Verschiedenste Ursachen führen zu einer Nierenentzündung (Glomerulonephritis). Die häufigste Form ist unter der Bezeichnung IgA-Nephropathie bekannt. IgA steht dabei für Immunglobulin A. Diese Art Antikörper setzt das körpereigene Immunsystem frei, um sich gegen bakterielle Eindringlinge, Viren oder Pilze durchzusetzen.
Bei Patienten mit dieser Diagnose finden sich sehr viele IgA-Antikörper im Blutplasma und im Nierengewebe. Im Nierengewebe führen sie zu Schäden.
Die IgA-Nephritis wurde erstmals 1968 von zwei französischen Ärzten namens Berger und Hinglais abgegrenzt und beschrieben. Daher ist sie auch unter dem Namen Morbus Berger bekannt.
Die IgA-Nephritis ist zugleich eine mesangioproliferative Glomerulonephritis. Als mesangioproliferative Glomerulonephritis werden mehrere ähnliche Formen der Nierenentzündung bezeichnet, bei denen Veränderungen bestimmter Zellen auftreten. Von diesen ist die IgA-Nephritis am häufigsten.
Eine IgA-Nephritis liegt bei etwa 35 Prozent aller Nierenentzündungen vor. In Ländern wie Japan oder Korea beträgt ihr Anteil an Nierenerkrankungsfällen 50 Prozent. Das weist darauf hin, dass genetische Faktoren eine Rolle bei der Entstehung der Krankheit spielen.
Die Altersgruppe ab 30 ist stärker betroffen als jüngere Menschen. Männer erkranken zwei- bis dreimal öfter als Frauen. In Europa sind etwa 2 Prozent der Bevölkerung betroffen. Der Verlauf der Erkrankung ist meist asymptomatisch, das heißt, über lange Zeit zeigen sich keine deutlichen, spürbaren Hinweise. Das erhöht das Risiko von einem schweren Krankheitsverlauf, denn das Auftreten erster, typischer Symptome deutet bereits auf größere Schäden in der Niere und eine massive Funktionsstörung hin.
Bei etwa 70 Prozent der Betroffenen treten kaum Entzündungsprozesse auf, die Erkrankung schreitet nur langsam und in vergleichsweise harmloser Form fort. Komplikationen und ein rasches Fortschreiten bis hin zu einer lebensbedrohlichen Situation trifft bis zu 30 Prozesse der Patienten.
Gekennzeichnet ist die IgA-Nephritis durch folgende Merkmale:
Die fehlgeleiteten Antikörper (Immunglobulin-A-Moleküle) bilden zusammen mit anderen Antikörpern „Immunkomplexe“. Diese lassen sich nicht wie andere Stoffwechsel-Abfallprodukte über die Nieren filtern und ausscheiden. Sie heften sich vielmehr in verschiedener Weise an die Nierenkörperchen (Glomeruli) an.
Dabei spielen die Mesangiumzellen eine zentrale Rolle. Diese sind Bindegewebszellen in und um die Glomeruli (Nierenkörperchen) mit einer Reihe besonderer Eigenschaften. Sie sind beispielsweise stoffwechselaktiv und produzieren verschiedene Hormone. Obendrein sind sie in der Lage, bestimmte Zellkomplexe zu „fressen“ und damit auszuschalten. Sie können sich ausdehnen und zusammenziehen und bilden eine Art Stützgerüst für den Zusammenhalt der Gefäßknäuel in der Niere, der Glomeruli. Innerhalb der Kapillaren, der haarfeinen Gefäßsysteme im Nierengewebe, regulieren die Mesangiumzellen den Flüssigkeitsdurchfluss. Sie sind verantwortlich für die Filterkapazität der Glomeruli und die Durchlässigkeit der Blut- und Flüssigkeitszuleitung zwischen diesen.
Lagern sich nun die Antikörper (IgA-Moleküle) in oder an diesen Zellen an, behindern sie deren Arbeit – die Filtereigenschaften des Nierengewebes sinken. Wird dieser Zustand nicht bemerkt, entwickeln bis zu 30 Prozent der Betroffenen über die Jahre hinweg eine lebensbedrohliche Mangelfunktion der Nieren.
Die IgA-Immunkomplexe in den kranken Glomeruli lassen sich nur durch die Untersuchung einer Gewebeprobe aus der Niere (Biopsie) feststellen.
Symptome und Hinweise auf die IgA-Nephritis sind nicht immer deutlich erkennbar. In einigen Fällen werden beim Patienten durch Zufall minimale Spuren von roten Blutkörperchen im Urin entdeckt. Meistens findet sich dabei auch etwas Eiweiß. In den seltensten Fällen fühlen sich die Betroffenen krank. Ein weiteres Kennzeichen ist Bluthochdruck – ein Hinweis auf eine bereits fortgeschrittene Nierenfunktionsstörung.
Immunkomplexe aus Immunglobulin-A und anderen Protein-Molekülen setzen sich an den Mesangiumzellen in und um die Nierenkörperchen fest. Dabei setzen sie eine Entzündung in Gang, die die Funktionsfähigkeit der Glomeruli (Nierenkörperchen) einschränkt. Auf die Entzündungsprozesse folgen Vernarbungen – die betroffenen Nierenkörperchen quittieren den Dienst. Weil es in jeder Niere etwa eine Million von ihnen gibt, dauert es lange, bis sich dieser Prozess bemerkbar macht. Meist liegen dann irreparable Schäden vor.
Damit die Immunkomplexe sich anheften und eine Entzündung hervorrufen, müssen eine Reihe ungünstiger Umstände und genetische Defekte zusammentreffen. Doch noch ist dieser Prozess nicht vollständig medizinisch erklärbar. Möglicherweise ist ein Stammzellendefekt der Auslöser für eine erhöhte Produktion von IgA-Molekülen. Für gewöhnlich wehren IgA-Moleküle Krankheitserreger ab, die eingeatmet oder mit der Nahrung aufgenommen werden. Liegt ein genetischer Defekt vor, werden sie nicht wie üblich in der Leber wieder abgebaut. Nach überstandenen Infekten zirkulieren sie stattdessen weiter im Blut. Mit der Zeit lagern sie sich in der Niere an und richten im sogenannten Mesangium Schaden an.
Eine erfolgreiche Therapie hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem davon, wie weit die Nierenfunktion bereits eingeschränkt ist. Dieser Prozess lässt sich nicht mehr rückgängig machen, doch das Fortschreiten lässt sich aufhalten. Eine Therapie muss der Entzündung entgegenwirken und die schädlichen Prozesse im Immunsystem zum Stillstand bringen. Die Entscheidung über die Therapie muss von Fall zu Fall angepasst werden.
Eine Behandlung mit Glukocorticoiden (Cortison) verhindert oft den Funktionsverlust der Nieren. Gute Erfolge zeigten sich in klinischen Studien, in denen das Immunsystem unterdrückende Medikamente angewendet wurden (Immunsuppressiva).
Fischöl entwickelt ebenfalls stark entzündungshemmende Eigenschaften. Es enthält die mehrfach ungesättigten Fettsäuren Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure, die Entzündungsprozesse hemmen. In klinischen Studien sorgten drei bis vier Gramm täglich dafür, dass sich der Zustand der Patienten deutlich besserte.
Auch Versuche mit dem Wirkstoff Angiotensin II brachten eine Besserung des Nierenzustandes. Dieses Hormon verengt die Gefäße und fördert die Durchblutung, auch in den Nieren. Überdies reguliert es den Flüssigkeitshaushalt. Im Gegenzug helfen Medikamente gegen Bluthochdruck, ACE-Hemmer, die das erwähnte Angiotensin in seiner Aktivität einschränken.
Eine eiweiß- und salzarme Kost helfen, den Wasserhaushalt des Organismus wieder unter Kontrolle zu bringen. Fallweise ist eine Nachbehandlung noch bestehender Infekte mit Antibiotika angebracht. Die rechtzeitige, langfristige Einnahme von hochdosiertem Vitamin D kann zudem Folgeschäden der IgA-Nephropathie verhindern. Im Endstadium des Nierenversagens kann eine Dialyse für den Patienten notwendig werden.
aktualisiert am 06.03.2020