Die Nahrungsmittelallergie gehört zu den Störungen des Abwehrsystems. Die Immunabwehr von Betroffenen reagiert auf bestimmte Bestandteile von Lebensmitteln übermäßig stark. Das geschieht im Magen-Darm-Trakt, aber im Verlauf zeigt sich auch an anderen Bereichen wie der Haut oder der Atmungsorgane eine allergische Reaktion. Zu den typischen Lebensmitteln, auf die Betroffene allergisch reagieren, gehören Kuhmilch, Hühnereier, Nüsse, Getreide und Fisch. Als Allergen (Material, gegen das der Mensch allergisch ist) wirken in der Regel Teile von Proteinen aus der Nahrung.
Um die zwei Prozent der Menschen leiden an einer Nahrungsmittelallergie, manche Schätzungen gehen sogar von einer wesentlich höheren Anzahl an Betroffenen aus. Die Erkrankung kann sich prinzipiell in jedem Lebensalter etablieren. In vielen Fällen entwickelt sich die Nahrungsmittelallergie aber bei Babys im Alter von durchschnittlich sechs Monaten. Das Kind wird von der Milch entwöhnt und bekommt andere Lebensmittel, die für den Organismus fremd und ungewohnt sind.
Häufige Symptome der Nahrungsmittelallergie sind Erbrechen, Magen-Darm-Krämpfe oder Verstopfung, die nach der Aufnahme bestimmter Lebensmittel auftreten. Die weiteren Beschwerden können aber sehr vielfältig sein und unter anderem Ausschlag und Asthma umfassen. Auch ein allergischer Schock (anaphylaktischer Schock) kann bei heftigem Verlauf vorkommen.
Das Immunsystem ist normalerweise dazu da, schädliche und krankmachende Substanzen und Organismen abzuwehren. Dazu setzt es eine Entzündungsreaktion in Gang, sobald ein Erreger oder gefährlicher Fremdstoff eindringt. Bei einer Allergie geschieht diese Reaktion aber meist gegen eine Substanz, die sonst nicht schädigend wirkt. Im Falle der Nahrungsmittelallergie sind dies Bestandteile von Speisen oder Getränken, selten auch zugesetzte Substanzen oder Verunreinigungen.
Auch wenn theoretisch jedes Nahrungsmittel eine Allergie erzeugen kann, so sind doch folgende Nahrungsmittel (und Produkte, die aus diesen hergestellt wurden) besonders häufig verantwortlich:
Faktoren, die zur Entstehung der Nahrungsmittelallergie beitragen, sind vielfältig. Fachleute sprechen von einer multifaktoriellen Genese. Stress und persönliche Belastung, Schad- und Giftstoffe in der Umwelt und in Nahrungsmitteln sowie auch eine sehr ausgeprägte Hygiene sind mögliche Auslöser der Allergie.
Allergien werden allgemein in vier Typen eingeteilt, die Nahrungsmittelallergie gehört zum Allergietyp I. Der Typ I ist zugleich der insgesamt häufigste Typ und wird auch als Soforttyp bezeichnet. Zuerst erfolgt ein Kontakt mit dem zukünftigen Allergen (Material, das für eine allergische Reaktion sorgt). Dieser Kontakt erfolgt meist über den Magen-Darm-Trakt, doch manchmal kann er auch bei einer Nahrungsmittelallergie über die Haut oder Atemwege stattfinden. Noch bemerkt der Betroffene nichts, aber es findet eine Sensibilisierung statt. Das Abwehrsystem produziert passende Antikörper (IgE-Antikörper, Immunglobulin E). Bei einem weiteren Kontakt mit dem Allergen, in der Regel einem erneuten Verzehr des Lebensmittels, binden die IgE-Antikörper an die passenden Stellen des Allergens. Die IgE-Antikörper sitzen auf bestimmten Zellen, den Mastzellen, die daraufhin körpereigene Botenstoffe wie Histamin oder Leukotrien ausschütten, die einen Entzündungsreiz bewirken. Im Vergleich zu anderen Allergien wird die Reaktion meist um eine Stunde später bemerkt, da das Nahrungsmittel erst im Magen-Darm-Trakt transportiert wird.
Eine Neigung zu Allergien und insbesondere Nahrungsmittelallergien wird auch oft vererbt. Dafür spricht, dass in einigen Familien mehrere Angehörige an der (Nahrungsmittel-)allergie leiden. Es handelt sich um eine sogenannte atopische Veranlagung (Atopie).
Eine Kreuzallergie ist eine Allergie, die sich gegen mehrere Substanzen mit ähnlichen Strukturen auf der Oberfläche richtet. Gerade bei einer Nahrungsmittelallergie kann dies eine Rolle spielen, denn beispielsweise kann eine bestimmte Pollenallergie auch eine Nahrungsmittelallergie (etwa gegen Kernobst) mit sich bringen.
Die Symptomatik kann unterschiedlich schwer sein. Anfangs ist bei einer Nahrungsmittelallergie eine Schwellung der Lippen und ein Juckreiz in Mund und Rachen möglich. Oft herrschen die Magen-Darm-Symptome vor: Übelkeit und Erbrechen, Bauchkrämpfe, Schmerzen, Durchfall, Blähungen oder auch eine Verstopfung können auftreten.
Ebenfalls kommt es oft zu einem Ausschlag beziehungsweise zu den Symptomen einer Neurodermitis (atopische Dermatitis). Neurodermitis-Symptome bei einem Kind hängen in einem Drittel der Fälle mit einer Nahrungsmittelallergie zusammen. Eine Nesselsucht kann bei einer allergischen Reaktion ebenfalls auftreten. Die Nesselsucht ist durch juckende Quaddeln gekennzeichnet. Einige Betroffene der Nahrungsmittelallergie leiden an Symptomen eines Heuschnupfens oder Asthmas. Hinzu können ein allgemeines Krankheitsgefühl, Fieber, verminderte Leistungsfähigkeit oder Kopfschmerzen kommen. Eine abnorm heftige allergische Reaktion kann zu einem lebensbedrohlichen Zustand mit Schock (Kreislaufkollaps bei niedrigem Blutdruck) führen. Dieser anaphylaktische Schock ist ein Notfall, bei dem eine möglichst sofortige Behandlung durch den Arzt notwendig ist.
Ein Patient kann auch an einer Allergie gegenüber mehreren Stoffen leiden, die sich ähnlich sind (Kreuzallergie), wie z. B. bei einer Kreuzallergie gegen Pollen und Nahrungsmittel wie Äpfel (oder anderes Obst, andere Gemüsesorten oder Nüsse).
Bei einer Nahrungsmittelallergie ist das Untersuchungsgespräch (Anamnese) zwischen Patient und Arzt schon enorm bedeutend. Der Patient beschreibt, welche Symptome sich bemerkbar machen und wie lange sie bestehen. Er teilt genau mit, ob er einen Zusammenhang zwischen Symptomen und bestimmten Speisen oder Getränken feststellt. Die Eltern oder Bezugspersonen werden zusätzlich befragt, wenn es sich beim Patienten um ein kleines Kind handelt. Für Patienten ist es sinnvoll, über die Erscheinungen Buch zu führen und so eventuell die Allergie mit einem Auslöser in der Nahrung (oder an anderer Stelle) in Verbindung zu bringen.
Bei einem Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie wird eine Auslassdiät (Eliminationsdiät) angewendet. Bessern sich die Symptome, dann ist die Nahrungsmittelallergie wahrscheinlich. Ein Allergietest (Hauttest) wird durchgeführt, z. B. der Prick-Test. Testlösungen mit möglichen Allergenen sowie Kontrolllösungen werden auf Bereiche der Haut aufgetragen und mit einer Lanzette jeweils ein kleiner Einstich verursacht, so dass die Lösungen eindringen können. Nach 20 Minuten wird abgelesen, ob sich eine allergische Reaktion an den einzelnen Stellen ergeben hat (Rötung, Schwellung).
In einer Blutentnahme können verschiedene Werte bestimmt werden. Spezifische IgE-Antikörper lassen sich in einem Test namens RAST (Radio-Allergo-Sorbent-Test) nachweisen. Manchmal ist ein Provokationstest erforderlich, um eine bestimmte Nahrungsmittelallergie aufzuzeigen. Der Patient wird mit dem verdächtigen Nahrungsmittel in Kontakt gebracht (Provokation), um zu sehen, ob sich Symptome einer allergischen Reaktion entwickeln. Dies muss im Beisein eines Arztes erfolgen, der bei allzu heftigen Reaktionen Maßnahmen ergreifen kann.
Eine echte Nahrungsmittelallergie ist etwas anderes als eine Nahrungsmittelunverträglichkeit! Die Unverträglichkeit entsteht dadurch, dass Abbau und Verdauung bestimmter Substanzen nicht richtig funktioniert. Das liegt an einem Mangel von gewissen Enzymen (speziellen Eiweißen), die dafür erforderlich sind. Die häufigste Nahrungsmittelunverträglichkeit ist die Lactose-Intoleranz, also die Unverträglichkeit gegenüber Milchzucker (Lactose).
Auch kann eine Pseudoallergie statt einer echten Allergie vorliegen. Bestimmte Lebensmittel wie beispielsweise Tomaten enthalten nennenswerte Mengen des Botenstoffs Histamin oder können ohne eine direkte allergische Reaktion eine Ausschüttung von Histamin im menschlichen Körper bewirken. In einem solchen Fall besteht eine Histamin-Intoleranz beziehungsweise eine Pseudoallergie auf das Nahrungsmittel. Diese ist auch gegenüber einem Medikament möglich.
Außerdem müssen Vergiftungen, Magen-Darm-Infektionen, strukturelle Veränderungen im Verdauungstrakt sowie Tumore von der Allergie abgegrenzt werden. Darüber hinaus sind psychisch vermittelte Ursachen wie Hypochondrie (Ängste) oder Depressionen manchmal für die Symptome einer vermeintlichen Allergie verantwortlich.
Des Weiteren kann ein Patient mit einer Latexallergie sogar auf Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse reagieren, wenn diese zuvor mit Latexhandschuhen angefasst wurden.
Die Nahrungsmittelallergie kann nicht endgültig geheilt werden, wenn sie sich bei einem Patienten entwickelt hat. Doch die Symptome können unter einer Therapie weitgehend eingedämmt werden. Um die allergische Reaktion gar nicht erst auftreten zu lassen, sollte der Patient das Allergen (Auslöser) meiden, sprich das betreffende Nahrungsmittel nicht zu sich nehmen. Bei leichter Allergie kann es ausreichen, das entsprechende Nahrungsmittel lediglich zu reduzieren.
Allergiker sollten bei Lebensmitteln auf die Zutatenliste achten, inzwischen sind fast alle Packungen von Lebensmitteln damit versehen. Trotzdem können sich Spuren von entsprechenden Zutaten in verarbeiteten Lebensmitteln vorhanden sein, so dass eine allergische Reaktion eintritt. Allergiker können sinnvollerweise ein Notfallset mit sich führen, um bei einer etwaigen Reaktion gleich eingreifen zu können. Es besteht aus rasch wirksamen Medikamenten (Antihistaminikum, Cortison, Adrenalin/Epinephrin).
Durch eine Fülle von Rezepten, die in der Literatur oder im Internet zu finden sind, lässt sich heute auf fast jede mögliche Zutat verzichten. Auch das Gespräch mit einem Ernährungsberater hilft vielen Betroffenen, sich allergiegerecht ernähren zu können, ohne große Einschränkungen hinnehmen zu müssen. Bei einem Auftreten der Neurodermitis (atopischen Dermatitis) auf eine Lebensmittelallergie hin kann eine Neurodermitis-Schulung hilfreich sein, die in vielen Kliniken und Praxen durchgeführt werden kann.
Als Medikamente eignen sich Antihistaminika (Mittel, die die Wirkung von Histamin blockieren). Die Antihistaminika können etwaige Symptome wie z. B. den Juckreiz vermindern. Eine Atemnot-Symptomatik (Asthma) als Reaktion auf ein Nahrungsmittel kann durch ein Spray verbessert werden, welches als Wirkstoff ein Beta-2-Sympathomimetikum enthält. Die Bronchien erweitern sich unter der Gabe des Sprays und die Atmung wird erleichtert. Bei Medikamenten - auch Sprays - müssen die möglichen Nebenwirkungen beachtet werden. Beta-2-Sympathomimetika können z. B. die Herzfrequenz erhöhen, Brustschmerz sowie Tremor (eine Art Zittern) auslösen. Durch Antihistaminika können Müdigkeit oder ein Grüner Star (Glaukom) entstehen.
Eine Hyposensibilisierung (Desensibilisierung, SIT, Spezifische Immun-Therapie) hilft auf lange Sicht oftmals sehr gut gegen eine Allergie. Sie wird eher bei Erwachsenen durchgeführt und ist bei einer Nahrungsmittelallergie meist nur dann sinnvoll, wenn eine Kreuzallergie (etwa gegen Pollen) besteht. Kleinkinder werden normalerweise keiner Hyposensibilisierung unterzogen, weil die Allergiesymptome später oft von alleine wieder zurückgehen. Die Hyposensibilisierung (SIT) besteht darin, den Patienten allmählich mit dem Allergen (allergisch wirkende Substanz) erst in minimaler und allmählich in immer höherer Dosis in Kontakt zu bringen. Der Patient reagiert bei erfolgreicher SIT im Laufe von Monaten bis Jahren immer weniger stark allergisch.
Eine Nahrungsmittelallergie, die sich beim Baby (im Alter um die sechs Monate) entwickelt, hat eine günstige Prognose: Häufig schwächt sie sich ab und verursacht im Alter von drei Jahren keine Symptome mehr. Das liegt vermutlich daran, dass das Immunsystem erst noch richtig ausreift.
Auch zu einem späteren Zeitpunkt kann sich eine Nahrungsallergie noch von selbst schwächer werden oder weggehen. Häufig bleibt sie aber auch bestehen. Wird auf betreffende Speisen verzichtet, dann lassen sich Symptome verhindern. Allerdings kann eine Kreuzallergie noch problematisch sein, insbesondere auf Pollen. Besonders dann ist eine Hyposensibilisierung (SIT) häufig erfolgreich.
Eltern können dafür sorgen, dass das Risiko eines Kindes, eine Allergie zu entwickeln, sinkt. Dazu gehört, dass das Kind bis mindestens zum sechsten Monat gestillt wird, dass in Anwesenheit des Kindes nicht geraucht wird und keine überzogene Hygiene mit Vermeidung jeglichen Schmutzes betrieben wird. Außerdem sollten Eltern darauf achten, dass die Belastung mit Hausstaubmilben gering bleibt. Probiotische Lebensmittel können ebenfalls die Entstehung und die Krankheitsentwicklung der Allergie günstig beeinflussen, weil sie die Darmflora und das Immunsystem stärken.
Bei einer Allergie gegen Hühnereiweiß ist es besonders wichtig, behandelnde Ärzte darauf aufmerksam zu machen, denn dann dürfen eine Reihe von Medikamenten und Impfpräparaten nicht eingesetzt werden, die Proteine aus Hühnereiweiß enthalten.
aktualisiert am 14.12.2023