Nervenschmerzen sind Schmerzen, die ihren Ursprung im Nerven selbst oder dessen direkter Umgebung haben. Sie treten in dem Gebiet auf, das von diesem Nerven versorgt wird. Sie entstehen durch Schäden oder Erkrankungen von Nervenstrukturen. Nervenschmerzen sind häufig sehr starke, stechende, anfallsartig auftretende Schmerzen, die nur gering auf Schmerzmittel ansprechen. Sie können jedoch auch anderen Charakter haben. Nervenschmerzen können bei einigen Krankheitsbildern auch chronisch bestehen. Häufig werden Nervenschmerzen an bestimmten Nerven als Neuralgie bezeichnet. Ein etwas allgemeinerer Begriff für Schmerzen, die ihren Ursprung an Nerven haben, lautet Neuropathie oder neuropathischer Schmerz.
Die im Folgenden aufgeführten Formen können bei Nervenschmerzen unterschieden werden.
Die Trigeminusneuralgie ist ein starker Gesichtsschmerz, der durch eine Funktionsstörung des 5. Gehirnnerven (Trigeminus-Nerv) entsteht. Die idiopathische Trigeminusneuralgie ist eine eigenständige Schmerzerkrankung, die ohne ersichtliche Ursache auftritt – im Gegensatz zur symptomatischen Trigeminusneuralgie, die als Folge von Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Multipler Sklerose auftritt. Möglicher Auslöser einer idiopathischen Trigeminusneuralgie ist eine abnorm verlaufende Arterie, die zu Druckschäden des Nerven führt. Die Schmerzen treten entweder spontan oder durch Stimulation bestimmter Zonen in Gesicht, Zunge oder Lippen auf (sogenannte Trigger-Zone – Schmerz wird bei dortiger Irritation ausgelöst). Dies kann durch Berührung oder Bewegung wie Kauen, Schlucken oder Sprechen entstehen. Die Schmerzen betreffen in der Regel nur eine Gesichtshälfte. Sie halten wenige Sekunden an, können aber auch bis zu zwei Minuten bestehen bleiben. Betroffen ist meist die untere Gesichtshälfte neben der Nase, an den Wangen oder im Bereich des Kiefers. Die Schmerzen sind sehr heftig, treten in Anfällen kurz hintereinander blitzartig auf.
Zur Behandlung werden Medikamente zur Stabilisierung der Nervenaktivität (Antiepileptika wie Carbamazepin, Gabapentin) oder gegen Muskelkrämpfe (Amitriptylin oder Baclofen) eingesetzt. Bei unzureichender Wirkung kann der Nerv mit einem lokalen Betäubungsmittel blockiert werden. Wenn dies Linderung schafft, besteht die Möglichkeit, den Nerven in einem operativen Eingriff oder durch andere Maßnahmen dauerhaft zu unterbrechen. Als Folge kann es jedoch zu einer bleibenden Gesichtslähmung kommen. Eine weitere Möglichkeit bietet ein Verfahren, bei dem der Nerv und ein angrenzendes Blutgefäß durch ein Stück Kunststoff auseinandergehalten werden.
Der Nervus glossopharyngeus (Zungen-Rachen-Nerv) ist der 9. Hirnnerv, er versorgt die Zunge und den Rachen. Als Glossopharyngeusneuralgie wird eine Schmerzerkrankung dieses 9. Hirnnerven bezeichnet. Wenn keine auslösende Ursache gefunden werden kann, wird sie als idiopathische Glossopharyngeusneuralgie bezeichnet. Es kommt zu anfallsartigen, einseitigen, blitzartig auftretenden, sehr starken Schmerzen an Rachen, Mandeln und im hinterem Drittel der Zunge. Die Schmerzattacken dauern wenige Sekunden bis zwei Minuten und können ins Ohr ausstrahlen. Das Auftreten der Schmerzattacken kann durch Triggerfaktoren wie Husten, Kauen, Sprechen oder Gähnen gefördert werden.
Die Glossopharyngeusneuralgie wird mit Medikamenten wie Carbamazepin in steigender Dosis bis zur Schmerzfreiheit behandelt. Bei unzureichender Wirkung wird der Nerv in einem operativen Eingriff entlastet.
Im Gegensatz zu den idiopathischen (ohne ersichtliche Ursache entstehenden) Neuralgieformen gibt es bei einer symptomatischen Neuralgie eine Ursache für die Schmerzattacken. Die symptomatische Neuralgie kann an verschiedenen Nerven auftreten. Ursachen können zum Beispiel Erkrankungen im Kopf selbst sein (lokale Ursachen). Dazu zählen beispielsweise Erkrankungen der Nase, Zähne, Ohren, Nasennebenhöhlen oder auch ein Hirntumor. Es kommt durch lokale Entzündungsprozesse zu einer direkten Nervenschädigung. Die Symptome fallen je nach Ursache sehr unterschiedlich aus, die Schmerzen verschwinden in der Regel mit der Behandlung der auslösenden Erkrankung.
Außerdem können Allgemeinerkrankungen wie Multiple Sklerose oder eine vorangegangene Gürtelrose zu Nervenschmerzen führen. Bei beiden Erkrankungen kommt es zu Schäden der schützenden Nervenhülle (Myelinschicht), was oft auch im Bereich des Trigeminusnerven vorkommt. Dies führt zu bleibenden, sehr starken Gesichtsschmerzen, die durch kleinste Berührungen ausgelöst werden.
Eine Sonderform von Nervenschmerzen ist der anhaltende idiopathische Gesichtsschmerz. Die Schmerzen beginnen oft auf einer Seite im Bereich der Augen, Wange, Nase oder Schläfe. Im weiteren Verlauf können sie sich auf weitere Gesichtsbereiche bis hin in den Nacken und Hals ausbreiten. Patienten beschreiben die Schmerzen als tief brennend, bohrend, drückend, pulsierend und quälend. Nur selten verschwinden die Schmerzen für einige Wochen und Monate, meistens sind sie dauerhaft. Die Ursache für den idiopathischen anhaltenden Gesichtsschmerz ist unbekannt. Eine Diagnose kann nur durch Ausschluss anderer Nervenschmerzen gestellt werden. Zur Behandlung werden entkrampfende und schmerzlindernde Medikamente eingesetzt. Aufgrund des langen Leidensweges der Patienten werden häufig zusätzlich Antidepressiva verordnet und eine geeignete Schmerz- und Psychotherapie eingeleitet.
Nervenschmerzen werden häufig dadurch verursacht, dass eine andere Struktur auf den Nerven drückt. Diese Einklemmung oder mechanische Einwirkung führt zu einer starken Reizung des Nerven und damit zu Schmerzen. Die Nerven können auch durch andere Einflüsse gereizt werden. Beispiele für solche Schmerzen durch Druck und Reizung sind:
Schmerzen können auch durch Störungen im zentralen Nervensystem (ZNS) hervorgerufen werden. Die Ursache kann zum Beispiel ein Schlaganfall sein. Chronische Schmerzen wie durch einen Schlaganfall werden auch als zentrales neuropathisches Schmerzsyndrom bezeichnet.
Bei einem Diabetes mellitus kommt es aufgrund von hohen Blutzuckerwerten zu Schäden an Nerven (diabetische Neuropathie). Häufig entsteht dann eine Empfindungsstörung in den Füßen, doch auch Schmerzen durch die Nervenschäden können zu den Symptomen gehören. Diese können unter anderem die Füße oder Hände betreffen. Zu den wichtigsten Maßnahmen bei der diabetischen Neuropathie gehört es, den Blutzuckerspiegel im normalen Bereich zu halten.
Schäden an Nerven können weiterhin durch verschiedene Giftstoffe entstehen. Medikamente (zum Beispiel bei einer Chemotherapie) oder Alkohol gehören ebenfalls zu den schädlichen Einwirkungen auf die Nerven. Hier kann eine Neuropathie mit Schmerzen oder anderen Auswirkungen wie Sensibilitätsstörungen entstehen.
Die Verletzung oder Durchtrennung eines Nerven kann nicht nur zu fehlender Sensibilität im versorgten Areal oder zu einer Lähmung führen, sondern auch Schmerzen mit sich bringen. Am Ende eines durchtrennten Nerven kann sich zudem ein Knoten (Neurom) bilden, der zu Schmerzen führt.
Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) tritt nach einer Verletzung eines Körperteils, Verletzung eines Nerven oder einer anderen Nervenschädigung auftreten. Es kommt danach zu länger andauernden Schmerzen sowie zu weiteren Erscheinungen wie Schwächen in der Muskulatur, vermehrtem Schwitzen oder Hautstörungen. Eine Sonderform des Schmerzsyndroms sind die Phantomschmerzen, bei denen Schmerzen in einem nicht mehr vorhandenen Körperteil verspürt werden.
Nervenschmerzen können Zeichen für eine schwerwiegende Grunderkrankung sein. Außerdem sind die Schmerzen oft sehr stark. Daher ist es immer sinnvoll, bei entsprechenden Symptomen zur rechtzeitigen Diagnose und geeigneten Behandlung einen Arzt aufzusuchen. Der Hausarzt kann bei Nervenschmerzen gegebenenfalls an einen Facharzt für Nervenkrankheiten (Neurologe) überweisen.
Zunächst erkundigt sich der Arzt im Patientengespräch nach der Krankengeschichte. Er fragt, ob Nervenverletzungen beispielsweise durch Unfälle vorgefallen sein können, und erfragt eine Beschreibung der auftretenden Symptome. Charakteristische, meist einseitige Schmerzanfälle mit blitzartigen starken Schmerzen, die beispielsweise durch Sprechen, Kälte, Kauen oder Schlucken verstärkt oder ausgelöst werden, geben dem Arzt bereits Hinweise für eine Verdachtsdiagnose.
In der klinischen Untersuchung kann der Arzt versuchen, durch Stimulation der Triggerzone (zum Beispiel Berührung im Mandelbereich bei Verdacht auf eine Glossopharyngeusneuralgie) eine Schmerzattacke auszulösen. Wenn ein lokales Betäubungsmittel in den entsprechenden Nerven gespritzt wird, lässt hingegen die ausgelöste Schmerzattacke nach. Dies dient besonders auch der Feststellung, an welchem Ort die Erkrankung auftritt.
Um eine Ursache für die Nervenschmerzen herauszufinden, folgen weitere Untersuchungen wie Blutuntersuchungen oder bildgebende Verfahren wie Röntgen, Ultraschall, Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT).
Bei starken, anhaltenden Nervenschmerzen wird häufig eine Behandlung in einer Schmerzklinik empfohlen. Neben Medikamenten werden physiotherapeutische, ergotherapeutische und aufgrund der psychischen Belastung durch eine Einschränkung der Lebensqualität auch psychotherapeutische beziehungsweise psychiatrische Maßnahmen eingesetzt. Teilweise können Übungen zur Entspannung der Muskulatur erlernt werden, die von den Patienten regelmäßig durchgeführt werden sollten.
Abgesehen von den medizinischen Behandlungsmethoden können in einigen Fällen Hausmittel die Beschwerden bessern. Dazu gehören insbesondere eine Wärmebehandlung oder eine Kältebehandlung, etwa durch kühlende Auflagen, wärmende Kissen oder ein warmes Bad. Bei zusätzlichen Sensibilitätsstörungen ist allerdings zu bedenken, dass eine etwaige zu heiße oder kalte Temperatur nicht richtig verspürt wird. Daher kann die Gefahr von Verbrennungen oder Erfrierungen bestehen, wenn solche Behandlungsmethoden durchgeführt werden. Darüber hinaus kann die richtige Ernährung dafür sorgen, dass die Nerven gut funktionieren und vor weiteren Schäden geschützt werden. Insbesondere sind die Vitamine B6 und B12 wichtig, die sich unter anderem in tierischen Lebensmitteln sowie Hülsenfrüchten oder Vollkornbrot finden.
Neurologen und Psychiater im Netz – Was ist der anhaltende idiopathische Gesichtsschmerz?: https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/erkrankungen/anhaltender-idiopathischer-gesichtsschmerz-atypischer-gesichtsschmerz/was-ist-der-anhaltende-idiopathische-gesichtsschmerz/ (online, letzter Abruf: 30.08.2021)
Inselspital Bern (Universitätsklinik für Neurochirurgie) – Glossopharyngeusneuralgie: https://neurochirurgie.insel.ch/funktionell-schmerz/glossopharyngeusneuralgie (online, letzter Abruf: 30.08.2021)
aktualisiert am 30.08.2021