Die Neuritis vestibularis wird meist durch eine einseitige Funktionsstörung beziehungsweise den einseitigen Ausfall des Gleichgewichtsorgans hervorgerufen. Ursache des Drehschwindels ist die Entzündung des Gleichgewichtsnerven. Die Neuritis vestibularis kann für den Betroffenen äußerst unangenehm sein. Nicht selten hält der Drehschwindel sowohl bei Bewegungen als auch in Ruhe über Tage an und wird von Übelkeit, Erbrechen oder Fallneigung begleitet.
Die gute Nachricht ist, dass an Neuritis vestibularis erkrankte Patienten gute Heilungschancen haben. Die Beschwerden klingen meist nach ein bis zwei Wochen wieder ab, Rückfälle sind selten. Der Heilungsprozess wird durch die rasche Mobilisation ebenso gefördert wie durch die Gabe geeigneter Medikamente. Aber auch der Betroffene selbst kann nach einer anfänglichen Phase der Bettruhe selbst entscheidend durch regelmäßiges Gleichgewichtstraining zu einer zügigen Genesung beitragen.
Bei der Neuritis vestibularis handelt es sich um eine akute Erkrankung. Mit der Therapie sollte begonnen werden, sobald es der Zustand des Patienten zulässt. Dann stehen die Chancen für eine vollständige und rasche Genesung gut. Grundsätzlich stehen (neben der vestibulären Rehabilitationstherapie) auch sogenannte Befreiungsmanöver bei anhaltendem Schwindel als Therapieform zur Disposition. Die Manöver werden von einem erfahrenen Therapeuten, Arzt oder vom Patienten selbst durchgeführt. In ihrem Verlauf werden in einer festgelegten Abfolge unterschiedliche Kopf-Positionen eingenommen. Sinn ist es, die aus ihrer ursprünglichen Lage geratenen Steinchen im Gleichgewichtsorgan wieder an ihren Ursprungsort zu befördern. Zur Behandlung einer entzündlichen Erkrankung des Gleichgewichtsnerven ist diese Therapie allerdings nicht geeignet. Hier hilft die vestibuläre Rehabilitationstherapie weiter.
In den 1940er Jahren legten die beiden englischen Ärzte Cawthorne und Cooksey die Basis für die vestibuläre Rehabilitationstherapie. Ursprünglich handelte es sich um eine Gruppentherapie, im Verlauf derer die Patienten Übungen mit dem Kopf und den Augen durchführten. Auch Ganzkörperübungen wie Ballspielen und Leitersteigen waren Teil des Konzepts. Heute wird das Programm individuell durchgeführt und beinhaltet Übungseinheiten, die von den Betroffenen selbstständig zu Hause absolviert werden. Entscheidend für den Erfolg ist das regelmäßige Üben. Idealerweise werden die Übungen in den Alltag integriert und mehrmals täglich wiederholt. Für den therapeutischen Erfolg ist es unabdingbar, dass während der Übungen der Schwindel ausgelöst wird. Auf diese Weise kann das Gehirn lernen, mit der Situation umzugehen. Allerdings sollte eine Überforderung, die zu Erbrechen oder sogar zu einer Sturz-Situation führen kann, unbedingt vermieden werden. Das Motto lautet also, den Gleichgewichtssinn zwar zu reizen, aber nicht zu überreizen.
Bei dieser Übung wird bei gestrecktem Arm der Daumen fest mit dem Blick fixiert. Dann wird der Kopf zügig von links nach rechts und wieder zurück bewegt. Die Augen bleiben dabei auf den Daumen gerichtet. Das Kopfdrehen wird dreimal für 30 bis 60 Sekunden ausgeführt. Anschließend wird aus der gleichen Grundposition heraus die gleiche Übung in der Vertikalen absolviert. Der Kopf wird rasch von oben nach unten und wieder zurück nach oben bewegt. Auch diese Übung wird dreimal für 30 bis 60 Sekunden wiederholt.
Um eine Überreizung und deren unangenehmen, teils sogar gefährlichen Folgen zu vermeiden, wird diese Übung zunächst im Sitzen durchgeführt. Erst wenn kein Schwindel und keine Unsicherheit mehr auftritt, kann im Stehen und dann sogar im Gehen geübt werden. Ein gutes Mittel, um anfängliche Schwierigkeiten zu überwinden kann es sein, die Bewegungen zunächst in einem kleinen Winkel auszuführen und diesen dann nach und nach zu erweitern.
Zur Gleichgewichtsübung werden als Hilfsmittel ein Stuhl und ein Kissen benötigt. Zu Beginn werden die Füße etwa hüftbreit auf das Kissen gestellt und ein möglichst ruhiger Stand wird eingenommen. Anschließend wird der Stand immer enger gewählt, bis sich beide Füße berühren. Die Übung sollte etwa zehnmal mit einer Dauer von jeweils 30 Sekunden ausgeführt werden. Wenn diese Variante unproblematisch zu bewältigen ist, wird der einbeinige Stand auf dem Kissen geübt und so lange wie möglich beibehalten. Auch bei dieser Übung gilt: Sicherheit geht vor Therapieerfolg. Aus diesem Grund wird ein Stuhl in Reichweite aufgestellt, um sich notfalls an dessen Lehne abstützen und einen Sturz vermeiden zu können. Soweit möglich, sollte das Festhalten mit der Zeit mehr und mehr reduziert werden.
Die Gangübung wird entlang einer geraden Linie durchgeführt. Hierzu kann die Fuge zwischen zwei Bodendielen dienen. Aber auch eine dünne, extra zu diesem Zweck ausgelegte Leine ist geeignet. Bei der Verwendung einer Leine muss unbedingt darauf geachtet werden, dass es beim versehentlichen Betreten nicht zu Sturz-Situationen kommen kann. Ein enger Gang, an dessen Wände man sich im Notfall festhalten kann, ist zum Üben ideal. Beim Entlanggehen an der Linie wird bei jedem dritten Schritt der Kopf abwechselnd nach links und nach rechts gedreht. Auf dem Rückweg wird die gleiche Übung in der Vertikalen ausgeführt. Am besten ist es, wenn die Bewegung in der Neutralstellung nicht unterbrochen wird. Eine kontinuierliche Aufwärts- und Abwärtsbewegung ist der Idealfall. Die Augen werden dabei abwechselnd auf ein festes Ziel gerichtet oder machen die Bewegung mit. Die Übungsdauer sollte, wenn möglich, etwa fünf Minuten betragen. Werden diese Übungen regelmäßig absolviert, stehen die Chancen gut, dass sich das Gleichgewichtsorgan bald wieder gänzlich erholt.
aktualisiert am 04.11.2016