12.06.2007 - Der Verlust des Penis, etwa durch Unfall (Penisverletzung) oder Tumorerkrankung, ist ein schwer traumatisierendes Lebensereignis für junge Männer. Mit plastisch-chirurgischen Operationsverfahren gelingt es heute in vielen Fällen, aus körpereigenem Gewebe ein Penoid zu rekonstruieren.
Auch bei Transssexuellen Frau-zu-Mann findet dieses Verfahren Anwendung. Chirurgische Rekonstruktionen des männlichen Gliedes sind auf Grund der komplexen kosmetischen und funktionalen Anforderungen (unter anderem Sexualfunktion, Blasenentleerung) eine große Herausforderung.
Im Jahr 1993 wurde von dem Israeli SADOVE erstmals eine totale Penisrekonstruktion mit einem freien, vom Wadenbein stammenden Haut-Knochen-Lappen (osteocutaneous fibula flap) durchgeführt. Dieses Verfahren wird seitdem mit Erfolg zur Penisrekonstruktion (Phalloplastie) eingesetzt.
Zusätzlich zur Phalloplastik muß dabei eine Rekonstruktion der Harnröhre mit verschiedenen Methoden erfolgen. Die Versteifung wird dabei durch das Wadenbein bewirkt, da das Penoid keine Schwellkörper besitzt. Durch Anschluß der Hautnerven des transplantierten Lappens an die Stümpfe der ursprünglichen Penis-Nerven kann in vielen Fällen eine taktile und erogene Sensibilität erhalten werden.
Türkische Chirurgen stellten in einer Studie die Langzeitergebnisse der fibularen Phalloplastie bei 18 biologisch männlichen Patienten vor, die ihren Penis aus unterschiedlichen Gründen verloren hatten.
Die Männer waren 20 bis 26 Jahre alt und durchschnittlich 5,4 Jahre (ein bis 9 Jahre) nachbeobachtet worden. Die Zufriedenheit der Männer mit ihrem neuen Glied wurde mit einem Fragebogen ermittelt, etwa die Qualität des Orgasmus und Alltagsaktivitäten.
Darüber hinaus wurden radiologische Kontrollen, MRI-Bildgebung und Knochendichtemessungen durchgeführt, um das Schicksal des knöchernen Anteils im neuen Penis zu verfolgen. Die Sensibilität des Gliedes wurde bei 9 Männern zusätzlich geprüft (bulbokavernöser Reflex, somatosensorische evozierte Potenziale). 6 Patienten heirateten, wobei aus 5 Ehen 6 Kinder hervorgingen. Die meisten Patienten und ihre Partner berichteten über lustvollen Geschlechtsverkehr mit Orgasmen.
Im Röntgenbild präsentierten sich die fibularen Knochenanteile im Neophallus als widerstandsfähige Strukturen ohne Resorptions- oder Frakturzeichen. Im MRI waren kortikale Strukturen und Spongiosa mit Knochenmark nachweisbar, typisch für lebendige Knochensubstanz.
Auch im Fall der längsten Nachbeobachtung (neun Jahre) eines solchen Neophallus war die Knochensubstanz voll funktionsfähig. Die Knochendichte des Fibulafragments im Penis war etwas geringer als am ursprünglichen Ort (im Wadenbein). Auch die Empfindungsfähigkeit im Neophallus bzw. im kavernösen Restgewebe erwies sich als weitgehend erhalten.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass es mit der chirurgischen Fibula-Phalloplastie gelingt, einen kosmetisch und funktional fast idealen Penis zu rekonstruieren. Die vorliegenden Befunde beenden nach Ansicht der Autoren jede Diskussion über die mögliche Resorption des knöchernen Anteils im neuen Penis. Die Fibula-Phalloplastie empfiehlt sich demnach als rekonstruktives Standardverfahren nach Penisverlust. (
Dr. Hans Bucher http://www.dr-bucher.com )
Quelle: Sengezer M et al., Long-term follow-up of total penile reconstruction with sensate osteocutaneous free fibula flap in 18 biological male patients, Plast Reconstr Surg 114 (2004) 439–450