Stress ist nicht als Ursache für eine Netzhautablösung im eigentlichen Sinne bekannt. Allerdings kann Stress eine eigenständige Erkrankung auslösen, die als eine Art Netzhautablösung beschrieben werden kann, nämlich die Retinopathia centralis serosa (RCS). Bei dieser Augenkrankheit sammelt sich Flüssigkeit unter der Netzhaut im zentralen Bereich an und die Netzhaut hebt sich dort vom Untergrund ab. Das führt zu Beschwerden wie einem grauen Fleck im mittleren Sichtfeld, verschwommenem und verzerrtem Sehen oder veränderter Farbwahrnehmung. An RCS erkranken am weitaus häufigsten Männer im jüngeren bis mittleren Lebensalter (zwischen 20 und 50 Jahren). Das Leiden steht häufig im Zusammenhang mit Stress. Aus diesem Grund wird gelegentlich auch der Begriff Managerkrankheit des Auges verwendet. Anders als bei der „tatsächlichen“ Netzhautablösung muss normalerweise keine Augenoperation durchgeführt werden und die Prognose von RCS ist meist günstig.
Die Retinopathia centralis serosa entsteht, wenn Flüssigkeit aus der Aderhaut abgeht und sich im Spalt zwischen der Netzhaut und der Aderhaut oder dem sogenannten Pigmentepithel ansammelt. An dieser Stelle kommt es durch die Flüssigkeit zu einer kleinen Ablösung der Netzhaut. Da der Bereich in der Mitte der Netzhaut liegt, kommt es zu mehr oder weniger starken Beeinträchtigungen des Sehens.
Ein hauptsächlicher Risikofaktor für RCS ist Stress. Personen, die beruflich oder privat einer hohen Stressbelastung ausgesetzt sind, bekommen mit höherer Wahrscheinlichkeit diese Erkrankung als andere Menschen. Ein Großteil der Betroffenen sind berufstätige Männer. Eine Typ-A-Persönlichkeit, die durch hohe Leistungsbereitschaft, aber auch Ungeduld, Aggressivität und häufige Verärgerung gekennzeichnet ist, wird mit dem Auftreten von RCS in Verbindung gebracht. Dabei spielt ein höherer Blutspiegel von Cortisol, das zu den Stresshormonen gehört, eine Rolle. Durch dessen Wirkung kann aus den Blutgefäßen der Aderhaut vermehrt Flüssigkeit nach außen gelangen. Darüber hinaus können die Gabe von Cortison-Präparaten, der Magenkeim Helicobacter pylori, Schlafstörungen, Bluthochdruck oder Erkrankungen mit Angriff des eigenen Immunsystems (Autoimmunkrankheiten) das Erkrankungsrisiko vergrößern.
RCS kann sich mit den folgenden Symptomen bemerkbar machen:
Die abgehobene Netzhaut im Zentrum verschlechtert die Sehschärfe, besonders das Lesen ist typischerweise beeinträchtigt. In den meisten Fällen ist ein Auge betroffen, die Krankheit kann sich jedoch auch an beiden Seiten ausprägen.
Anzeichen von RCS sind ein Anlass, sich zum Augenarzt zu begeben. Hinweisend sind die Erläuterungen der Symptome im Untersuchungsgespräch (Anamnese), vor allem zusammen mit der Beschreibung, unter Stress zu stehen. Beim Sehtest kann eine Herabsetzung der Sehschärfe und eine durch die Vorwölbung der Netzhaut entstandene Weitsichtigkeit festgestellt werden. Beim Blick auf ein sogenanntes Amsler-Netz (eine Tafel mit Gitterlinien) werden die optischen Verzerrungen deutlich. Die Veränderungen an an der Netzhaut lassen sich durch ein augenärztliches Gerät (OCT = optische Kohärenz-Tomographie) darstellen. Eine weitere wichtige Untersuchung ist die Fluoreszenz-Angiographie (eine Farbstoffaufnahme des Augenhintergrundes).
Bei einer RCS ist in vielen Fällen keine Therapie notwendig, denn oftmals erholt sich das Sehvermögen innerhalb von drei bis sechs Monaten wieder. Bei einigen Erkrankten heilt das Augeninnere jedoch nicht wieder ab (chronische RCS) oder es kommt erneut zu Veränderungen (Rezidiv). Dann kommen Maßnahmen wie eine Lasertherapie oder eine photodynamische Therapie in Betracht, um die Netzhautabhebung zu bessern und Komplikationen zu verhindern. Zusätzlich helfen Entspannungsverfahren und Methoden zur Stressbewältigung.
Da es sich bei der RCS nicht um eine „übliche“ Netzhautablösung handelt, die akut zu dauerhaft eingeschränktem Sehen bis hin zur Erblindung führen kann, sind die Aussichten vergleichsweise besser. Die Flüssigkeit unter der zentralen Netzhaut geht meist wieder weg. Menschen mit RCS können nach etwa drei bis sechs Monaten oft wieder normal sehen. Jedoch können eine verschlechterte Sehschärfe, verzerrtes Sehen oder abnormale Farb- oder Kontrastwahrnehmung bestehen bleiben. Ein erneutes Auftreten (Rezidiv) ist aber ebenso möglich wie in seltenen Fällen eine chronische Erkrankung. Bei einem Teil der Betroffenen kommt es über längere Zeit zur Neubildung von Blutgefäßen (Neovaskularisation) im Auge. Dies kann zu weiteren Schäden führen und Folgebehandlungen nach sich ziehen.
Deutsches Ärzteblatt – Stress kann Sehstörungen auslösen: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/59901/Stress-kann-Sehstoerungen-ausloesen (online, letzter Abruf: 05.08.2021)
AAO (American Academy Of Ophthalmology), Daniel Porter – What is Central Serous Chorioretinopathy?: https://www.aao.org/eye-health/diseases/what-is-central-serous-retinopathy (online, letzter Abruf: 05.08.2021)
Pharmazeutische Zeitung – Managerkrankheit des Auges: Sehstörungen durch Stress: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/2014-08/managerkrankheit-des-auges-sehstoerungen-durch-stress/ (online, letzter Abruf: 05.08.2021)
aktualisiert am 05.08.2021