Andauernder Drehschwindel, Erbrechen und Übelkeit - diese und andere Symptome können die Folge einer Schädigung des Gleichgewichts-Nerven und für den Betroffenen äußerst unangenehm sein. Sie können aber auch Begleiterscheinungen eines Schlaganfalls sein, der zu gravierenden bleibenden Gesundheitsschäden bis hin zum Tod führen kann. Neben dem Schwindel, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit können Symptome wie plötzliche Lähmungen, Sprachstörungen, Sehstörungen oder Taubheitsgefühl auf einen Schlaganfall hinweisen. Diese müssen aber nicht vorhanden sein und die Abgrenzung zu einer Neuritis vestibularis ist daher bisweilen schwierig. Bei der Behandlung eines Schlaganfalls zählt buchstäblich jede Minute. Aus diesem Grund ist eine möglichst rasche Diagnose von kompetenter medizinischer Seite unerlässlich.
Die modernen bildgebenden Verfahren sind aus der Medizin nicht mehr wegzudenken und haben auf vielen Gebieten immense Fortschritte gebracht. Sie haben jedoch auch ihre Schwächen. Beispielsweise ist in der frühen Phase eines Kleinhirn- oder Hirnstamm-Infarkts die Gefahr gegeben, dass das Infarktareal noch recht klein ist und übersehen wird. In diesen Fällen kann die Beobachtung anderer Merkmale schneller und sicherer Aufschluss über einen möglichen Schlaganfall geben.
Ein spezifisches Indiz für einen Schlaganfall ist gegeben, wenn die Augen in vertikaler Richtung einen Winkel zueinander bilden (vertikale Divergenz der Augäpfel). Beispielsweise blickt ein Auge geradeaus und das andere nach unten. Eher für eine Neuritis vestibularis sprechen Korrektursakkaden nach einer Kopfdrehung: Hierbei versuchen die Augen ruckartig den Wechsel der Blickrichtung auszugleichen. Eine Unterdrückung möglicher Pendelbewegungen der Augen bei der Augenfixierung spricht ebenfalls für eine Neuritis vestibularis.
Ob es sich um einen Schlaganfall oder eine zwar ebenfalls unangenehme, aber weitaus harmlosere Neuritis vestibularis handelt, kann anhand einiger einfacher Tests geklärt werden. Einer der Tests ist der horizontale Kopfimpulstest. Während der Patient einen bestimmten Punkt fixiert, nimmt der Arzt den Kopf des Patienten in beide Hände und bewegt ihn rasch um einige Grad zur Seite hin. Bei einem unauffälligen Befund wird der Proband den Richtungswechsel durch eine fließende, zügige Augenbewegung ausgleichen. Der Ausgleich mittels einer Korrektursakkade, also der ruckhafte Ausgleich, spricht für eine Neuritis vestibularis.
Beim Nystagmus-Test wird die bei der Neuritis vestibularis häufig auftretende horizontale Pendelbewegung der Augen näher betrachtet. Die Pendelbewegung richtet sich zu der nicht betroffenen Seite hin und lässt sich durch eine Fixierung des Auges unterdrücken. Wird die Fixierung aufgehoben, verstärkt sich die Pendelbewegung. Der Blick in die Richtung der Pendelbewegung soll ebenfalls zu dessen Intensivierung sorgen.
Als dritter Test wird die vertikale Divergenz (Abweichung) der Augen untersucht. Eine unterschiedliche Höhe der Blickrichtung der Augen ist ganz typisch für einen Schlaganfall und bei einer Neuritis vestibularis im allgemeinen nicht zu beobachten.
Eine 2010 durchgeführte Studie zeigt, dass diese einfache Unterscheidungsmöglichkeit der Neuritis vestibularis von einem Schlaganfall effizient ist. 101 Studienteilnehmer wurden sowohl mit bildgebenden Verfahren als auch mit den drei oben vorgestellten Tests untersucht. 76 Patienten hatten tatsächlich einen Schlaganfall erlitten und wurden mit den drei Tests identifiziert. Bei weiteren vier Prozent wurde zunächst mit der einfachen Testmethode fälschlicherweise ein Schlaganfall diagnostiziert. Bei der Auswertung der CT- oder MRT-Aufnahmen konnte bei 12 Prozent der Schlaganfall-Patienten die Erkrankung in einem frühen Stadium nicht diagnostiziert werden.
aktualisiert am 25.02.2020