem dieser filtriert worden ist. Sie münden ins Nierenbecken. Kelchfehlbildungen sind beispielsweise die Mega-Kalikose (starke Aufweitung der Nierenkelche) oder Divertikel (Aussackungen).
Zysten sind abnorme Hohlräume, die Flüssigkeit enthalten. Sie treten bei verschiedenen Erkrankungen auf. Als Fehlbildung der Niere werden Nierenzysten und Zystennieren unterschieden. Im Wesentlichen besteht der Unterschied darin, dass Zystennieren erbliche Erkrankungen sind, die im ganzen Organ verteilt auftreten können. Nierenzysten sind hingegen oft vereinzelt und entwickeln sich häufig erst bei älteren Patienten. Nierenzysten sind häufiger als Zystennieren.
Eine Zystenniere wird auch polyzystische Nierenerkrankung (PKD) genannt, von der es unterschiedliche Formen gibt. Die Zysten machen sich meist ab dem mittleren Lebensalter (Alter von 30 bis 50 Jahren) bemerkbar. Bei Zystennieren treten Symptome wie blutiger Urin (Hämaturie), Harnwegsinfektionen oder Nierensteine auf, aber in einigen Fällen macht sich die Erkrankung gar nicht bemerkbar. Zystennieren können die Nierenfunktion erheblich herabsetzen, schließlich in ein Nierenversagen münden (Niereninsuffizienz) und dazu führen, dass Patienten regelmäßig eine Dialyse bekommen müssen. Auch in anderen Organen können Zysten auftreten oder sich Aussackungen von Blutgefäßen bilden.
Nierenzysten lassen sich genauer aufteilen. Neben der häufigen einfachen Nierenzyste können die Zysten auch an mehreren Stellen in der Niere auftreten. Nierenzysten sind in den meisten Fällen harmlos, bleiben in der Regel ohne Symptome und werden erst im Rahmen anderer Untersuchungen entdeckt. Selten sind sie so ausgedehnt oder befinden sich an so ungünstiger Stelle, dass sie Folgen wie einen Harnstau, eine Entzündung oder Schmerzen verursachen können. Problematisch bei Nierenzysten ist, dass sie manchmal im Rahmen eines bösartigen Nierentumors auftreten können.
Eine spezielle angeborene Störung ist die Markschwammniere. Bei der Markschwammniere kommt es zur Bildung vieler Zysten, die mit einem Teil des Abflusssystems (den Sammelrohren) verbunden sind. Die Erkrankung führt zur Übersäuerung (Azidose) des Körpers und zur Bildung von Nierensteinen sowie zu weiteren Störungen.
Weitere genetische Erkrankungen mit möglichen Zysten sind beispielsweise das Von-Hippel-Lindau-Syndrom, die tuberöse Hirnsklerose oder die Nephronophthisis.
Zur Untersuchung gehört zunächst die Befragung des Patienten zu Symptomen und vorher bekannten Erkrankungen (Anamnese) und die Erhebung des allgemeinen körperlichen Befunds. Eine Urinprobe kann aufschlussreich sein, bei Zystennieren kommt es beispielsweise oft zu Blut im Urin (Hämaturie) oder Eiweißausscheidung (Albuminurie, Proteinurie). Ein Bluttest kann auch sinnvoll sein.
Die Ultraschalluntersuchung hilft bei vielen Erkrankungen, diese zu erkennen und von anderen Erkrankungen zu unterscheiden. Veränderungen in der Nierenstruktur werden dort auffällig. In fraglichen Fällen können weitergehende Untersuchungen wie eine Computertomographie (CT) durchgeführt werden. Einige Fragestellungen erfordern eine Röntgen-Kontrastmitteldarstellung der oberen Harnwege (Urographie). Unter Umständen kommt eine Gewebeentnahme zur Untersuchung in Frage (Biopsie).
Vor allem bei einer Zyste ist es in seltenen Fällen möglich, dass sie eine Ausprägung des Nierenkarzinoms ist.
Fehlbildungen können sich auch in anderen Anteilen des Harntrakts und der Geschlechtsorgane entwickeln, so beispielsweise am Harnleiter (Verbindung zwischen Niere und Harnblase).
Bei der Fragestellung, welche Behandlung erforderlich ist, kommt es auf die Fehlbildung und ihre Ausprägung und Auswirkung an. Häufig kann bei fehlenden Beschwerden und guter Funktion auf eine Therapie verzichtet werden. Eine Operation kann notwendig sein, falls die Durchblutung des Organs oder der Harnabfluss wesentlich beeinträchtigt ist.
Eine Hufeisenniere muss nur selten operiert werden. Auch eine abnorme Lage der Niere erfordert selten eine Operation. Die Niere wird verlagert und an einer günstigeren Stelle befestigt (Nephropexie).
Eine Markschwammniere (spezielle Form der Zystenniere) kann im Wesentlichen dadurch behandelt werden, dass der Patient viel Wasser trinkt. Das vermindert die Gefahr von Komplikationen wie Nierensteinbildung. Auch bei Zystennieren sollten Patienten auf eine gesunde Lebensweise achten. Der Blutdruck muss auf gute Werte eingestellt werden. Bei Beschwerden können Schmerzmittel sinnvoll sein.
Nierenzysten bedürfen häufig keiner Therapie. Große Zysten können behandelt werden, indem der Arzt mit einer Hohlnadel hineingeht (Punktion) und die Flüssigkeit hinauszieht; im Anschluss kann die Zyste zusätzlich mit Alkohol (Ethanol) verödet werden. Nierenzysten können auch entfernt werden, falls sie Beschwerden verursachen oder der Verdacht besteht, dass sie zu einem bösartigen Tumor gehören.
Führt die Fehlbildung zu einer ausgeprägten Niereninsuffizienz (Nierenversagen), dann wird eine regelmäßige Reinigung des Blutes mittels Dialyse notwendig. In diesen Fällen ist auch ein Ersatz der Niere mittels einer Nierentransplantation sinnvoll (es bestehen allerdings oft sehr lange Wartezeiten auf ein Spenderorgan).
Folgen der jeweiligen Veränderung können ebenfalls therapiebedürftig werden. So werden etwaige Nierensteine entfernt oder mit Stoßwellen zertrümmert (ESWL).
Mit vielen Fehlbildungen können Patienten ohne größere Einschränkungen leben. Es kann jedoch auch zu Komplikationen und Folgen kommen, die eine Behandlung erfordern und bei denen schwere Schäden möglich sind. Zystennieren können über Komplikationen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenversagen) die Lebenserwartung herabsetzen.
aktualisiert am 16.12.2019