Das Leben wird für viele Menschen immer hektischer und ist von starkem Druck geprägt, der sich nicht nur im Job, sondern rund um die Uhr bis in die Freizeit bemerkbar macht. Wie Stressgeplagte zurückfinden zu mehr Ruhe und Gelassenheit, erklärt Dr. Nirmal Herbst. Er ist psychologischer Psychotherapeut der Schlossparkklinik Dirmstein und hat eine Reihe wertvoller Experten-Tipps:
Dr. Herbst: Nicht genug mit einer wachsenden Arbeitsbelastung in den meisten Jobs – Termindruck und der Zwang zum umstrittenen „Multi-Tasking“ nehmen beständig zu. In einer digitalen und leistungsbestimmten Gesellschaft ist beständige Verfügbarkeit Standard. Auch in der Freizeit ist das Smartphone mit mehreren sozialen Netzwerken und E-Mail-Programmen immer mit dabei.
Wer andauernd unter Stress steht und wessen Aufmerksamkeit stetig von allen Seiten gefordert wird, läuft Gefahr, krank zu werden. Erste Anzeichen sind Schlafstörungen, Nervosität, Schwindel und Kopfschmerzen. Alarmsignale sind vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Früher waren vor allem Lehrer oder Krankenschwestern, Unternehmer und Manager von Burnout bedroht. Heute trifft es selbst Schüler. Oder beispielsweise Landwirte – die als Unternehmer unter enormem Arbeits- und Existenzdruck stehen.
Dr. Herbst: Denken Sie positiv. Stress ist für sich gesehen kein Problem, sondern eine instinktive und gesunde Reaktion. Sie geht auf Urzeiten zurück. In Situationen, in denen es galt, sich zu verteidigen oder schnell zu flüchten, musste der ganze Körper auf „Alarmstufe“ umschalten: Er produziert Stresshormone, die Atemfrequenz steigt und alle Kraftreserven werden mobilisiert. Allerdings sollte dieser Stress durch körperliche Aktivität wieder abgebaut und eine Entspannung herbeigeführt werden. Entfällt diese Phase, wird der Stress zum Dauerzustand, wird es kritisch.
Positiver oder Eustress macht sich beispielsweise beim Sport bemerkbar oder dann, wenn wir erfreulichen Dingen entgegenfiebern. Dann geben wir unser Bestes und sind hinterher entspannt und zufrieden.
Negativer Stress ohne diese Ausgleichsphase dagegen belastet und macht auf Dauer krank.
Dr. Herbst: Ja. Positives Denken hilft. Das moderne Schlagwort dazu heißt „Positive Mindset“. Lernen Sie, unter Druck und in schwierigen Situationen positiv zu denken – sehen Sie Herausforderungen anstelle von „Problemen“. Das hilft dem Körper und hindert ihn daran, ein Übermaß an Stresshormonen zu produzieren.
Das bedeutet nicht, mit einer rosaroten Brille durchs Leben zu gehen und Herausforderungen aus dem Weg zu gehen. Es heißt vielmehr, Schwierigkeiten zu akzeptieren und sich ihnen zuversichtlich zu stellen, anstatt sich von Angst, Selbstzweifeln oder Selbstmitleid niedermachen zu lassen. Positives Denken üben, heißt, aus allem nach Möglichkeit das Beste zu machen. Oder das halb volle anstelle des halbleeren Glases zu sehen.
Dr. Herbst: Teilweise ist das tatsächlich so. Sagen Sie entschlossen „Nein“ zum Stress. Menschen, die sich ausschließlich über ihre Arbeit definieren, sind besonders stark von Burnout bedroht oder zunächst von der Angst, nicht ständig alle Anforderungen perfekt zu erfüllen. Auch wer nicht Nein sagen und sich nicht abgrenzen lernt, gerät schnell unter Druck. Strukturen und Prioritäten sind ebenso wichtig: Was ist inhaltlich bedeutsam, was muss zeitnah erledigt werden? Alles, was wichtig und zugleich dringlich ist, kommt ganz oben auf die To-Do-Liste. Bei einem zu großen Arbeitspensum hilft es auch, sich mit Kollegen zu solidarisieren und mit den Vorgesetzen darüber zu sprechen.
Und für den Beruf wie für den Alltag gilt: Angenehme und ruhige Phasen sollten bewusst mit eingeplant werden: Freizeitgestaltung, Treffen mit Freunden, Zeit für den Partner, Sport. All das ist genauso bedeutsam wie der Termin beim Steuerberater oder Arzt. Nur so lässt sich eine vernünftige Balance herstellen.
Dr. Herbst: Es geht darum, sich die kleine Auszeit zwischendurch zu sichern. Ruhig durchatmen, frische Luft schnappen, einen Tee trinken, Spazierengehen und dabei Körper und Geist entspannen müssen möglich sein und eingeplant werden. Das danken nicht nur die Muskulatur und der Kreislauf. Auch das Gehirn erhält seine Spannkraft zurück. Es ist wissenschaftlich bewiesen: Ein zügiger Spaziergang durchblutet wichtige Gehirnareale und steigert ihre Aktivität um über 30%. Wer sich diese Zeit nimmt, kann sich hinterher wieder besser konzentrieren und wichtige Details besser merken. Außerdem werden Endorphine ausgeschüttet und die gesamte Stimmung hebt sich.
Dr. Herbst: Wer ständig überfordert wird und das Gefühl hat, im Chaos zu versinken, sollte zumindest äußerlich für Ordnung sorgen. Ein aufgeräumter Schreibtisch und eine gewisse Übersicht sind hilfreich, unüberschaubare Aktenberge wirken dagegen niederdrückend.
Dr. Herbst: Eine gesunde und ausgewogene Ernährung hilft dabei, „stabil“ zu bleiben. Wichtig ist es, ausreichend zu trinken – nicht nur Kaffee, auch Tees oder Wasser. Schlafrituale und Schlafhygiene sind ausschlaggebend für ausreichende Ruhezeiten. Auch hier kann ein Verzicht auf koffeinhaltige Getränke oder Alkohol einige Stunden vor der Bettruhe Wunder wirken.
Einige Menschen kommen zwar mit sehr wenig Schlaf aus, aber sieben bis acht Stunden Nachtruhe sind für die Mehrheit notwendig, um Körper und Geist ausreichend zu regenerieren.
Weitere Informationen über die Schlossparkklinik in Dirmstein.
Letzte Aktualisierung am 12.05.2022.