Das myelodysplastische Syndrom umfasst verschiedene Krankheiten des blutbildenden Systems. Die Blutzellen entwickeln sich nicht richtig aus ihren Vorstufen und es liegen vermehrt Vorläuferzellen anstatt ausgereifter Blutkörperchen vor. Ein myelodysplastisches Syndrom kann zu einer Vielzahl von Symptomen wie Leistungsschwäche, hoher Blutungsneigung, Anzeichen einer Blutarmut (Anämie) oder geschwächter Immunabwehr führen.
Ausgangspunkt der Blutbildung ist die hämatopoetische Stammzelle (haima = das Blut; poesis = Erschaffung). Aus dieser Stammzelle entwickeln sich im Knochenmark alle im Blut vorhandenen Zelltypen. Beim myelodysplastischen Syndrom (MDS) ist die Weiterentwicklung gestört.
Krankhafte Merkmale sind
Bei Patienten mit einem myelodysplastischen Syndrom ist ein erhöhtes Risiko vorhanden, eine Form von Blutkrebs auszubilden, eine akute myeloische Leukämie.
Meist tritt das myelodysplastische Syndrom erst im hohen Lebensalter auf. Die verschiedenen Formen der Krankheit sind in ihrem Verlauf sowie der individuellen Ausprägung sehr unterschiedlich. Um eine geeignete Therapie einzuleiten, steht an oberster Stelle, das Risiko des Patienten einzuschätzen. Eine medikamentöse Heilung ist aktuell nicht möglich. So stehen für den Patienten vor allem unterstützende Maßnahmen im Vordergrund, die den Krankheitsverlauf und die Lebensqualität verbessern.
Das myelodysplastische Syndrom zählt zu den häufigsten bösartigen Krankheiten des blutbildenden Systems. Jährlich erkranken etwa vier von 100.000 Einwohnern neu an dieser Krankheit (Inzidenz 4/100.000). Im Schnitt sind diese Patienten ab einem Alter von 70 Jahren betroffen. Mit zunehmendem Alter steigt die jährliche Erkrankungsrate auf 30 bis 50 pro 100.000 Personen. Bei Kindern kann von einer sehr niedrigen Rate von Neuerkrankungen ausgegangen werden (Inzidenz 2 pro 1 Million).
Für das Zustandekommen eines myelodysplastischen Syndrom werden eine Reihe von Faktoren beschrieben. Der genaue Wirkmechanismus ist komplex und in seiner Gänze nicht vollständig geklärt.
Diskutiert wird das zufällige Aufeinandertreffen sowohl genetischer Ursachen als auch schädlicher Lebensumstände für die Störung der Blutbildung (Hämatopoese). In der Folge bestimmt eine überschießende Produktion maligner (bösartiger) Stammzellen sowie das programmierte Absterben
(Apoptose) von frühen Formen der Stammzellen das Geschehen. Die gesunden Zellen im Knochenmark werden verdrängt. Darauf zeigt sich im Blut eine Verminderung der zellulären Bestandteile (der weißen Blutkörperchen und roten Blutkörperchen sowie der Thrombozyten). Die Blutzellen können oft nur wenig ihre eigentlichen Funktionen wahrnehmen und sterben bei vielen Betroffenen vorzeitig ab.
Das myelodysplastische Syndrom wird in unterschiedliche Formen unterteilt.
Erkrankt der Patient ohne erkennbare äußere Einflüsse, so wird von einem primären myelodysplastischen Syndrom gesprochen. Der Großteil (90 Prozent) aller Krankheitsverläufe ist auf diese Form zurückzuführen.
Bei Patienten mit bereits entstandenen Tumoren kann es in der Folge von Bestrahlungen oder als Nebenwirkung einer Zytostatikatherapie (Gabe von Medikamenten zur Hemmung des Zellwachstums) zum Auftreten eines myelodysplastischen Syndroms kommen. Hier haben sich sogenannte Alkylantien in Verbindung mit einer Strahlentherapie als besonders kritisch herauskristallisiert. Alkylantien werden in der Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt, da sie in der Lage sind, Zellen durch eine Schädigung des Erbgutes zu zerstören. Selbst zwei bis sechs Jahre nach einem solchen Ereignis kann es weiterhin zu einem myelodysplastischen Syndrom kommen.
Die Handhabung von organischen Lösungsmitteln kann nach vielen Jahren ein myelodysplastisches Syndrom auslösen. Benzolhaltige Substanzen, die zu diesen Mitteln gehören, sind in Benzin oder Lacken anzutreffen. Bei entsprechenden Berufsgruppen wie Mitarbeitern von Tankstellen oder bei Lackierern kann das myelodysplastische Syndrom als Berufskrankheit anerkannt werden.
In der Folge von Strahlenbelastungen, wie sie bei Reaktorunfällen oder dem Abwurf zweier Atombomben in Hiroshima verursacht wurden, sind zahlreiche Fälle von myelodysplastischen Erkrankungen aufgetreten. Heute weiß man, dass eine hohe radioaktive Belastung die Blutbildung stark schädigt. Die lange und hohe Strahlenbelastung hat in den meisten Fällen schnell zu einer akuten Leukämie geführt.
Darüber hinaus können einige Krankheiten in ein myelodysplastisches Syndrom übergehen. Dazu zählt beispielsweise die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie, eine Krankheit, bei der die äußere Hülle der roten Blutkörperchen einen vererbten Defekt aufweist. Meist kommt es spontan
nachts zu einer sichtbaren Rotfärbung im Urin durch Blut (Hämoglobinurie).
In vielen Fällen wird das myelodysplastische Syndrom im Rahmen einer routinemäßigen Überprüfung entdeckt. Einige Patienten stellen sich mit Anzeichen von langanhaltender Erschöpfung und Müdigkeit (Fatigue) bei ihrem Hausarzt vor. Diese Merkmale einer Anämie (Blutarmut) gelten als das Leitsymptom eines myelodysplastischen Syndroms. Ein erster Grund, den Arzt aufzusuchen, ist auch eine vermehrte Anfälligkeit für Infekte oder unerklärliche Blutungen.
Bei einem Fünftel der Betroffenen entwickelt sich die Symptomatik eines myelodysplastischen Syndroms sehr langsam und erscheint über einen langen Zeitraum asymptomatisch. Außerdem können Krankheitsgeschehen mit ähnlichen Anzeichen von der Erkennung eines myelodysplastischen Syndroms ablenken.
Das myelodysplastische Syndrom ist in vielen Fällen eine Zufallsdiagnose. Im Rahmen eines operativen Eingriffs oder einer Kontrolluntersuchung fallen im kleinen Blutbild Veränderungen auf. Labordiagnostisch sind die roten Blutkörperchen vermindert. Sinkt der Hämoglobinwert (Wert für den roten Blutfarbstoff) auf unter zehn Gramm pro Deziliter (10 g/dl), spricht man von einer Anämie. Schwäche, ein schneller Herzschlag und Atemnot sind klinische Anzeichen der Blutarmut. Vor allem eine auffallende Blässe der Haut, Schleimhaut und des Nagelbettes ist ein charakterisierendes Merkmal.
Entwickelt sich das myelodysplastische Syndrom rasch, können sich Symptome von Störungen im Gehirn (Verwirrtheit, Schwindel), Sehstörungen oder Magen-Darm-Probleme hinzugesellen. Eine Anämie tritt bei drei Viertel der von der Krankheit betroffenen Patienten auf.
Aufgrund des Mangels an weißen Blutkörperchen (Leukozytopenie) kommt es bei etwa 30 Prozent der Erkrankten zu einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber Infekten. Die sogenannten neutrophilen Granulozyten machen den Großteil der weißen Blutkörperchen aus. Liegen sie in zu geringer Menge vor oder ist deren Funktion gestört, ist keine ausreichende Immunabwehr möglich.
Häufiges Zahnfleischbluten, Nasenbluten und ein gehäuftes Auftreten von kleinen und kleinsten Blutungen (Petechien) deuten auf eine verminderte Anzahl von Blutplättchen hin (Thrombozytopenie). Die Blutplättchen oder Thrombozyten sind wesentlich für die Blutgerinnung. Bei Frauen kann es im gebärfähigen Alter aufgrund einer Thrombozytopenie zu einer verlängerten Regelblutung kommen. Obwohl bei fast der Hälfte aller Patienten mit myelodysplastischem Syndrom die Thrombozytenzahl vermindert ist, werden Komplikationen durch schwere Blutungen (wie im Magen oder Gehirn) selten angetroffen.
Anzeichen, welche auf eine Autoimmunreaktion (krankhafte Reaktion gegen körpereigenes Gewebe) hinweisen, sind selten gesehene Phänomene. Darunter fallen eine Beteiligung der Haut (Sweet-Syndrom), Gefäßentzündungen oder Symptome an Knochen oder Gelenken.
Eine Schwierigkeit bei der Diagnose liegt darin, dass der niedergelassene Allgemeinarzt vielfach mit den Symptomen einer Anämie (Blutarmut) konfrontiert wird. Diese kann verschiedenste Gründe haben. Bei einigen Patienten wird das myelodysplastische Syndrom per Zufall entdeckt. Gerade bei älteren Menschen finden aufgrund anderer Krankheiten Blutbildkontrollen statt. Das kleine Blutbild gibt hier einen ersten Anhalt für eine mögliche Diagnose.
Ein sehr wichtiger Aspekt liegt in der Anamnese (Krankheitsgeschichte), die im Untersuchungsgespräch erhoben wird. Liegen dem Arzt Laborergebnisse vor, so kann er die Fragen nach vergangenen Krankheiten lenken, vor allem in Hinblick auf eine mögliche Strahlen- oder Chemotherapie. Damit kann er Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für ein myelodysplastisches Syndrom bekommen. Auch wenn der Patient sich längst im Rentenalter befindet, ist zudem eine Berufsanamnese von Interesse.
Alle klinisch-körperlichen Anzeichen einer Anämie sowie mögliche Hinweise auf einen Infekt können zielführend bei der Diagnosefindung sein. Die oben beschriebenen Symptome einer Gerinnungsstörung sind ebenfalls äußerlich leicht sichtbar.
Grundsätzlich wird ein Patient mit dem Verdacht auf ein myelodysplastisches Syndrom zu einem Facharzt für Blutkrankheiten oder in ein spezialisiertes Klinikum überwiesen.
Vorab müssen andere Gründe, welche eine Anämie zur Folge haben, ausgeschlossen werden. Ist mehr als nur eine Zellreihe der Blutkörperchen von einer Verminderung betroffen, ist dies als Warnzeichen für eine Erkrankung des Knochenmarkes zu werten.
Die Diagnose, insbesondere die Bestimmung des genauen Typs der Erkrankung anhand festgelegter Kriterien, erfolgt von fachlich qualifiziertem Personal. Von diesem wird eine Differenzierung (Unterscheidung) der Zellen im Blut und aus dem Knochenmark durchgeführt.
Die Untersuchung eines kleinen Blutbildes gehört zu den wichtigen Routineaufgaben eines klinischen Labors. Sie gibt Auskunft über die Zusammensetzung des Blutes. Abweichungen der Anzahl roter und weißer Blutkörperchen sowie der Blutplättchen können einen ersten Anhalt liefern.
Bei Auffälligkeiten ist eine Differenzierung der Blutzellen unter dem Mikroskop zwingend. Im normalen Blutbild dürfen keine Vorgängerstufen (Stammzellen) aus dem Knochenmark vorhanden sein. Ebenso ungewöhnlich sind Verschiebungen hinsichtlich der Anzahl einzelner Zelltypen. Veränderungen der Form (Fragmentierung der Zellen) sowie Einschlüsse (Ringsideroblasten) in den Zellen. Diese gehören gleichfalls zu den Dysplasie-Zeichen und deuten auf eine myelodysplastische Erkrankung hin.
Zur Abgrenzung gegenüber anderen Ursachen einer Anämie werden die Werte für Eisen, Vitamin B12 und Folsäure mitbestimmt. Die Bestimmung weiterer Laborwerte kann Hinweise für die Therapie geben. Eine Erhöhung der Laktatdehydrogenase (LDH) ist mit einer ungünstigen Prognose verbunden. Beim Anstieg von Ferritin kann eine Eisenüberladung vorliegen und der Körper muss durch eine Behandlung mit sogenannten Chelatbildnern entlastet werden. Die Bestimmung des Erythropoetin-Spiegels gibt einen Hinweis, ob eine Therapie mit einem Wachstumsfaktor für die roten Blutkörperchen sinnvoll ist. Darüber hinaus können die Messung von Bilirubin (Abbauprodukt des roten Blutfarbstoffes), Haptoglobin und Kalium einen Aufschluss über eine Anämie geben.
Wird eine Stammzelltransplantation erwogen, muss die Übereinstimmung des Gewebes von Spender und Empfänger untersucht werden. Dies geschieht unter anderem durch die Ermittlung der HLA-Typen (Oberflächen-Eigenschaften von Zellen).
Das zweite Standbein der Labordiagnostik beim myelodysplastischen Syndrom stellt die Zytologie (Beurteilung der Zellen) des Knochenmarks dar. Unter örtlicher Betäubung wird mit einer Spritze oder Stanze Knochenmark meist aus dem Hüftknochen oder dem Brustbein entnommen. Diese Punktion des Knochenmarks muss ein erfahrener Facharzt durchführen. Der kurze Eingriff kann zu leichten Schmerzen führen, die jedoch rasch wieder abklingen.
Ein Teil der Probe wird angefärbt. Der Arzt sucht in diesem Präparat unter dem Mikroskop nach Dysplasie-Zeichen. Hier fallen beim myelodysplastischen Syndrom vor allem eine vermehrte Anzahl von Vorläuferstufen der Blutzellen auf. Gehäuft finden sich in den Vorstufen der roten Blutkörperchen eisenhaltige Einschlüsse. Zellen mit dieser Auffälligkeit werden als Ringsideroblasten bezeichnet.
Die andere Komponente der Knochenmarkpunktion umfasst die Suche nach genetisch veränderten Merkmalen. Bei über 50 Prozent der Betroffenen können Abweichungen bei den Chromosomen (Träger der Erbinformation) gefunden werden. Der Befund kann bei der Einteilung des myelodysplastischen Syndroms hilfreich sein. Diese Analyse ist zur Prognose und als Richtlinie für die Therapie eines myelodysplastischen Syndroms unerlässlich. In den meisten Fällen dürfte die Punktion von Knochenmark gelingen. Im Falle einer punctio sicca, also wenn kein Knochenmark gewonnen werden kann, ist eine Chromosomenanalyse auch aus den Zellen im Blut möglich.
Eine Klassifikation des myelodysplastisches Syndroms macht vor allem im Hinblick auf die Auswahl einer individuell angepassten Therapie Sinn. Schon in den 80er Jahren wurde eine Einteilung unter dem Namen FAB-Klassifikation erarbeitet. Um die Jahrtausendwende war das Verständnis für den Verlauf der Erkrankung dank wissenschaftlicher Bemühungen weit vorangeschritten. Die Molekularbiologie hat es Medizinern ermöglicht, in den Zellen Veränderungen auf den Chromosomen nachweisen zu können. Eine Überarbeitung der FAB-Kriterien war überfällig. Unter dem Dach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstellte eine Arbeitsgruppe 1999 die 2016 überarbeitete Version der WHO-Klassifikation. Die Einordnung berücksichtigt neben den klassischen Dysplasie-Zeichen wie der Morphologie (Form und Größe der Zellen) und der Anzahl der Zellen auch genetische Faktoren.
Im Folgenden soll diese Klassifikation in leicht vereinfachter Form erklärt werden. Vielfach werden medizinische Fachbegriffe verwendet. Diese haben die folgenden Bedeutungen:
Zu dieser Form gehören die refraktäre Anämie (RA), die refraktäre Thrombozytopenie (RT) und die refraktäre Neutropenie (RN). Die unilineäre refraktäre Zytopenie bedeutet, es liegt eine Verminderung von lediglich einer Zelllinie vor. Vorstufen (Blasten) sind nur im Knochenmark anzutreffen, sonstige Dysplasie-Zeichen treten nur bei bis zu zehn Prozent der Gesamtzellzahl auf.
Hier handelt es sich um eine ausschließliche Verminderung der roten Blutzellen (Anämie). Ringsideroblasten können mit einem Anteil von mindestens 15 Prozent in den erythrozytären Vorstufen gefunden werden.
Dysplasie-Zeichen sind in zwei bis drei Zelllinien nachweisbar. Hinsichtlich der Überlebensrate besitzen Patienten mit einer RCMD eine schlechte Prognose. Ebenso muss mit einem deutlich erhöhten Risiko zum Übergang in eine Leukämie gerechnet werden.
Die häufigste Anomalie an den Chromosomen, welche bei einem myelodysplastischen Syndrom diagnostiziert wird, nennt sich del(5q). Diese Form besitzt therapeutisch eine gute Prognose. Der Übergang in eine Leukämie ist selten.
Refraktäre Anämien mit einem erhöhten Anteil von Vorstufen der roten Blutkörperchen werden in zwei Gruppen unterteilt (kleiner als 10 Prozent: RAEB I, 10 bis 20 Prozent: RAEB II). Die Gefahr einer akuten myeloischen Leukämie (AML) ist signifikant erhöht. In diesem Fall steigt der Anteil der Blasten (Vorstufen) auf über 20 Prozent an. Man muss bei der RAEB von einer mittleren Überlebenszeit von lediglich ein bis zwei Jahren ausgehen.
Bisweilen können zusätzliche Erkrankungen eine Begutachtung und Diagnostik erschweren. Die Form des myelodysplastischen Syndroms kann daher nicht immer festgestellt werden. Lässt sich ein Probenmaterial nicht oder schwer gewinnen (punctio sicca), kann dies auch zu einer nicht eindeutigen Klassifizierung führen.
Eine Trennung des Krankheitsbildes eines myelodysplastischen Syndroms von akuten Krankheitsgeschehen ist eine der wichtigsten diagnostischen Aufgaben. Das alleinige Auftreten von Dysplasie-Zeichen in einer Zelllinie kann für ein myelodysplastisches Syndrom sprechen. Krankhafte Veränderungen des Knochenmarkes werden auch im Rahmen einer Sepsis (Blutvergiftung) oder bei schweren Infektionen wie HIV oder Tuberkulose gefunden. Autoimmunerkrankungen (Erkrankungen, bei denen körpereigenes Gewebe durch das Immunsystem angegriffen werden) und der Einfluss mancher Gifte (Alkohol, Medikamente) können gleichfalls für eine dysplastische Veränderung im Knochenmark führen. Eine umfassende Kenntnis über Veränderungen des Knochenmarks kann nur ein entsprechend ausgebildeter Facharzt leisten.
Ebenso müssen Veränderungen der Probe aufgrund von Fehlern bei der Abnahme oder Aufbereitung in Betracht gezogen werden.
Ebenso bedarf die Abgrenzung zu bösartigen Neubildungen (Neoplasien) einer großen Erfahrung. Hierzu zählen die Formen akuter Leukämien oder die Haarzellleukämie. Veränderungen des Knochenmarks, insbesondere die Verdrängung gesunder Zellen, stellen auch eine Symptomatik mancher Lymphome dar. Wiederkehrende Infekte sowie die Verminderung der weißen Blutzellen und Plättchen müssen hierbei bewertet werden.
Nicht in jedem Fall kann eine klare Unterscheidung zwischen myelodysplastischen Syndrom und Neoplasien im Knochenmark gezogen werden. Erhöhte Zellzahlen, wie sie bei den Neoplasien vorkommen, können parallel mit Anzeichen eines myelodysplastischen Syndroms einhergehen. Für diesen Fall wurde durch die WHO die Bezeichnung der MDS/MPN eingeführt (MPN = myeloproliferative Neoplasien).
Voraussetzung für die Therapie ist neben der exakten Diagnosestellung eine Abschätzung des wahrscheinlichen Verlaufs der Erkrankung. Hierfür werden die erhobenen Befunde sowie individuelle Angaben über Alter, Geschlecht und weitere Erkrankungen benötigt. Der anhand von Laborwerten ermittelte Bedarf an Blutkonserven wird bei einigen der Scores (Punkteskalen) ebenso berücksichtigt. Alle erhobenen Aussagen werden unterschiedlichen Punktezahlen zugewiesen. Die ermittelte Gesamtpunktzahl ergibt eine Aussage bezüglich des Behandlungsplanes sowie der
Überlebenschancen.
Prognose-Scores sind somit Werkzeuge, welche dem Arzt eine individuell zugeschnittene Aussage über den Patienten ermöglichen. Es stehen mehrere Punktesysteme zur Verfügung, die sich hinsichtlich einzelner diagnostischer Parameter unterscheiden. Vielfach kann die Eingabe der benötigten Parameter mittlerweile computergestützt berechnet werden.
Das IPSS basiert auf der Beschreibung der offensichtlichen Beeinträchtigung des blutbildenden Systems sowie der Anzahl normaler und krankhaft veränderter (pathologischer) Zellen im Blut und Knochenmark. Es zielt vor allem auf eine mögliche Überlebenswahrscheinlichkeit ab.
In seiner überarbeiteten Version, dem IPSS-R, wird den modernen Differenzierungsmöglichkeiten in der Molekulargenetik Rechnung getragen. Beim IPSS-R können fünf Chromosomenschäden unterschieden werden. Gleichfalls wird das Ausmaß der Zytopenie (Verminderung der Zellzahl)
berücksichtigt. Somit kann eine spezifische Aussage bezüglich der Überlebensrate sowie einer möglichen Erkrankung an einer akuten myeloischen Leukämie getroffen werden.
Während die beiden vorgenannten Scores nur den aktuellen Stand der Erkrankung berücksichtigen, passt sich der WPSS an jede neue Situation im Verlauf der Erkrankung an. Damit lässt sich eine Risikoabschätzung dynamisch berechnen.
Der Nordic Score kommt vor allem im Krankheitsverlauf des myelodysplastischen Syndroms zum Einsatz. Er bietet neben den oben genannten Merkmalen die Berücksichtigung der Gabe von Blutkonserven an. Ein Vorteil kann sein, dass das Verabreichen von Wachstumsfaktoren für die roten Blutkörperchen einbezogen wird.
In vielen Fällen bestehen oder entstehen neben der Diagnose eines myelodysplastischen Syndroms weitere Erkrankungen (Komorbidität). Diese müssen bei der Risikoeinschätzung einbezogen werden. Eine Erleichterung bietet hier die mögliche Bewertung anhand des MDS-Comorbidity-Score.
Das Spektrum möglicher Symptome, Ausprägungen und patientenspezifischer Einflussfaktoren ist breit. Daher kann nicht eine allgemeingültige spezifische Therapie angeboten werden. Vielmehr muss eine Behandlung individuell mit den jeweiligen Erfordernissen der erkrankten Person abgestimmt werden.
International besetzte Arbeitsgruppen haben Leitlinien erstellt, mit deren Hilfe versucht wird, die Lebensqualität zu erhalten und die zu erwartende Lebenszeit zu verlängern. Nur zu einem kleinen Teil basieren die Aussagen auf bestehenden Studien, welche die Wirksamkeit der Behandlung
eindeutig beweisen.
Eine kurative (heilungsversprechende) Behandlung ist lediglich im fortgeschrittenen Krankheitsstadium angezeigt. Der weitaus größte Anteil der Betroffenen wird einer die Lebensqualität stützenden (supportiven) Therapie unterzogen.
Anhand der vorgenommenen Risikoeinschätzung ist ein rechtzeitiger Behandlungsbeginn anzustreben. So sind nicht ausschließlich klinische Befunde und Laborwerte maßgebend. Vielmehr sollen Maßnahmen auch am offensichtlichen Bedarf des Patienten orientiert sein. Die verschiedenen Punkteskalen führen primär zur Einteilung in Patienten mit einem niedrigen oder hohen Risiko.
Entsprechend der Leitlinien werden bei den Niedrigrisikopatienten unterschiedliche Behandlungsansätze verfolgt. Ausschlaggebend sind meist der IPSS- oder IPSS-R-Score. Die Score-Ergebnisse „very low risk“, „low risk“ sowie „intermediate risk“ stehen für Patienten mit einem niedrigen bis mäßigen Risiko. Für Patienten mit dieser Risikoeinschätzung sind die Erhöhung der Lebensqualität und die Selbstbestimmung die wichtigste Zielvorgabe für die Behandlung.
Die einzige Therapie mit einer Aussicht auf Heilung (kurativ) des myelodysplastischen Syndroms besteht in einer Stammzelltransplantation (Einbringen von Stammzellen eines Spenders in den Körper des Betroffenen). Patienten mit einem Punktwert low risk oder intermediate risk in der Risikoabschätzung kommen nicht für diese Art der Behandlung infrage.
Beobachten und abwarten (watch and wait) ist beim Fehlen eindeutiger Symptome (Asymptomatik) bei vielen Patienten mit einer nur wenig ausgeprägten Verminderung der Zellanzahl (Zytopenie) die vorrangige Vorgehensweise. In die Einschätzung müssen darüber hinaus bestehende Erkrankungen sowie das Alter und der Allgemeinzustand der erkrankten Person einfließen.
In den meisten Fällen werden die Patienten jedoch mit klinischen Symptomen den Arzt aufsuchen.
Die Basis einer jeden Therapie des myelodysplastischen Syndroms stellen unterstützende Maßnahmen dar (supportive Therapie). Anhand des patientenspezifischen Punktewertes (Score) wird die größtmögliche Lebensqualität bei einem geringen Ausmaß an Nebenwirkungen angestrebt.
Beim weitaus größten Anteil der Patienten wird eine refraktäre Anämie, also ein myelodysplastisches Syndrom mit einer Verminderung der roten Blutkörperchen diagnostiziert. Maßgeblich für die Einleitung einer supportiven Therapie sind weniger die im Labor messbaren Werte als vielmehr der subjektive Zustand des Patienten.
Das wesentliche Element dieses unterstützenden Verfahrens besteht in der Transfusion von roten Blutkörperchen (Erythrozytenkonzentraten). Unterhalb eines Hämoglobinwertes von 8 g/dl ist die Gabe von Blutkonserven üblich.
Unter der Verabreichung des Mittels Lenalidomid konnten zwei Drittel der Patienten, bei denen die Veränderung del(5q) vorliegt, auf Transfusionen verzichten.
Für einen Großteil bleibt dennoch die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten das Mittel der Wahl. Die große Anzahl von Blutkonserven lassen den Gehalt von Ferritin (Eiweiß, in dem Eisen gespeichert wird) im Blut bisweilen auf Werte von größer 1000 ng/ml ansteigen (erworbene Hämosiderose). Dies ist ein Anhaltspunkt für eine Überladung des Organismus mit Eisen. Das Metall lagert sich in Organen und auch in den Blutzellen (Ringsideroblasten) ab und führt dort zu krankhaften Veränderungen.
Dies begründet bei einer lang anhaltenden Therapie mit Blutkonserven die Gabe von Eisen-Chelatoren. Sogenannte Chelatbildner sind in der Lage, Metalle zu binden und sie aus dem Körper auszuschleusen. Der therapeutische Effekt liegt in einer höheren Lebenserwartung. Bei etwa 20 Prozent der Behandelten konnte als Nebeneffekt ein Ansteigen der betroffenen Zelllinie beobachtet werden.
Eine Überladung mit Eisen kann bei einer geplanten allogenen (von einem fremden Spender ausgehenden) Stammzelltransplantation zu Komplikationen führen. Der Behandlung mit Chelatbildnern kommt folglich auch hier eine große Bedeutung zu.
Der Nordic Score beinhaltet bei der Bewertung unter anderem die Bestimmung des Erythropoetins. Diese Substanz reguliert im Körper die Bildung von roten Blutkörperchen aus den Vorgängerzellen im Knochenmark. Es liegt nahe, diesen Vorgang zu unterstützen. Einen negativen Bekanntheitswert hat dieses Medikament unter dem Begriff EPO im Zusammenhang mit Dopingvorwürfen erreicht. Beim myelodysplastischen Syndrom kann unter bestimmten Voraussetzungen bei bis zu 75 Prozent der Patienten ein positiver Effekt nachgewiesen werden. Bei der Anwendung muss jedoch der lange Zeitraum bis zum Wirkeintritt bedacht werden (bis zu sechs Monate).
Die Blutplättchen (Thrombozyten) spielen eine wichtige Rolle bei der Gerinnung. Unterhalb eines Wertes von 10.000 Thrombozyten pro Mikroliter (normal sind 150.000 bis 400.000) ist mit bedrohlichen Blutungen zu rechnen.
In diesem Fall ist die Verabreichung von Thrombozyten-Konzentraten eine Therapieoption. Die vorsorgliche Transfusion ist nur in seltenen Fällen bei schweren Infektionen angezeigt. Alternativ kann ein Medikament aus der Gruppe der Antifibrinolytika gegeben werden, welches eine akute Blutungsgefahr vermindern kann.
Wie bei einer Anämie sind bei einer Verminderung der Thrombozyten Wachstumsfaktoren eine erfolgversprechende Möglichkeit. Noch sind einige der Medikamente nicht über das Stadium einer Studie hinausgekommen. Erste Ergebnisse sprechen jedoch für eine deutliche Verbesserung bei der Neubildung von Blutplättchen.
Die Immunabwehr findet auf Zellebene mithilfe der weißen Blutkörperchen, der Leukozyten statt. Von besonderem Interesse sind die neutrophilen Granulozyten, welche aus den Blutgefäßen in das betroffene entzündete Gewebe wandern können. Aus diesem Grund wird bei einer Verminderung von einer Neutropenie gesprochen. Da bei der Verminderung der Leukozyten eine Transfusion nicht möglich ist, muss auf Wachstumsfaktoren und vorbeugende Maßnahmen zurückgegriffen werden.
Eine Möglichkeit bietet die Gabe von Granulozyten-Kolonie-stimulierenden Faktoren (G-CSF). Die Behandlung bietet noch keinen gesicherten Erfolg und führt lediglich zu einem vorübergehenden Anstieg der neutrophilen Granulozyten.
Somit bildet die Vorbeugung den wesentlichen Pfeiler bei der Behandlung von verminderten weißen Blutzellen. Wichtig ist, schwere infektiöse Geschehen wie beispielsweise die Pneumocystis-Pneumonie (eine Form der Lungenentzündung) zu verhindern. Die vorbeugende Einnahme von Antibiotika ist nicht zu empfehlen. Jedoch sollte schon beim Auftreten von geringgradigen Infektionen mit einer Behandlung begonnen werden.
Zu den vorbeugenden Maßnahmen von Infektionskrankheiten gehören eine Impfung gegen Pneumokokken und die jährliche Grippeimpfung (Empfehlung der ständigen Impfkommission).
Zu den supportiven (unterstützenden) Maßnahmen gehört die Verabreichung sogenannter Immunmodulatoren. Sie unterstützen die körpereigene Abwehr, stimulieren die Zellteilung und lassen rote Blutzellen ausreifen. Studien belegen eine Wirksamkeit bei Patienten mit einer Chromosomen-Abweichung "del(5q)". Im Ergebnis kann es dazu kommen, dass Patienten von den Transfusionen unabhängig werden. Bei einem Teil dieser Patienten ist ein vorübergehender oder dauerhafter Rückgang des Krankheitsgeschehens zu verzeichnen. Patienten, welche nicht an der del(5q)-Variante leiden, können von dieser Behandlung kaum profitieren.
Ein Hochrisikopatient hat eine verminderte Lebensqualität und im Vergleich mit der restlichen Bevölkerung eine deutlich herabgesetzte Lebenserwartung. Das Ziel der Therapie liegt vorwiegend in einer Verlängerung der Überlebenszeit.
Somit kommt für diese Patientengruppe eine kurative Therapie in Form einer allogenen Stammzelltherapie infrage.
Bis zu einem Alter von 70 Jahren ist eine Stammzelltransplantation angezeigt. Sofern nicht zusätzlich schwerwiegende Erkrankungen vorliegen, kann diese Therapie bei 30 bis 50 Prozent der Patienten zu einem Heilungserfolg führen.
Im Rahmen einer allogenen Stammzelltransplantation werden die Vorstufen der Blutzellen von einem fremden Spender (allogen) auf den Patienten übertragen. Eine wesentliche Voraussetzung ist die Verträglichkeit des Gewebes von Spender und Empfänger. Als Maßstab gilt der Major Histocompatibility Complex, zu Deutsch die HLA-Übereinstimmung. Bevor die eigentliche Transplantation durchgeführt wird, müssen sämtliche blutbildende Stammzellen des Empfängers zerstört werden. Zum Einsatz kommen starke Chemotherapeutika und eine Strahlentherapie. Die Risiken sind als hoch einzuschätzen. Die Patienten sind während dieser Zeit einem enormen Infektionsrisiko ausgesetzt, da nicht nur die kranken Zellen zerstört werden, sondern auch sämtliche gesunde Blutzellen im Knochenmark davon betroffen sind.
Im Anschluss an die Transplantation geht die größte Gefahr von einer Abstoßungsreaktion der fremden Zellen aus (Graft-versus-Host-Reaktion). Eine intensive Nachsorge und Überwachung des Transplantationserfolges ist überlebenswichtig. Dennoch kommt es bei 10 bis 30 Prozent der behandelten Patienten zu Todesfällen. Einem Therapieerfolg von 30 bis 50 Prozent steht eine ebenso hohe Rückfallquote gegenüber.
Eine Chemotherapie, bei der verschiedene Medikamente mit unterschiedlichen Wirkmechanismen kombiniert werden, ist nur nach strengen Auswahlkriterien angezeigt. Zumal der Erfolg der Behandlung nicht gesichert ist und es zu erheblichen Nebenwirkungen kommt, kann die Behandlung nur an ausgewählten hämatologischen Kliniken durchgeführt werden. Lediglich im Falle einer geplanten Stammzelltransplantation ist eine Chemotherapie mit dieser Dimension als sinnvoll zu erachten.
Vor einer Stammzelltransplantation muss anhand der Risikoscores überprüft werden, inwieweit eine allein unterstützende (supportive) Therapie zum Tragen kommen kann. Diese kann unter anderem in der Gabe von Blutkonserven mit roten Blutkörperchen (Erythrozytenkonzentraten) bestehen.
Die epigenetische Therapie zählt zu den modernen Therapieformen. Unter Epigenetik werden alle Veränderungen einer Zelle bezeichnet, die nicht genetischen Ursprungs sind. Diese Behandlungsmethode kommt vor allem bei älteren Patienten zu Anwendung, welche für eine intensive Chemotherapie oder eine Stammzelltransplantation nicht geeignet sind. Auch wenn das myelodysplastische Syndrom auf diese Weise nicht geheilt werden kann, so bringt die epigenetische Therapie doch einen erheblichen Qualitätsgewinn mit sich. Insbesondere ist ein stationärer Aufenthalt nicht zwingend erforderlich und das Medikament muss lediglich unter die Haut gespritzt werden.
Hinsichtlich der Überlebenszeit spricht ein Zugewinn von bis zu einem Dreivierteljahr für den Einsatz der epigenetischen Therapie. Bei etwa der Hälfte der Patienten wird eine Veränderung zum Positiven sowohl bei der Zellzahl im Blut als im Knochenmark beschrieben.
Beim myelodysplastischen Syndrom werden Gene, welche für die Unterdrückung von Tumoren verantwortlich sind, abgeschaltet. Auf diese Weise können sich maligne (bösartige) Zellen rasch vermehren. Diese Gene werden durch Medikamente inaktiviert, sodass die Neubildung gesunder Zellen wieder möglich wird.
Der Eintritt der Wirkung wird aufgrund dieses komplexen Vorganges verzögert und macht in einigen Fällen mehrere Behandlungszyklen notwendig.
Der Einsatz von Medikamenten, wie sie in der nichtintensiven Chemotherapie verabreicht werden, ist in den letzten Jahren durch die epigenetische Therapie weitgehend abgelöst worden. Lediglich bei einem Therapieversagen anderer nicht kurativer (keine Abheilung erzielender) Verfahren können sie noch eine Alternative darstellen.
Eine Chemotherapie kommt beim myelodysplastischen Syndrom im Wesentlichen einer immunsuppressiven Therapie gleich. Medikamente wie Methotrexat hemmen nicht nur das Wachstum bestimmter Zellen, wirken also zytostatisch, sie besitzen auch die Fähigkeit, das Immunsystem herunterzuregulieren (Immunsuppression).
Ziel der wissenschaftlichen Forschung ist es, medizinische Maßnahmen zu verbessern. Um dies zu erreichen, werden Patienten mit einem myelodysplastischen Syndrom oft im Rahmen von Therapiestudien behandelt. Je größer die Anzahl der Teilnehmer an einer Studie ist, desto signifikanter können Aussagen über den Erfolg einer Behandlungsstrategie sein. Der Einschluss in eine dieser Studien ist für den Patienten nicht gleichbedeutend mit dem Verfahren, welches zur Erprobung neuer Medikamente angewandt wird. Eine Teilnahme ist immer freiwillig.
Das myelodysplastische Syndrom ist mit den vorhandenen Therapieoptionen in den wenigsten Fällen heilbar. Nur Patienten mit bestimmten Voraussetzungen profitieren von der Möglichkeit einer allogenen Stammzelltransplantation. Auch eine gute Gefahreneinschätzung durch den Arzt kann dem Patienten keinen Heilerfolg garantieren. In vielen Fällen muss über die Therapie erzielt werden, die Lebensqualität zu erhöhen und die Lebensdauer auszudehnen.
Die myelodysplastischen Syndrome weisen eine mittlere Überlebensdauer von 30 Monaten auf. Dies ist individuell sehr unterschiedlich und hängt stark von der jeweiligen Risikogruppe ab. Während bei einem myelodysplastischen Syndrom mit sehr hohem Risiko die mittlere Überlebenszeit bei unter einem Jahr liegt, ist sie bei der Einteilung in sehr niedriges Risiko bei mehr als acht Jahren.
Von entscheidender Bedeutung für den weiteren Verlauf des myelodysplastischen Syndroms ist ebenfalls die Fragestellung, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Übergang zur akuten myeloischen Leukämie stattfindet. Bei immerhin einem Viertel der Patienten entwickelt sich im Laufe der Erkrankung eine akute Leukämie.
Eine gewissenhafte Auswertung der Risikoscores ermöglicht es dem Arzt auch, die bestmögliche Therapie anzubieten. In den meisten Fällen ist ein supportiver Ansatz ausreichend. Medikamente mit epigenetischem Wirkmechanismus sind gewiss ein Fortschritt, sie können dennoch
nur eine lebensverlängernde Maßnahme sein.
Reha-Maßnahmen sind den jungen Patienten mit einem schweren Krankheitsverlauf vorbehalten. Seit einiger Zeit laufen Versuche mit dem Ziel, positive Auswirkungen einer Eisenchelat-Therapie auf die Neubildung der Blutzellen zu untermauern. Hier gibt es positive Forschungsansätze, welche in klinischen Studien belegt werden sollen.
Die Wahrscheinlichkeit, an einem myelodysplastischen Syndrom zu erkranken, liegt bei zwei von einer Million aller Kinder im Alter unter 14 Jahren. Jungen sind dabei häufiger betroffen als Mädchen. Bei 75 Prozent der Erkrankten handelt es sich um ein primäres myelodysplastisches Syndrom.
Vermutungen gehen in die Richtung, dass es sich hier um eine angeborene, genetische Ursache handelt. Möglicherweise ist diese Veranlagung schon in den Erbanlagen eines oder beider Elternteile festgelegt. Im Falle einer kurativen Therapie (Behandlung mit Heilungsansatz) mittels der Stammzelltransplantation muss ein möglicher elterlicher Spender auf diese Mutation hin untersucht werden. Die Prognose bei Kindern ist im Vergleich mit Erwachsenen sehr gut. So liegt die Überlebensrate bei 80 bis 90 Prozent aller jungen Patienten.
Eine gezielte Vorbeugung vor einem myelodysplastischen Syndrom ist in den meisten Fällen nicht möglich. Noch fehlen wissenschaftlich einwandfreie Beweise über die Zusammenhänge giftiger Substanzen und der Erkrankung am myelodysplastischen Syndrom. In Deutschland bieten das Arbeitsschutzrecht und das Emissionsschutzgesetz eine Reihe von Empfehlungen und Bestimmungen an, die den Schutz vor der Erkrankung möglich machen. Auf deren Einhaltung, gerade in gefährdeten Betrieben, sollte das Hauptaugenmerk gerichtet sein.
Bei Betroffenen, bei denen ein myelodysplastisches Syndrom besteht, sind eine regelmäßige Kontrolle aller relevanten Laborwerte sowie die wiederholte Neubewertung des Gesundheitszustandes anhand eines Risikoscores wichtig. Ein frühzeitiges Erkennen jeglicher Veränderungen im Rahmen der Krankheit gibt dem Arzt die Möglichkeit, die Therapie anzupassen.
Die Verbesserung der eigenen Lebensqualität muss nicht nur die Aufgabe eines Arztes sein. Jeder Patient kann durch eine gesunde Lebensweise seinen Anteil zu einem positiven Therapieverlauf beitragen. In dem Bewusstsein der Schwere der Erkrankung ist einem wirksamen Schutz vor Infektionen zu jedem Zeitpunkt eine besondere Wichtigkeit zuzumessen. Dazu gehört ein regelmäßiges Händewaschen wie ein vorsichtiger Umgang mit rohen Nahrungsmitteln.
Sowohl am Arbeitsplatz wie in der Freizeit können Patienten mit einer verminderten Anzahl an Blutplättchen darauf achten, sich nicht zu verletzen. Es ist sinnvoll, die Partner und Freunde über eine vermehrte Blutungsneigung und die Gefahren zu informieren.
Nicht nur für Betroffene selbst, auch für die nächsten Mitmenschen können die Symptome und die Therapie eine Herausforderung und psychische Belastung darstellen. Der Austausch über Ängste, sei es mit Freunden oder in professionellen Gruppenangeboten, kann zu mehr Zufriedenheit in dieser anstrengenden Lebenssituation führen.
Heutzutage muss kein Patient dem myelodysplastischen Syndrom hilflos gegenüberstehen. Die Zusammenarbeit von Allgemeinärzten mit Spezialisten für Blut-Erkrankungen und Tumorerkrankungen ist gut organisiert. Eine Vielzahl an Zentren zur Überwachung sowie der Einschluss in wissenschaftlich betreute Studien gewährt eine optimale Versorgung.
Therapiebegleiter zu myelodysplastischen Syndromen (MDS) – Informationen zu Laborwerten, Therapieoptionen, Alltag und Reisen; Herausgeber: Leukämiehilfe RHEIN-MAIN e.V.
www.leukaemiehilfe-rhein-main.de
MDS-Broschüre – Informationen für Patienten und Angehörige;
Transfusionsbedingte Eisenüberladung bei Patienten mit myelodysplastischem Syndrom oder aplastischer Anämie, ein Leitfaden für Patienten
Herausgeber: Stiftung Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe
https://stiftung-dlh.de/
Von Patient zu Patient – Empfehlungen und Hinweise zum Umgang mit MDS; Herausgeber: Leukämie Lymphom Liga e.V.
https://www.leukaemie-liga.de/
Leben mit MDS – Strategien für Patienten & Angehörige; Herausgeber: MDS Foundation
https://www.mds-foundation.org
Düsseldorfer MDS-Register
http://www.mds-register.de/duesseldorf
Europäisches MDS Studienbüro (EMSCO)
https://www.gwtonline.de/woran-wir-arbeiten/referenzen/emsco
MDS-NET Deutschland e.V.
http://mds-net-de.org/index.html
Die MDS Patienten Interessen Gemeinschaft
http://www.mds-patienten-ig.org/
Kompetenznetz Leukämien: https://www.kompetenznetz-leukaemie.de/content/patienten/leukaemien/mds/ (online, letzter Abruf: 01.08.2019)
Onkopedia Leitlinien: https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/myelodysplastische-syndrome-mds/@@guideline/html/index.html (online, letzter Abruf: 01.08.2019)
Deutsches Ärzteblatt: https://www.aerzteblatt.de/archiv/148798/Myelodysplastische-Syndrome (online, letzter Abruf: 01.08.2019)
aktualisiert am 06.08.2019