Eine Nierenentzündung (Nephritis) ist eine entzündliche Erkrankung, die einen Anteil der Niere betrifft. Es gibt vielfältige Ursachen für Nierenentzündungen. Die wichtigsten Formen der Nierenentzündung sind die Glomerulonephritis (Entzündung der Nierenkörperchen = Glomeruli) sowie die interstitielle Nephritis (Entzündung des Zwischengewebes der Niere). Die Erkrankungen können jeweils akut oder chronisch verlaufen. Diese Formen der Nierenentzündung lassen sich weiter in Unterformen aufteilen, die auch damit zusammenhängen, welche der vielen möglichen Ursachen sie haben.
Zudem kann eine Nierenbeckenentzündung auftreten (Pyelonephritis), die auch zu den Harnwegsinfektionen gehört.
Die Nieren sind äußerst wichtige Organe im Körper, die für die Beseitigung von Giftstoffen und Abfallprodukten, für den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt unentbehrlich sind. Eine fortgeschrittene Nierenentzündung kann zu einem Nierenversagen (Niereninsuffizienz) führen, was für den Körper lebensbedrohlich sein kann und eine Dialyse (Blutwäsche) erfordern kann.
Die Ursachen sind sehr unterschiedlich, vor allem zwischen den einzelnen Arten der Nierenentzündung (Glomerulonephritis, interstitielle Nephritis). Doch sie variieren auch innerhalb der jeweiligen Ausprägung der Entzündung. Häufig bleibt die Ursache im Einzelfall unklar.
Die Glomerulonephritis (abgekürzt GN) ist eine Entzündung, die die Nierenkörperchen betrifft. Die Nierenkörperchen oder Glomeruli sind kleine Einheiten innerhalb der Niere, in denen das Blut gefiltert wird. Jedes Nierenkörperchen enthält ein Blutgefäßknäuel. Blutzellen werden durch die Gefäßwand zurückgehalten und verbleiben im Blut, aber Abfallstoffe, Mineralien und Eiweißstoffe werden zusammen mit Flüssigkeit hindurchgelassen. Außerhalb dieser Blut-Harn-Schranke entsteht damit der Primärharn, also der vorläufige Harn, der aufgefangen wird und aus dem später einige Substanzen und Flüssigkeit wieder in das Blut aufgenommen werden. In jeder Niere finden sich circa eine Million der Nierenkörperchen (Glomeruli).
Eine Entzündung an den Glomeruli führt als Glomerulonephritis zu Schäden. Eine primäre Glomerulonephritis entsteht direkt durch Erkrankungen, die auf die Niere begrenzt sind. Sie kann beispielsweise die Folge von Infektionen, entzündlichen Immunvorgängen oder speziellen Nierenerkrankungen sein. Eine sekundäre Glomerulonephritis ist hingegen die Folge einer Grunderkrankung des Körpers. Dazu gehören Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), die Erkrankung Lupus erythematodes, die allgemeine Gefäßentzündung Morbus Wegener, Amyloidose (Erkrankung mit Ablagerungen im Gewebe) oder die Purpura Schönlein-Henoch (Entzündungskrankheit der kleinen Gefäße) sowie weitere vererbte oder nicht vererbte Erkrankungen.
Eine Glomerulonephritis ist abakteriell, also keine direkte Infektion mit Bakterien (oder anderen Krankheitserregern). Dafür entsteht die Glomerulonephritis in der Regel mit Beteiligung des Immunsystems. Die Immunabwehr greift körpereigenes Gewebe an, in diesem Fall Gewebe der Nierenkörperchen. Es handelt sich damit um eine Autoimmunkrankheit. Abwehrzellen wie z. B. Makrophagen sammeln sich in der Niere an. Sogenannte Immunkomplexe (Verbindungen aus Antikörpern und allergieauslösender Substanz) können sich bilden. In den Glomeruli kommt es durch diese Vorgänge zu entzündlichen Veränderungen.
Speziell kann eine Infektion mit Streptokokken (Bakteriengattung) an den Atemwegen dazu führen, dass Antikörper gebildet werden, die das Gewebe in den Glomeruli angreifen (Poststreptokokken-Glomerulonephritis).
Die interstitielle Nephritis ist eine Entzündung, die in der Niere am Gewebe der Zwischenräume (Interstitium, Parenchym) besteht. Sind neben dem Zwischengewebe auch die Nierenkanälchen betroffen, dann handelt es sich um eine tubulo-interstitielle Nephritis.
Die interstitielle Nephritis wird am häufigsten (zu etwa 70 Prozent) durch Medikamente ausgelöst. Bei der akuten Form der Erkrankung sind es oft Arzneimittel, gegen die der Körper allergisch reagiert. Unter anderem können Antibiotika, Schmerzmittel (NSAR) oder Zytostatika (die Zellteilung hemmende Mittel) dies auslösen. Medikamente können aber auch selbst schädlich auf das Nieren-Zwischengewebe einwirken, insbesondere wenn sie über längere Zeit angewendet werden. Ein chronischer Gebrauch von Schmerzmitteln ist eine typische Ursache, oft bei einer Kombination von mehreren unterschiedlichen Medikamenten. Giftstoffe können ebenfalls die interstitielle Nierenentzündung auslösen.
Infektionen (meist Bakterien oder Viren) sind gelegentlich für eine interstitielle Nephritis verantwortlich. Alle interstitiellen Nierenentzündungen mit anderen Ursachen werden ansonsten als abakterielle Nephritis bezeichnet. Außerdem gibt es Erbkrankheiten und weitere Erkrankungen, die die Entzündung bedingen können. Manchmal entsteht eine interstitielle Nephritis als Folge einer Glomerulonephritis, die sich auf den entsprechenden Gewebebereich ausdehnt. Es handelt sich hierbei also um eine sekundäre interstitielle Nephritis.
Eine Nierenentzündung kann akut oder chronisch verlaufen. Das gilt sowohl für die Glomerulonephritis (GN) als auch für die interstitielle Nephritis. Beide können auch eine ganze Reihe von Unterformen annehmen. Die Symptome von Nierenentzündungen sind im Allgemeinen oft schwach und nicht eindeutig.
Die Glomerulonephritis entwickelt sich üblicherweise an beiden Nieren. Eine akute Glomerulonephritis führt zunächst meist unbemerkt dazu, dass Eiweiß und Blutzellen mit dem Urin abgehen (asymptomatische Proteinurie/Hämaturie). Die Folge kann ein Bluthochdruck und die Entwicklung von Flüssigkeitseinlagerungen (Ödeme) im körperlichen Gewebe sein. Die Harnmenge kann deutlich vermindert werden auf einen halben Liter pro Tag oder noch geringer. Ansonsten führt eine akute Glomerulonephritis nur zu schwachen Symptomen. Oft geht die Nierenentzündung wieder zurück und die Nierenfunktion erholt sich, wenn eine ausreichende Behandlung erfolgt. Kommt es jedoch zu einer zu massiven Abgabe von Eiweiß über den Harn, dann besteht ein Eiweißmangel mit deutlichen Symptomen von Ödemen wie geschwollene Beine und Atemnot (Lungenödem). Außerdem kann es zu erhöhten Blutfettwerten kommen. Das Krankheitsbild wird als nephrotisches Syndrom bezeichnet. Ein bleibender Schaden der Niere ist möglich.
Bei einigen Patienten fällt ein veränderter Urin auf. Er kann trüb sein, was auf einen vermehrten Eiweißgehalt (Proteinurie) schließen lässt. Ist der Harn bräunlich verdunkelt, dann ist dies ein Hinweis auf eine Blutbeteiligung (Hämaturie). Manchmal besteht bei einer Nierenentzündung ein Schmerz an der Niere, der eher einen dumpfen Charakter hat.
Als akutes nephritisches Syndrom werden plötzlich eintretende Beschwerden bezeichnet (Blut im Urin (Dunkler Urin), Ödeme, Nierenschmerzen), die häufig auf eine vorherige Infektion hin auftreten.
Eine chronische Glomerulonephritis entwickelt sich allmählich, meist finden sich lange keine eindeutigen Beschwerden. Auch geht meist keine akute Glomerulonephritis voraus, so dass die chronische Erkrankung erst spät bemerkt wird. Die noch intakten Nierenkörperchen haben lange genügend Kapazität, um die bereits geschädigten Nierenkörperchen ausreichend zu ersetzen. Ein merklicher Verlust der Funktion besteht ab etwa 60 Prozent geschädigter Nierenkörperchen. Auch eine chronische Glomerulonephritis zeigt eine Eiweiß- und Blutbeteiligung des Urins, was aber oft nur im Labor gesehen wird. Es entwickelt sich oft ein Bluthochdruck. In vielen Fällen lassen sich die Schäden durch chronische Glomerulonephritis nicht wieder rückgängig machen. Ein endgültiges Nierenversagen (terminale Niereninsuffizienz) ist sehr oft (zu etwa einem Viertel der Fälle) die Folge einer Glomerulonephritis. Bei sehr fortgeschrittenen Nierenschäden kann sich eine Schrumpfniere entwickeln.
Eine RPGN (rapid progredient glomerulonephritis, rasch fortschreitende Glomerulonephritis) ist ein Krankheitsbild, bei dem innerhalb von Wochen bis wenigen Monaten Nierenkörperchen zugrunde gehen. Es kommt bald zu einer Niereninsuffizienz (Nierenversagen).
Die interstitielle Nephritis verläuft teils ebenfalls ohne deutliche Symptome. Die akute interstitielle Nephritis kann sich durch Beschwerden wie Blut oder Eiweiß im Urin, Fieber, Gelenkschmerzen, knötchenartige Hautveränderungen (Erythema nodosum) und Hautausschlag bemerkbar machen. In heftigen Fällen kann eine akute Niereninsuffizienz (Nierenversagen) entstehen.
Eine chronische interstitielle Nephritis kann sich durch Anzeichen wie eine gelbliche bis bräunliche Verfärbung der Haut, ausgetrocknete Haut oder Kopfschmerzen bemerkbar machen. Bei der chronischen interstitiellen Nephritis kann sich eine chronische Niereninsuffizienz (Nierenversagen) ausbilden, die eine regelmäßige Dialyse (Blutreinigung) erforderlich macht.
Die Grundlage der Diagnostik bildet die Befragung des Patienten (Anamnese), mithilfe welcher der Arzt Informationen über die Beschwerden und über Vorerkrankungen einholt. An eine körperliche Untersuchung schließen sich Laboruntersuchungen an. Eine Blutprobe wird genommen und im Labor untersucht, um unter anderem die Nierenwerte zu bestimmen (Harnstoff, Kreatinin). Auf verschiedene Antikörper und sowie Blutzellen (Blutbild) wird das Blut ebenfalls untersucht. Anhand einer Urinprobe wird im Labor untersucht, ob eine Ausscheidung von Proteinen und Blutzellen auf eine Nierenschädigung hindeutet. Wichtig ist auch die Unterscheidung, welche Proteine sich im Urin befinden. Auch auf weitere Substanzen wird der Urin getestet wie z. B.Glucose (Zucker) und Phosphate, der pH-Wert wird bestimmt und auch der Anblick des Urins gibt Hinweise auf Erkrankungen.
Eine Ultraschalluntersuchung kann sinnvollerweise durchgeführt werden und lässt verschiedene Veränderungen der Niere erkennen. Die Untersuchung einer Gewebeprobe nach einer Entnahme (Biopsie) unter dem Mikroskop ermöglicht einen sicheren Nachweis der Art der Erkrankung in der Niere.
Von der Nierenentzündung muss eine Nierenbeckenentzündung unterschieden werden. Diese ist durch Krankheitserreger bedingt und gehört zu den Harnwegsinfekten.
Die Ausprägungsform, die Schwere und die Ursache der jeweiligen Nierenentzündung sind ausschlaggebend dafür, welche Therapie durchgeführt wird. Ebenso hängt es davon ab, ob die Entzündung akut oder chronisch ist. Es ist wichtig, die Erkrankung möglichst frühzeitig zu behandeln, um zu verhindern, dass sich der Zustand der Niere verschlechtert. Eine sekundäre Nierenentzündung (sekundäre Glomerulonephritis oder sekundäre interstitielle Nephritis) muss behandelt werden, indem die Grunderkrankung beseitigt wird. Besteht eine interstitielle Nephritis aufgrund eines Medikaments, dann ist es erforderlich, den eventuell ursächlichen Wirkstoff zu ermitteln und diesen nicht mehr anzuwenden.
Nierenpatienten müssen darauf achten, eine für sie vorteilhafte Ernährung zu sich zu nehmen. Sie sollte bei einer Glomerulonephritis wenig Protein und wenig Salz beinhalten. Betroffene sollten viel Wasser beziehungsweise Flüssigkeit zu sich nehmen.
Bei einer noch guten Nierenfunktion, einem regelrechten Blutdruck und kaum Blut- und Proteinbeimengungen des Urins kann teils auf eine Behandlung verzichtet werden. Ansonsten muss bei der Glomerulonephritis der Blutdruck auf ein Normalmaß gebracht werden. Dazu werden blutdrucksenkende Medikamente eingesetzt. Zielwert für den Blutdruck ist 120/80 mmHg.
Weil das Immunsystem an der Entwicklung der Glomerulonephritis beteiligt ist, werden Mittel zur Abschwächung des Immunsystems (Immunsuppressiva) gegeben. Häufig reicht dafür Cortison, bisweilen müssen aber auch andere solcher Medikamente angewendet werden. In bestimmten Fällen der interstitiellen Nephritis wird ebenfalls eine Behandlung mit Immunsuppressiva vorgenommen.
Ödeme (Wasseransammlungen im Gewebe) werden behandelt, indem Mittel zur vermehrten Flüssigkeitsausscheidung (Diuretika) gegeben werden.
Schwere Nierenentzündungen können zu einer eingeschränkten oder fehlenden Nierenfunktion führen, also einem Nierenversagen (Niereninsuffizienz). Dies erfordert meist eine Dialyse (Blutwäsche), die bei chronischer Nierenerkrankung immer wieder regelmäßig durchgeführt werden muss, um den Körper zu entgiften. Eine Nierentransplantation bietet zuletzt eine Möglichkeit, die Funktion wiederzuerlangen.
Die Prognose lässt sich nicht verallgemeinern, sie ist aber generell besser, je eher die Entzündung behandelt wird. Dabei erschwert der Umstand die Nierenentzündung, dass sich oft über sehr lange Zeit keine besonderen Symptome zeigen. Die Erkrankung wird deshalb meist spät erkannt und kann sich fortentwickeln. Gerade eine Glomerulonephritis, aber auch eine interstitielle Nephritis kann zu einem Nierenversagen bis hin zum Endstadium führen (terminale Niereninsuffizienz). In diesem Fall bleibt nur eine Dialyse (Blutreinigung) oder eine Transplantation der Niere als Behandlungsoption.
aktualisiert am 27.03.2023