Herr Prof. Dr. Cupisti, Sie sind Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie des Marien-Hospitals Euskirchen. Einer ihrer Schwerpunkte ist die endokrine Chirurgie. Lassen Sie uns auf die Nebenschilddrüsen zu sprechen kommen.
Prof. Cupisti: Die Nebenschilddrüsen, auch Epithelkörperchen genannt, sind vier kleine Hormondrüsen, die in unmittelbarer Nähe der Schilddrüse liegen. Daher der Name "Nebenschilddrüsen". Sie wurden viele Jahrhunderte lang nicht erkannt und sind erst seit etwa 140 Jahren bekannt. Normalerweise sind sie so groß wie ein Reiskorn, bei Frauen tendenziell etwas größer als bei Männern. Trotz ihrer geringen Größe haben sie eine äußerst wichtige Funktion, denn sie regulieren den Kalziumstoffwechsel. Dieser ist für die Muskelkontraktion, die Blutgerinnung und den Knochenstoffwechsel von großer Bedeutung. Die Nebenschilddrüsen sorgen dafür, dass der Kalziumspiegel im Blut immer ausreichend hoch ist. Sie arbeiten ein Leben lang autonom und selbstständig, so dass man sich normalerweise keine Sorgen um sie machen muss. Es kann jedoch vorkommen, dass eine oder mehrere dieser Drüsen aus unbekannten Gründen überfunktionieren und den Kalziumstoffwechsel stören.
Trotz ihrer geringen Größe haben sie eine äußerst wichtige Funktion, denn sie regulieren den Kalziumstoffwechsel.
Prof. Cupisti: Bei einer Überfunktion der Nebenschilddrüsen, auch Hyperparathyreoidismus genannt, produzieren die Nebenschilddrüsen zu viel Parathormon. Bei der häufigsten Form, dem primären Hyperparathyreoidismus, ist der Kalziumspiegel im Blut erhöht. Dies kann zu zahlreichen Symptomen und Beschwerden führen. Meist sind es Patientinnen über 45 Jahre, die Gelenk- und Bauchschmerzen, Nierensteine, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Bluthochdruck entwickeln. Es gibt aber auch Patienten, die keine subjektiven Beschwerden haben, bei denen aber die Knochendichte messbar reduziert ist.
Prof. Cupisti: Bei etwa 80 Prozent der Betroffenen liegt ein Nebenschilddrüsenadenom vor, also eine gutartige Vergrößerung einer der Nebenschilddrüsen. Bei den übrigen 20 % ist mehr als eine Drüse vergrößert. Risikofaktoren für diese Erkrankung sind nicht bekannt.
Prof. Cupisti: Vorbeugende Maßnahmen gibt es leider nicht. Es gibt familiäre Häufungen, bei denen die Erkrankung häufiger und früher auftritt und mehrere Drüsen betroffen sind. Es gibt jedoch keine bekannten Risikofaktoren, die eine Erkrankung verhindern könnten.
Prof. Cupisti: Die Diagnose wird in der Regel durch eine Blutentnahme gesichert. Dabei wird der Kalziumspiegel bestimmt. In vielen Fällen handelt es sich um eine Routineuntersuchung, bei der ein erhöhter Kalziumwert festgestellt wird. Dann wird das Parathormon bestimmt. Sind sowohl Kalzium als auch Parathormon erhöht, ist die Diagnose in der Regel gesichert. Es gibt Sonderformen, bei denen es komplizierter ist und auch das Kalzium im Urin bestimmt werden muss. In der Regel handelt es sich aber um einen primären Hyperparathyreoidismus, wenn beide Werte im Blut erhöht sind. Diese Diagnose beruht hauptsächlich auf Laborbefunden und nicht auf Symptomen.
Prof. Cupisti: Diätetische Maßnahmen, wie der Verzicht auf Milchprodukte, helfen nicht wirklich, da Kalzium in unserem Körper, insbesondere im Knochensystem, in großen Mengen vorhanden ist. Kurzfristig kann der Kalziumspiegel durch Diuretika gesenkt werden. Im Allgemeinen besteht die Therapie jedoch darin, die vergrößerte Nebenschilddrüse zu suchen und zu entfernen. Es gibt Medikamente wie Kalzimimetika, die das Parathormon und das Kalzium senken können. Diese sind jedoch nur für bestimmte Formen des Hyperparathyreoidismus zugelassen. Für die meisten Patienten, die wir behandeln, ist die Operation die bevorzugte Therapie.
Im Allgemeinen besteht die Therapie jedoch darin, die vergrößerte Nebenschilddrüse zu suchen und zu entfernen.
Prof. Cupisti: Die größte Herausforderung besteht darin, die vergrößerte Nebenschilddrüse zu lokalisieren und festzustellen, ob sie rechts oder links, oben oder unten liegt. Früher mussten alle Nebenschilddrüsen untersucht werden. Heute verwenden wir nuklearmedizinische Methoden und Ultraschall, um genau festzustellen, welche Nebenschilddrüse operiert werden muss. Das hat sich enorm verändert und ist heute viel präziser. Die Operation läuft im Wesentlichen wie eine Schilddrüsenoperation ab. Die Patienten werden aufgeklärt und kommen am Tag der Operation ins Krankenhaus. Sie werden operiert und bleiben meist nur ein bis zwei Nächte zur Beobachtung. Nach einer erfolgreichen Operation fühlen sich die Patienten oft sofort besser und viele Symptome verschwinden schnell.
Prof. Cupisti: Nach einer erfolgreichen Operation bessern sich die Beschwerden in der Regel sehr schnell - noch am Tag der Operation. Es bleibt eine Narbe am Hals zurück, ähnlich wie bei einer Schilddrüsenoperation. Diese ist jedoch nach etwa sechs Wochen kaum noch sichtbar und wird in der Regel nicht als störend empfunden. Die Patientinnen und Patienten sind nach der Operation kaum belastet, können noch am selben Tag essen und sich bewegen. Es ist also keine Operation, die einen ans Bett fesselt. Allerdings müssen bei Halsoperationen Nachblutungen ausgeschlossen werden, weshalb eine ambulante Behandlung nicht ratsam ist.
Prof. Cupisti: Die Risiken der Operation entsprechen im Wesentlichen denen einer Schilddrüsenoperation. Es kann zu Nachblutungen kommen, die im Halsbereich gefährlich sind und nicht ignoriert werden dürfen. Theoretisch kann es auch zu einer Verletzung des Stimmbandnervs mit Heiserkeit kommen, aber das ist äußerst selten. Und wenn es dazu kommt, ist es in der Regel reversibel und erholt sich wieder. Bei manchen Patienten kann es vorkommen, dass der Ton nach der Operation noch tiefer, aber immer noch zu hoch ist. Dann muss man genauer hinschauen. Bei erfahrenen Chirurgen liegt die Erfolgsrate aber bei weit über 90 Prozent. Es gibt einen kleinen Prozentsatz von Patienten, bei denen man genauer überlegen muss. Aber insgesamt hat die Operation eine hohe Erfolgsrate und eine sehr niedrige Komplikationsrate.
Prof. Cupisti: Das Besondere ist, dass die Patienten nach einer erfolgreichen Operation geheilt sind. Sie müssen keine Medikamente einnehmen, keine spezielle Diät einhalten oder haben sonstige Einschränkungen. Im Gegensatz dazu müssen viele Patienten nach einer Schilddrüsenoperation für eine gewisse Zeit Schilddrüsenhormone einnehmen. Dies ist bei dieser Operation nicht der Fall. Wenn die Operation erfolgreich war, sind die Patienten geheilt.
Das Besondere ist, dass die Patienten nach einer erfolgreichen Operation geheilt sind.
Prof. Cupisti: Die Patienten, die zu mir kommen, kommen in der Regel von spezialisierten Endokrinologen und sind bereits gut informiert. Oft ist die Diagnose schon gestellt und bildgebende Verfahren wurden bereits durchgeführt. Manchmal ist es jedoch eine Herausforderung, den Patienten zu erklären, warum eine Operation notwendig sein könnte, insbesondere wenn sie keine oder nur geringe Beschwerden haben. Einige dieser Patienten haben Messwerte, die auf eine verminderte Knochendichte hinweisen, was die Argumentation für eine Operation erleichtert. Viele Patienten sind jedoch nach der Operation überrascht, wie unkompliziert der Eingriff war und wie gut sie sich fühlen. Viele berichten, dass sie sich fast verjüngt fühlen, weil ihre Knochen schnell wieder stärker werden. Aber in der Regel sind diese Patienten gut vorbereitet und kommen oft von Kollegen, die sich mit dem Thema auskennen.
Prof. Cupisti: Die präoperative Bildgebung hat sich in den letzten Jahren verbessert, und ich hoffe, dass dies auch weiterhin der Fall sein wird. Es gibt neuere und spezifischere nuklearmedizinische Verfahren, um die Nebenschilddrüsen genauer zu lokalisieren und abzugrenzen. Diese sind jedoch nicht überall verfügbar und werden nicht immer von den Krankenkassen bezahlt. Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld ist das Screening, denn viele Patienten mit primärem Hyperparathyreoidismus bleiben unerkannt, da die Symptome oft unspezifisch sind. Bei der Operation selbst hat sich in den letzten Jahren nicht viel verändert. Aktuelle Forschungsprojekte konzentrieren sich auf neue nuklearmedizinische Methoden wie F-DOPA PET/CT und genetische Analysen, insbesondere bei familiären Formen der Erkrankung. Die Mehrzahl der Patienten profitiert jedoch vor allem von verbesserten bildgebenden Verfahren und Früherkennungsmethoden.
Vielen Dank für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 15.11.2023.