Neben der Neurofibromatose Typ 1 und Typ 2 wird eine weitere Erkrankung innerhalb der Gruppe der Neurofibromatosen unterschieden. Die Bezeichnung für diesen dritten Typ lautet Schwannomatose (SWN). Der Ausdruck Neurofibromatose Typ 3 wird manchmal ebenfalls verwendet, ist aber eher unüblich. Neurofibromatosen sind Erbkrankheiten, bei denen sich meist gutartige Tumoren an Nervengewebe bilden.
Lange Zeit galt die Schwannomatose nicht als eigenständige Krankheit. Erst die Möglichkeiten der Molekulargenetik haben eine Abgrenzung des Krankheitsbildes insbesondere von der Neurofibromatose Typ 2 (NF2) ermöglicht. Die Diagnose der Schwannomatose erfordert dennoch eine hohe Aufmerksamkeit des behandelnden Arztes. Es handelt sich um eine seltene Form der Neurofibromatosen, die in ihrer Symptomatik der NF2 ähnelt. Neben einigen genetischen Kriterien dienen nur wenige Anzeichen der Krankheit der eindeutigen Unterscheidung. Insbesondere verursachen die entstehenden Tumore (Schwannome) häufig Schmerzen.
Schwannome sind Tumoren, welche überwiegend von den peripheren Nerven, also nicht vom Gehirn oder Rückenmark ausgehen. Meist handelt es sich um einen gutartigen Tumor, der nach außen von einer Kapsel umschlossen wird. Das Wachstum des Tumors geht von den Schwann-Zellen (Schwannschen Hüllzellen) aus. Deren Aufgabe besteht darin, die Nerven vor mechanischen Kräften zu schützen und ihnen Halt zu verleihen. Zudem bilden sie eine Umhüllung, mit der die Nervenzelle ähnlich eines Stromkabels isoliert wird.
Zwar kann bei Schwannomen von einem langsamen Wachstum ausgegangen werden, doch können sie eine Größe von mehreren Zentimetern erreichen.
Der Typ 3 der Neurofibromatosen kann anhand seiner genetischen Veränderungen weiter in drei Erscheinungsformen unterteilt werden:
Schmerzen sind ein für die Schwannomatose typisches Krankheitszeichen. Die Patienten berichten überwiegend von brennenden und stechenden Beschwerden. Betroffene geben weiterhin an, die Schmerzen ähnlich eines leichten Stromschlages oder als Kribbeln zu verspüren. Auffallend ist eine Häufung der Schmerzen in Form von Schmerzattacken, welche vor allem nachts wahrgenommen werden. Bisweilen kann der Schmerz bereits durch geringe äußere Reize, beispielsweise eine leichte Berührung, ausgelöst werden (Allodynie).
Schmerzen bei einer Schwannomatose können darüber hinaus in Form eines neurologischen Symptoms auftreten. Hierzu zählen die sogenannten Parästhesien sowie ein Taubheitsgefühl. Unter einer Parästhesie wird eine Störung der Empfindlichkeit eines Körperteils oder Areals verstanden, ohne dass ein erkennbarer äußerer Anlass vorhanden wäre. Eine typische Parästhesie ist das kurzzeitige Einschlafen der Arme oder Beine.
Die Erkrankung äußert sich zudem in Missempfindungen, welche durch ein Brennen oder ein übermäßiges Wärme- oder Kältegefühl wahrgenommen werden. Daneben kann es zu Funktionsstörungen wie einer Blasenschwäche oder einer eingeschränkten Darmbewegung kommen.
Die Anzahl der Tumoren scheint auf die Intensität der Schmerzen keinen Einfluss zu haben. Indes wird ein Zusammenhang zwischen den auftretenden Schmerzen und dem Fortschreiten der Tumorerkrankung (Tumorlast) beschrieben.
Die Zugehörigkeit von Meningeomen zum Krankheitsbild der Schwannomatose ist nicht eindeutig. Meningeome sind Tumore, welche ihren Ursprung an den Gehirnhäuten von Gehirn und Rückenmark besitzen. Das Krankheitsbild der multiplen (in Mehrzahl auftretenden) Meningeome kann nur selten der Schwannomatose zugerechnet werden. Typische Symptome von Meningeomen wie Kopfschmerzen, Erbrechen, epileptische Anfälle oder Sehstörungen fehlen daher bei der Schwannomatose meist.
Patienten mit einer Schwannomatose beschreiben Schmerzen insbesondere im Bereich der Arme und Beine. Ebenso können der Rumpf, das Gesicht sowie der Nacken betroffen sein. Dagegen ist selten von einer Beteiligung der Hände und Füße auszugehen. Die Verteilung der Schmerzen scheint keinem einheitlichem Muster zu folgen.
Bei einer Minderung der körperlichen Funktionen kommt es zu einer Einschränkung im Alltag der Patienten. Die negative Wahrnehmung der eigenen Gesundheit und der vorhandenen Schmerzen führen zu einer messbaren sowie subjektiven Abnahme der Lebensqualität. Psychische Auffälligkeiten können sich ergeben, da Betroffene zu Depressionen und nervösen Störungen neigen. Schlafstörungen und Erschöpfungszustände haben ihren Ursprung möglicherweise sowohl in der psychischen Problematik als auch in den häufigen Schmerzzuständen.
Da die Schwannomatose wie alle Neurofibromatosen zu den vererbbaren Krankheiten zählt, kommt der genetischen Untersuchung eine besondere Bedeutung zu.
Beim Vorhandensein einer genetischen Veränderung (Mutation) des Patienten, die eindeutig für eine Neurofibromatose Typ 2 steht, kann eine Neurofibromatose Typ 3 (Schwannomatose) ausgeschlossen werden. Gleiches gilt, wenn bei einem Verwandten ersten Grades eine NF2-Erkrankung bekannt ist. Bei Störungen des achten Hirnnerven (dem Hör- und Gleichgewichtsnerv) ist nicht von einer SWN auszugehen. Dies betrifft demnach die Beeinträchtigung des Gleichgewichts sowie des Hörvermögens. So führt die Diagnose eines beidseitigen Schwannoms an diesem Nervenstrang (Vestibularisschwannom) zum Ausschluss einer Schwannomatose, da dies das wichtigste Zeichen einer NF2 ist. Als Kriterium gegen eine Schwannomatose gilt auch das Auftreten eines Grauen Stars (Katarakt).
Bei etwa 20 Prozent aller Betroffenen kann in der Familie eine entsprechende Krankheit nachgewiesen werden. Gleichfalls gesichert kann von einer Schwannomatose ausgegangen werden, wenn die Symptome nach dem 30. Lebensjahr in Erscheinung treten. Typisch für die Erkrankung sind wenigstens ein, meistens jedoch eine Vielzahl schmerzauffälliger Schwannome.
Bislang sind keine einheitlichen Empfehlungen für eine Therapie vorhanden. Das Mittel der Wahl ist die chirurgische Entfernung der Tumoren, falls sie Schmerzen verursachen oder zu Funktionsausfällen führen. In den meisten Fällen führt die Operation zu einer deutlichen Linderung bis hin zur Beseitigung der Schmerzen. Allerdings muss auf den seltenen Fall einer Verletzung von Nerven hingewiesen werden. Dieses Risiko kann im Anschluss an eine Operation eine Zunahme der Schmerzsymptomatik bewirken.
Ein chirurgischer Eingriff am Nerven bedeutet für den Patienten ein besonderes Maß an Vertrauen dem Operateur gegenüber. Das Ziel einer Operation ist einerseits, den Tumor weitestgehend zu entfernen. Gleichzeitig soll der Nerv möglichst erhalten bleiben, sodass seine Funktionen nicht verloren gehen. Diese Aufgabe kann mithilfe eines Operationsmikroskopes erfüllt werden. Bei einem Schwannom wird der vom Tumor betroffene Anteil des Nervs herausgeschnitten, wobei ein kleiner Anteil der Nervenfasern verloren geht.
Trotz aller Vorsicht kann die Entfernung eines Schwannoms zu einem teilweisen Ausfall von Körperfunktionen führen. Meist können diese vom Patienten selbst wieder antrainiert werden. In einigen Fällen kann eine krankengymnastische Behandlung nach einer solchen Operation notwendig werden. Die Tumoren neigen zu einem zunehmenden Größenwachstum, daher ist ein Abwarten in den meisten Fällen nicht angezeigt. Dies führt zu einer Verschlimmerung der Schmerzen und lässt die Chancen auf eine erfolgreiche Entfernung des Schwannoms kleiner werden.
Die andere Säule bei der Behandlung der Schwannomatose besteht in der Verabreichung von schmerzstillenden Medikamenten. Dies mag umso wichtiger sein, da bei nur 39 Prozent aller operierten Patienten eine völlige Schmerzfreiheit erreicht werden kann. Wirksam verabreicht werden nichtsteroidale Antirheumatika, beispielsweise Ibuprofen, oder Opioide. Daneben kommen Substanzen zum Einsatz, welche selbst nicht zu den Schmerzmitteln (Analgetika) zählen. Vor allem Antidepressiva (Mittel zur Behandlung von Depressionen) und Antikonvulsiva (Mittel zur Behandlung von Krampfanfällen) sind als sogenannte Co-Analgetika von Bedeutung. Diese sind in der Lage, das körpereigene System zur Hemmung von Schmerzen zu verstärken.
Die Bestrahlung von Schwannomen wird als kritisch angesehen. Insbesondere bei einer erblichen Veranlagung für die Ausbildung von Tumoren, wie es bei der Schwannomatose der Fall ist, kann sich eine bösartige Entartung zu Krebszellen ergeben. Für die Behandlung mit Antikörpern bestehen derzeit noch keine Langzeitergebnisse.
orpha.net, Prof. Dr. Victor-Felix Mautner; Dr. Said Farschtschi – Schwannomatose - Patientenorientierte Krankheitsbeschreibung aus dem ACHSE Netzwerk: https://www.orpha.net/data/patho/Pub/Ext/de/NeurofibromatoseTyp3_DE_de_PUB_ORPHA93921.pdf (online, letzter Abruf 12.02.2021)
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Leading Medicine Guide, Prof. Dr. med. Götz Penkert – Nerventumoren - Medizinische Experten: https://www.leading-medicine-guide.de/erkrankungen/tumoren/nervenkrebs (online, letzter Abruf 12.02.2021)
aktualisiert am 12.02.2021