Multiple Sklerose trifft vor allem jüngere Erwachsene zwischen 20 und 40 Jahren. Aber auch Kinder und Menschen in anderen Altersgruppen können erkranken. Die Autoimmunerkrankung führt zu schwerwiegenden Nervenleitstörungen, wenn das überaktive Immunsystem Entzündungsprozesse im Zentralnervensystem in Gang setzt.
Um nicht nur einzelne Symptome, sondern auch die Ursache der Krankheit zu bekämpfen oder ihrem Ausbruch vorzubeugen, wird die Bedeutung von Vitamin D diskutiert.
Den Entzündungen lässt sich mit diversen Medikamenten Einhalt gebieten. Cortison ist bei akuten Schüben das Mittel der Wahl. Situationsbedingt können das immun-stimulierende Interferon oder Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken (Immunsuppressiva) die Krankheitssymptome unter Kontrolle bringen. Die Nebenwirkungen der Medikamente sind nicht zu unterschätzen – sie müssen nicht bei jedem Patienten auftreten, stellen jedoch bei längerer Einnahme ein großes Risiko dar. Zusätzliche Präparate helfen gegen das chronische Fatigue-Symptom (Müdigkeitssyndrom), die Depressionen, Schmerzzustände und andere Erscheinungsformen der MS. Auch bei diesen Mitteln drohen Wechsel- und Nebenwirkungen.
Eine Studie aus Kanada erbrachte interessante und hoffnungsvolle Ergebnisse: Hochdosiertes Vitamin D – etwa 350 Mikrogramm täglich – verhinderte bei Patienten offenbar das Auftreten neuer Schübe. Die diversen Funktionsstörungen schritten nicht weiter fort, Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.
Noch immer warnen Mediziner vor hochdosiertem Vitamin D. Bislang zeigte sich aber, dass im Falle von MS eine positive Wirkung bei niedriger Dosis ausbleibt, umgekehrt die Einnahme eines größeren Quantums auch über längere Zeit hinweg gut verträglich ist. Erst etwa 1.000 Mikrogramm (40.000 I. E.) für mehrere Monate gilt als eine Menge, bei der es für die Patienten kritisch werden könnte. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung revidierte ihre vorherige Einnahmeempfehlung für Vitamin D bei gesunden Menschen: Die sichere Tagesdosis wurde heraufgesetzt.
Wer davon ausgeht, dass kontrollierte Sonnenbäder oder regelmäßiger Aufenthalt im Freien in jedem Falle ausreichen, die Versorgung mit Vitamin D sicherzustellen, täuscht sich: Abhängig von geographischer Region und Lebensweise reicht die Intensität solcher Sonnenbäder nicht aus. Bezeichnenderweise steigt die Häufigkeit der MS-Fälle proportional zur Entfernung vom Äquator. In nördlichen Regionen wird ein möglicher Vitamin-D-Mangel durch die Ernährung mit viel Fisch kompensiert. Bei Menschen über 50 lässt zudem die Fähigkeit nach, über die Haut und unter Einwirkung von UV-Strahlung Vitamin D3 zu bilden.
Je dunkelhäutiger eine Person ist oder je seltener Sonne an die Haut gelangt, desto weniger Vitamin D3 wird gebildet. In Zeiten erhöhter Belastung oder bei großem Infektionsdruck, etwa in der Haupt-Erkältungszeit, steigt offensichtlich der Vitamin-D-Bedarf: Das Immunsystem scheint das Vitamin als Katalysator dringend zu benötigen.
2015 berichtete ein dänisches Forscherteam über den Zusammenhang zwischen aktiven T-Zellen, die Krankheitserreger eliminieren, und Vitamin D: Ohne ausreichende Mengen des Vitamins werden die T-Zellen gar nicht erst aktiv, sie replizieren sich nicht ausreichend. Umgekehrt vermehren sich die T-Zellen bei einer Autoimmunerkrankung übermäßig, überschwemmen den Ort der vermeintlich feindlichen „Invasion“ und erzeugen Entzündungsherde. Die Folgen sind bekannt: Bei MS werden dabei die Markscheiden der Nervenfasern angegriffen und zerstört. Vitamin D scheint dabei die körpereigene Immunabwehr nicht nur in Gang, sondern auch unter Kontrolle zu halten.
Eine US-Studie aus dem Jahr 2006 legt nahe, dass das MS-Risiko sinkt, je besser die Versorgung mit Vitamin D ist. Ebenfalls wurde dokumentiert, dass bereits vorhandene Nervenfunktionsstörungen durch die MS-typischen „Entmarkungsherde“ an den Nervenenden im Rückenmark sich durch regelmäßige Tages-Dosen von Vitamin D regenerierten.
Nach den derzeitigen Erkenntnissen ist der Nutzen für Gesundheit und Wohlbefinden groß, ein Risikofaktor ist im Grunde nicht bekannt. Vor allem ergab die Auswertung der Untersuchungen, dass Knochenstabilität, Kraft und Mobilität älterer Menschen von Vitamin D profitieren. Das Vitamin D hat damit noch Effekte, die noch über die positiven Auswirkungen auf das Immunsystem hinausgehen. Diese Faktoren hat auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung bei der Empfehlung für die Tagesdosis der ergänzenden Vitamin-D-Einnahme berücksichtigt.
aktualisiert am 31.03.2023