Bei einer Überfunktion der Nebenschilddrüsen (Hyperparathyreoidismus) wird zu viel Parathormon gebildet.
Die Nebenschilddrüsen (Glandulae parathyreoideae) sind vier etwa erbsengroße Drüsen, die der Schilddrüse oben und unten beidseits anliegen. Sie sind linsenförmig und mit drei bis fünf Millimetern Durchmesser relativ klein. Die Hauptaufgabe der Nebenschilddrüsen ist die Produktion eine Hormons, des Parathormons (auch als Parathyrin bezeichnet). Dabei handelt es sich um ein Hormon, das für die Regulation der Elektrolyte, insbesondere Calcium und Phosphat, im Blut zuständig ist.
Sinkt der Calciumspiegel, wird von den Nebenschilddrüsen vermehrt Parathormon gebildet. Dies führt zu einer reduzierten Calciumausscheidung mit den Nieren, einer erhöhten Calciumaufnahme im Darm und einer erhöhten Freisetzung von Calcium aus dem Knochen. Die Calciumkonzentration steigt. Gleichzeitig wird die Ausscheidung von Phosphat verstärkt. Wenn die Calciumkonzentration einen bestimmten Wert überschreitet, wird die Freisetzung von Parathormon gehemmt.
Eine Überfunktion der Nebenschilddrüse verläuft häufig ohne Beschwerden, kann aber im fortgeschrittenen Stadium zu einem Ungleichgewicht im Knochenaufbau und Knochenabbau führen und durch einen Anstieg der Calciumkonzentration zu Verkalkungen von Organen und Gewebe führen.
Die Überfunktion der Nebenschilddrüsen kann sich aufgrund einer Veränderung der Nebenschilddrüsen oder als Folge einer anderen Organerkrankung (meist der Niere) entwickeln. Bei ausgeprägten Symptomen ist eine Operation der Nebenschilddrüsen die empfohlene Therapie.
Nach den Ursachen werden drei Arten der Nebenschilddrüsenüberfunktion unterschieden: primär, sekundär und tertiär.
Ursache der primären Überfunktion ist eine Erkrankung der Nebenschilddrüsen selbst. Dabei handelt es sich um gutartige Tumore (Adenome) einer oder mehrerer Nebenschilddrüsen oder um eine funktionelle Überproduktion und Vergrößerung (Hyperplasie) aller vier Nebenschilddrüsen. Bösartige Tumore (Nebenschilddrüsenkrebs) treten äußerst selten auf. Eine primäre Nebenschilddrüsenüberfunktion ist häufig Folge von:
Die sekundäre Nebenschilddrüsenüberfunktion entwickelt sich als Folge einer Erkrankung anderer Organe. Meistens handelt es sich um eine Nierenerkrankung, die zu einer Störung des Elektrolyt-Haushalts führt. Der Calciumspiegel im Blut sinkt, die Phosphatkonzentration steigt, außerdem kommt es zu einem Vitamin-D-Mangel. Dadurch werden die Nebenschilddrüsen zu einer ständigen Produktion von Parathormon aktiviert. Wenn die Grunderkrankung geheilt werden kann, normalisiert sich in der Regel auch die Nebenschilddrüsenleistung.
Eine tertiäre Nebenschilddrüsenüberfunktion entwickelt sich aus einer sekundären, wenn die Grunderkrankung über längere Zeit besteht. Die Nebenschilddrüsen haben sich an die Überproduktion gewöhnt. Sie produzieren auch bei bereits behandelter Grunderkrankung und normalen Calciumwerten im Blut weiterhin zu viel Parathormon. Eine oder mehrere Drüsen sind dadurch in der Regel vergrößert (Hyperplasie).
Bei einer Überfunktion der Nebenschilddrüsen wird zu viel Parathormon produziert. Parathormon reguliert den Calcium- und Phosphatgehalt des Blutes über folgende Mechanismen:
Daraus ergeben sich die Symptome der Nebenschilddrüsenüberfunktion:
Häufig verläuft die Erkrankung auch ohne Beschwerden oder es kommt zu unspezifischen Symptomen wie gesteigertem Durstgefühl, Müdigkeit, erhöhtem Blutdruck, Juckreiz, Depression, vermehrtem Harndrang oder Verwirrung.
Beim sekundären Hyperparathyreoidismus (Entstehung über andere Erkrankung außerhalb der Nebenschilddrüsen) sind die Symptome meist ausgeprägter als beim primären. Außerdem kommen die Beschwerden der Grunderkrankung hinzu.
Sollten Sie unter länger bestehenden Symptomen wie beispielsweise Übelkeit, Erbrechen, krampfartigen Schmerzen, Muskelschmerzen, Gliederschmerzen, vermehrtem Wasserlassen oder Schwäche leiden, sollten Sie einen Arzt zur weiteren Abklärung aufsuchen. Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen oder Darmerkrankungen werden in regelmäßigen Abständen ärztlich untersucht, auch um Folgeerkrankungen wie eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen rechtzeitig zu entdecken.
Eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen wird sehr häufig zufällig in Routineblutuntersuchungen entdeckt. Der Verdacht besteht, wenn die Konzentration von Calcium im Blut erhöht und Phosphat erniedrigt ist. Es folgen weitere Tests:
Bei mildem Verlauf einer primären Nebenschilddrüsenüberfunktion ist häufig keine Behandlung nötig. Wenn die Calciumkonzentration nur leicht erhöht und die Knochendichte normal ist, reichen regelmäßige Kontrolluntersuchungen (etwa alle sechs Monate) beim Arzt. Wichtig ist es, auf die mit der Nahrung aufgenommene Calcium- und Vitamin-D-Menge zu achten. Regelmäßige Bewegung stärkt die Knochen. Ausreichend Flüssigkeit ist wichtig zur Unterstützung der Nierenfunktion.
Wenn es zu schwerwiegenden Symptomen kommt, ist in der Regel eine operative Entfernung der veränderten Nebenschilddrüsen notwendig. Dies ist ebenso bei Tumoren der Nebenschilddrüsen erforderlich. Ziel der Behandlung ist es, die Überproduktion von Parathormon zu unterbinden und dadurch den Calciumspiegel zu normalisieren.
Bei einem Nebenschilddrüsen-Tumor muss nur das jeweils befallene Epithelkörperchen entfernt werden. Nur sehr selten sind mehrere der Nebenschilddrüsen betroffen. Bei einer sekundären Überfunktion müssen alle Epithelkörperchen herausgenommen werden, wobei ein restliches Gewebestück verbleibt, um die Funktion der Organe zu erfüllen.
Die Operation wird in Vollnarkose durchgeführt.
Über einen queren Halseinschnitt werden die vier Nebenschilddrüsen aufgesucht. Manchmal ist es auch möglich, ähnlich einer Bauchspiegelung über einige kleine Zugänge ein feines optisches Gerät (Endoskop) sowie die anderen benötigten Instrumente einzuführen und auf diese Weise zu operieren. Die Nebenschilddrüsen werden einzeln begutachtet, daraufhin wird entschieden, ob eines, mehrere oder alle von der jeweiligen Erkrankung betroffen sind. Eine kurzfristige feingewebliche Untersuchung während der laufenden Operation, die so genannte Schnellschnittuntersuchung, kann bei unklaren Fällen der Entscheidung dienen.
Nach der Operation ist häufig die Einnahme von Calcium und Vitamin D über einen längeren Zeitraum oder auf Dauer nötig.
Bisweilen wird noch eine halbe der vier Nebenschilddrüsen belassen, damit zwar erheblich weniger, aber noch ausreichend Parathormon produziert wird. Dabei ist es möglich, Gewebe aus den Epithelkörperchen einzufrieren, damit es wieder eingepflanzt werden kann, falls der Kalziumwert im Blut zu gering ist. Auch wenn die Nebenschilddrüsen komplett entfernt werden, kann Gewebe an eine andere Stelle des Körpers verpflanzt werden. Hierfür empfiehlt sich unter anderem der Unterarm, da dort bei einer weiteren Überfunktion ohne großen Aufwand Gewebe wieder herausgenommen werden kann.
In den Operationsbereich am Hals werden oft Drainagen gelegt, die nach ein paar Tagen wieder gezogen werden können. Diese dienen dem Abfluss von Wundflüssigkeit.
Nach Abschluss des eigentlichen Eingriffs werden die Wunden vernäht.
Liegt ein bösartiger Tumor (Karzinom) vor, so müssen möglicherweise mitbefallene Organe der Umgebung ebenfalls teilweise oder komplett entfernt werden.
Da die Nebenschilddrüsen nicht immer an den üblichen Stellen liegen, und auch gelegentlich mehr als vier der kleinen Organe vorhanden sein können, müssen manchmal (unter 5 Prozent der Fälle) in einer weiteren Operation die restlichen Epithelkörperchen aufgesucht und entfernt werden. Diese können sich beispielsweise in der Nähe der Wirbelsäule im Halsbereich, an der Speiseröhre oder innerhalb der Schilddrüse befinden. Bisweilen muss auch der Brustkorb durch Teilung des Brustbeins (Sternotomie) eröffnet werden.
Wenn eine Operation nicht möglich ist (beispielsweise aufgrund des Gesundheitszustandes des Patienten oder bei Tumoren, die nicht operiert werden können) werden Medikamente verordnet. Diese Mittel verhindern den Knochenabbau (Bisphosphonate, Hormonersatztherapie). Calcimimetika führen zu einer höheren Empfindlichkeit von Bindungsstellen, die Calcium registrieren (Calciumrezeptoren), und damit zu einer verminderten Freisetzung von Parathormon.
Bei der sekundären Nebenschilddrüsenüberfunktion steht die Behandlung der Ursache im Vordergrund. Wenn die dafür verantwortliche Erkrankung in einem frühen Stadium der Überfunktion geheilt werden kann, normalisiert sich auch die Nebenschilddrüsenleistung wieder. In einigen Fällen, häufig bei chronischer Nierenerkrankung, ist jedoch die Einnahme von Medikamenten (Calcimimetika) nötig, um die Parathormon-Konzentration zu kontrollieren.
Weil sich bei der tertiären Überfunktion die Überproduktion von Parathormon in der Nebenschilddrüse verselbständigt, ist häufig die Entfernung einer oder mehrerer Drüsen nötig.
Es ist schwierig pauschale Aussagen darüber zu treffen, wie lange man nach der OP krankgeschrieben. Bei normalen Verlauf verbleiben die Patienten etwa zwei bis vier Tage im Krankenhaus und werden für zwei Wochen krankgeschrieben. Das sind aber nur Richtwerte und können individuell sehr unterschiedlich sein. Wie lange man krankgeschrieben ist, hängt vom Gesundheitszustand, vom ausgeübten Beruf und dem Heilungsverlauf ab.
Beschwerden beim Schlucken, Heiserkeit, Atemprobleme sowie Nackenschmerzen verschwinden in der Regel bald. Verletzungen von umliegenden anatomischen Strukturen und Organen sind möglich, dazu gehören auch Schädigungen der Speiseröhre oder der Luftröhre.
Bei Nervendurchtrennung kann es zu Taubheitsgefühl, Lähmungen und insbesondere bei der Nebenschilddrüsen-Operation zu einer Stimmbandlähmung (Recurrensparese) kommen, welche bei einseitiger Schädigung zu Atem- und Schluckproblemen, bei sehr seltener beidseitiger Schädigung zu Atemwegsverengung oder -verschluss führen kann. In diesem Fall ist oft ein Luftröhrenschnitt (Tracheotomie) erforderlich. Blutungen und Nachblutungen können auftreten. Meist vorübergehend kann es zu Kalziummangel im Blut durch Nebenschilddrüsenunterfunktion (Hypoparathyreoidismus) kommen, welcher sich in Sensibilitätsstörungen und manchmal in Krämpfen äußert und mit Kalzium- und Vitamin-D-Zufuhr behandelt werden kann.
Infektionen, Wundheilungsstörungen und überschießende Narbenbildung kann entstehen, daraus resultieren Funktionseinschränkungen und ästhetische Auswirkungen. Allergien auf verwendete Substanzen können nicht ausgeschlossen werden.
Die operative Entfernung der vergrößerten Nebenschilddrüsen oder von Tumoren, die zu einer Überproduktion von Parathormon führen, heilt den Hyperparathyreoidismus.
Wichtig ist, die Operation von einem Spezialisten durchführen zu lassen. Die Lage der Nebenschilddrüsen kann variieren und aufgrund der Nähe zu den Stimmbändern besteht ein hohes Verletzungsrisiko.
Wenn alle vier Nebenschilddrüsen entfernt werden müssen, wird ein Teil des Drüsengewebes an einer anderen Stelle im Körper (zum Beispiel am Arm) eingepflanzt. Nach einiger Zeit wird auch in anderer Lage wieder ausreichend Parathormon gebildet.
Bei der sekundären Überfunktion der Nebenschilddrüse ist die Prognose abhängig vom Behandlungserfolg der Grunderkrankung.
Patienten mit chronischer Nierenerkrankung müssen regelmäßig ihre Elektrolytkonzentration im Blut kontrollieren lassen, um eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen rechtzeitig zu entdecken und damit Folgen wie Knochenabbau vorzubeugen. Um dem Fortschreiten der Erkrankung entgegenzuwirken, achten Sie außerdem auf regelmäßige Bewegung und ausreichend Flüssigkeitsaufnahme.
Oft müssen blutgerinnungshemmende Arzneimittel wie beispielsweise Aspirin® oder Marcumar® vor der OP durch den behandelnden Arzt abgesetzt werden.
Falls der Patient bereits am OP-Tag nach Hause gehen darf, sollte er sich abholen lassen und darf für 24 Stunden kein Auto fahren, keine Maschinen bedienen und auch keine schwerwiegenden Entscheidungen treffen.
Die möglicherweise verordneten Kalzium- und Vitamin-D-Präparate sollten gewissenhaft eingenommen werden. Eine spezielle nachoperative Behandlung kann erforderlich sein, insbesondere wenn ein bösartiger Tumor bestand.
Bei Beschwerden, die auf Komplikationen deuten können, wie beispielsweise Fieber, Stimmproblemen oder Atembeschwerden sowie auch Missempfindungen und Muskelkrämpfe, so sollte der Arzt umgehend kontaktiert werden, um gegebenenfalls frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen.
TK Die Techniker, Ulrich Kraft; Dr. med. Martina Waitz – Was ist eine Nebenschilddrüsen-Überfunktion: https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-medizin/stoffwechselerkrankungen/was-ist-eine-nebenschilddruesen-ueberfunktion-2016392 (online, letzter Abruf: 27.02.2020)
Healthline, Amanda Delgado – Hyperparathyroidism: https://www.healthline.com/health/hyperparathyroidism#causes (online, letzter Abruf: 27.02.2020)
ÄrzteZeitung – Neues Kalzimimetikum bringt Nebenschilddrüsen zur Ruhe: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Neues-Kalzimimetikum-bringt-Nebenschilddruesen-zur-Ruhe-325657.html (online, letzter Abruf: 27.02.2020)
Aerztblatt.de, Susanne Miedlich; Christian A. Koch; Ralf Paschke – Primärer Hyperparathyreoidismus: Heute ein meist asymptomatisches Krankheitsbild: https://www.aerzteblatt.de/archiv/34757/Primaerer-Hyperparathyreoidismus-Heute-ein-meist-asymptomatisches-Krankheitsbild (online, letzter Abruf: 27.02.2020)
aktualisiert am 13.07.2020