Die Neurofibromatose (Morbus Recklinghausen) ist eine Erbkrankheit, bei der sich vielfach Tumore bilden, die meist gutartig sind. Die Tumore (zum großen Teil Neurofibrome) finden sich an den Nerven und an der Haut. Außerdem sind für die Neurofibromatose Flecken auf der Haut (Café-au-lait-Flecken) charakteristisch. Die Erkrankung kann den Betroffenen stark beeinträchtigen, die Tumore können zu Komplikationen führen und außerdem kann es zu starken kosmetischen Auffälligkeiten kommen. In einigen Fällen entarten die Knoten zu bösartigen Tumoren. Die Neurofibromatose lässt sich nicht heilen. Zur Therapie werden die Wucherungen entfernt, die sich allerdings immer wieder neu bilden können.
Bei der Erbkrankheit Neurofibromatose werden zwei Varianten unterschieden. Beim Typ I (Morbus Recklinghausen) liegt der genetische Defekt auf dem Chromosom 17, beim Typ II befindet sich der Defekt auf dem Chromosom 22. Sie führen zu etwas voneinander abweichenden Krankheitsbildern.
Etwa zur Hälfte werden die Defekte vererbt. Der Erbgang ist autosomal dominant, was bedeutet, dass die Krankheit sich ausprägt, wenn nur eines der beiden Elternteile das Gen weitergegeben hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine betroffene Person die Erkrankung an ein Kind weitergibt, beträgt 50 Prozent.
Zur Hälfte sind die Erbgutdefekte aber auch komplett neu entstanden (Mutation), ohne dass ein Elternteil betroffen ist.
Die Veränderung des Erbguts führt dazu, dass wichtige Enzyme nicht gebildet werden, die Vorgänge am Nervengewebe regulieren. Das führt zur vielfachen Entstehung von mehreren Arten von Tumoren.
Charakteristisch für die Neurofibromatose ist zum einen die massenhafte Entstehung von Wucherungen, zum anderen die Ausbildung von Hautflecken (Café-au-lait-Flecken). Vom Erscheinungsbild her unterscheiden sich Typ I und Typ II der Erkrankung aber voneinander. Typ I (der eigentliche Morbus Recklinghausen) betrifft etwa eins von 3000 Neugeborenen, Typ II tritt ungefähr zehnmal seltener auf als Typ I. Damit gehört der Morbus Recklinghausen zu den häufigeren Erbkrankheiten.
Morbus Recklinghausen oder Neurofibromatose Typ I wird zunächst durch die Flecken an der Haut auffällig, die im ersten Lebensjahr aufkommen. Es handelt sich um die so genannten Café-au-lait-Flecken, die braun gefärbt und scharf begrenzt sind. Vielzahlige kleine Flecken kommen nach und nach hinzu. Diese finden sich besonders unter den Achseln und in der Leistengegend. Später, um das zehnte Lebensjahr, kommen Knötchen an der Haut hinzu. Sie sind Millimeter bis Zentimeter groß, hautfarben und weich und können in die Haut eingedrückt werden. Diese Knötchen jucken und schmerzen. Die üblichen Knötchen werden als Neurofibrome bezeichnet und bestehen aus Vermehrungen von Bindegewebe und Nervengewebe. Auf der Regenbogenhaut des Auges (Iris) können knotenartige Pigmentvermehrungen (Lisch-Knötchen) bemerkt werden. Weitere Folgen der Erbkrankheit sind häufig und betreffen etwa die Hälfte der Fälle. So können Störungen wie eine Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose) und ein Kleinwuchs sowie einige Veränderungen an Knochen eintreten. Herz-Kreislauf-Erkrankungen treten ebenfalls gehäuft auf. Tumore können sich am zentralen Nervensystem entwickeln und unter Umständen zu starken Beeinträchtigungen führen. Einige Betroffene zeigen eine Lernschwäche und können sich nicht richtig konzentrieren.
Neurofibromatose Typ II oder zentrale Neurofibromatose ist im Gegensatz zum anderen Typ durch deutlich weniger Knötchen an der Haut und Café-au-lait-Flecken gekennzeichnet. Die Symptome prägen sich durchschnittlich auch erst im jungen Erwachsenenalter aus. Beim Typ II ist ein Tumor am Hörnerv (Akustikusneurinom) charakteristisch, er tritt in den allermeisten Fällen auf und findet sich meist auf beiden Seiten. Die Folge der Tumore ist ein beeinträchtigter Hör- und Gleichgewichtssinn, auffällig wird ein unbeholfener Gang. Viele Betroffenen klagen über Ohrgeräusche (Tinnitus). Zudem können Tumore wie Meningeome (Tumore der Hirnhaut) entstehen. An weiteren Nerven können Tumore z. B. zu Lähmungen führen. Am Auge kann es zu Veränderungen an der Linse kommen (grauer Star, Katarakt), das Sehen kann beeinträchtigt sein.
Bei einer Neurofibromatose kann sich in einigen Fällen aus einer der harmlosen Wucherungen ein bösartiger Tumor entwickeln. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei ungefähr fünf Prozent der Patienten.
Nach einer Anamnese (Arzt-Patienten-Gespräch beziehungsweise Arzt-Eltern-Gespräch) erfolgt eine gründliche körperliche Untersuchung. Das wichtigste Kriterium sind die bräunlichen Café-au-lait-Flecken: Finden sich von ihnen sechs oder mehr mit einem Durchmesser über 1,5 Zentimetern, gilt dies als charakteristisch für die Neurofibromatose (Morbus Recklinghausen). Einen deutlichen Hinweis gibt auch das Vorhandensein solcher Erbkrankheiten bei Verwandten des Patienten.
Die Neurofibromatose (Morbus Recklinghausen) muss weiter abgeklärt werden, um eventuelle Komplikationen und Folgen beurteilen zu können. Dazu erfolgt nicht nur die Untersuchung der Haut, sondern auch eine Blutuntersuchung auf das veränderte Erbgut, Röngtenuntersuchung von Kopf und Wirbelsäule, ein Hörtest sowie weitere Untersuchungen. Der Augenarzt schaut nach den Lisch-Knötchen an der Iris des Auges, weil diese bei der Neurofibromatose Typ I vorkommen, aber nicht bei der Neurofibromatose Typ II. Ebenfalls notwendig ist die Beurteilung durch einen Neurologen (Funktionen des Nervensystems) sowie einen Psychologen.
Café-au-lait-Flecken sind zwar eine übliche Erscheinung bei Neurofibromatose, in seltenen Fällen können sie aber auch unabhängig von der Erkrankung auftreten. Eine Lernschwäche kann ebenfalls unabhängig von einer Neurofibromatose bestehen wie z. B. bei ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom). Es gibt auch Betroffene, bei denen das Krankheitsbild kaum auffällig wird und eine Neurofibromatose gar nicht diagnostiziert wird.
Eine Therapie, um die Erkrankung zu heilen oder die Tumore und Folgen zu verhindern, existiert leider nicht. Störende oder verdächtige Tumore werden mit chirurgischen Maßnahmen entfernt.
Die Tumore sollten beseitigt werden, wenn sie bösartig sind, wenn Schmerzen bestehen, wenn sie rasch wachsen, wenn sie den Patienten behindern oder auch wenn sie die Ästhetik stark beeinträchtigen. Tumore wie das Akustikusneurinom (Tumor am Hör- und Gleichgewichtsnerv) oder andere Wucherungen am zentralen Nervensystem sollten beizeiten entfernt werden - sofern sie ohne größere Bedenken operiert werden können. Oft liegen sie nämlich ungünstig an Nerven, dass eine Operation die Nerven beschädigen kann und etwa Lähmungen auslösen kann. Falls ein Akustikusneurinom entfernt wurde und das Hören sich verschlechtert hat, können Hilfsmittel wie ein Hirnstammimplantat oder ein Cochlea-Implantat (Hörschneckenimplantat) sinnvoll sein.
Bösartige Tumore im Rahmen einer Neurofibromatose können statt mit der Operation auch mittels Strahlentherapie oder Chemotherapie behandelt werden.
Ergeben sich zusätzliche Störungen wie eine Epilepsie, dann kann eine Therapie mit Medikamenten erforderlich sein. Weitere erforderliche Therapien können durch den HNO-Arzt, den Augenarzt, den Chirurgen oder den Orthopäden durchgeführt werden.
Bei Lernschwierigkeiten werden die Betroffenen entsprechend betreut und unterstützt. Unter Umständen kann eine Psychotherapie helfen, mit der Erkrankung und ihren Folgen umzugehen. Auch Selbsthilfegruppen bieten eine gute Möglichkeit, sich mit Leidensgenossen auszutauschen.
Etwa ein Drittel der Patienten mit Neurofibromatose ist im Leben kaum beeinträchtigt, weitere Betroffene haben nur leichte Schwierigkeiten und bei den anderen Betroffenen kommt es zu Komplikationen wie Lähmungen, Hörverlust oder Sehstörungen oder auch bösartigen Tumoren. Die Lebenserwartung von Menschen mit Neurofibromatose (Morbus Recklinghausen) ist nur bei einem Zehntel der Betroffenen deutlich herabgesetzt.
Jeder Betroffene, der an einer Neurofibromatose erkrankt ist, sollte sich mindestens jedes Jahr einmal zur ärztlichen Kontrolle gehen, gegebenenfalls auch öfter. So lassen sich drohende Komplikationen oder bösartige Tumoren ausschließen oder rechtzeitig entdecken.
aktualisiert am 09.12.2022