Morbus Wegener ist eine seltene Krankheit. Sie wird heute Granulomatose mit Polyangiitis genannt. Sie zählt zu den Autoimmunerkrankungen – Erkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen körpereigenes Gewebe richtet. Außerdem gehört sie zu den rheumatischen Erkrankungen. Bei Betroffenen kommt es zu Entzündungen in den kleinen und mittelgroßen Gefäßen und zu knotenartigen Veränderungen (Granulomen). Die Granulome treten vor allem in den Atemwegen, aber auch im Bereich der Gefäßwände auf. Prinzipiell können alle Körperregionen von der Erkrankung betroffen sein. Sie tritt vorwiegend ab dem 40. Lebensjahr auf. Die Ursachen sind weitgehend unbekannt. Anfangssymptome sind meist Entzündungen der oberen Atemwege wie Schnupfen oder Nasennebenhöhlenentzündungen. In weiteren Verlauf sind häufig auch Organe wie Ohren oder Augen, Gelenke, Lunge und Nieren betroffen. Morbus Wegener ist nicht heilbar, aber behandelbar. Die Erkrankung kann vor allem unbehandelt tödlich enden.
Info: Der Name Morbus Wegener wurde 2011 offiziell geändert in Granulomatose mit Polyangiitis (GPA). Das hat folgende Hintergründe: Zum einen wurden in jüngerer Zeit viele Erkrankungen mit Eigennamen von Personen umbenannt in fachlichere Bezeichnungen. Zum anderen ist nicht ganz klar, welchen Tätigkeiten der Erstbeschreiber Friedrich Wegener in der NS-Zeit nachging. Dennoch wird im medizinischen Alltag oft noch von Morbus Wegener (oder Wegener-Granulomatose) gesprochen.
Die Ursachen von Morbus Wegener (Granulomatose mit Polyangiitis) sind noch weitgehend unbekannt. Erbliche Faktoren werden vermutet. Die Frage, ob vorangegangene Infektionen ein Auslöser sein können, ist nicht abschließend geklärt. Denkbar ist, dass Bakterien, beispielsweise Staphylokokken, eine Reaktion des Abwehrsystems mit nachfolgender Entzündung in den Gefäßen (Vaskulitis) auslösen. Häufig können bei Morbus Wegener bestimmte Antikörper (antineutrophile zytoplasmatische Antikörper = ANCA) bei den Betroffenen nachgewiesen werden. Diese sind Autoantikörper, das heißt, sie richten sich gegen Gewebe des Körpers des Betroffenen selbst.
Die Symptome und der Verlauf sind bei Morbus Wegener individuell sehr unterschiedlich. Je früher die Diagnose und damit die Behandlung erfolgt, desto höher sind die Chancen, dass die Erkrankung weniger schwer verläuft.
Zu Beginn zeigt sich meist ein chronischer Schnupfen mit zusätzlicher Nasennebenhöhlenentzündung. Der Schnupfen kann blutig sein. Oft bilden sich borkige Krusten in der Nase oder auch Geschwüre im Nasen- und Rachenraum. Wird die Nasenscheidewand durch die chronische Entzündung beschädigt, kommt es zu typischen Formveränderungen der Nase, der sogenannten Sattelnase. Beschwerden, die ebenfalls im frühen Krankheitsstadium auftreten, sind allgemeine Krankheitssymptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Fieber und Nachtschweiß.
Weiterhin können Symptome der Granulomatose mit Polyangiitis an vielen Organen auftreten. Möglich sind im Krankheitsverlauf unter anderem:
In vielen Fällen vergeht einige Zeit, bis die Betroffenen die richtige Diagnose erhalten. Das liegt vor allem daran, dass die Symptomatik unterschiedlich sein kann und davon abhängt, welche Organe vorwiegend betroffen sind. Daher führt der Weg zur Diagnose häufig über den Ausschluss anderer Erkrankungen.
Zunächst lässt sich der Arzt die vorliegenden Symptome ausführlich schildern. Übliche Fragen sind beispielsweise:
Die körperliche Untersuchung richtet sich danach, welche Symptome vorherrschend sind. Häufig ist zu Beginn der Hausarzt oder HNO-Arzt der erste Ansprechpartner. Im Verlauf der Diagnostik werden oft weitere Fachärzte wie Rheumatologe, Nephrologe (Nierenspezialist) und Lungenfacharzt hinzugezogen. Besteht der Verdacht auf eine Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener), wird eine entsprechende Labordiagnostik durchgeführt. Dazu wird eine Blutentnahme durchgeführt und eine Urinprobe gewonnen. Typische Veränderungen sind:
Als weitere diagnostische Verfahren können bei speziellen Fragestellungen Ultraschalluntersuchung, Röntgenuntersuchung, Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) angewendet werden. Darüber hinaus kann die feingewebliche (histologische) Untersuchung von Gewebeproben Klarheit bringen, weil sie für die Erkrankung typische Veränderungen im Gewebe zeigt. Das Gewebe wird mittels einer sogenannten Biopsie gewonnen. Betroffene Organe wie die Lunge und die Bronchien, die Nieren, die Nerven, die Haut oder die Muskulatur können durch Biopsien untersucht werden.
Erkrankungen, die ähnliche Symptome wie die Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener) auslösen können, sind die Panarteriitis nodosa, das Churg-Strauss-Syndrom und andere mit ANCA in Verbindung stehende Gefäßentzündungen.
Bei Lungen- und Atembeschwerden entsteht zunächst oft der Verdacht auf einen Lungentumor (Bronchialkarzinom). Verschattungen im Röntgenbild der Lunge sind hierfür erste Anzeichen. Eine Spiegelung der Bronchien (Bronchoskopie) bringt oft keinen endgültigen Befund. Im Zweifelsfall muss eine Lungenbiopsie (Entnahme einer Gewebeprobe) durchgeführt werden.
Die Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener) ist nicht heilbar, aber therapierbar. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie ist entscheidend, um Langzeitschäden wie ein Nierenversagen zu vermeiden. Die Behandlung erfolgt in erster Linie mit Medikamenten. Dabei wird eine Kombination aus einem Cortison-Präparat und einem Wirkstoff, der das Immunsystem unterdrückt (Immunsuppressivum), gegeben.
In der Akutphase ist das Ziel, die Krankheitsaktivität zu bremsen und damit die Symptome zu lindern. Je nach Schwere der Symptome wird Prednisolon (Cortison) mit Cyclophosphamid, Rituximab, Methotrexat oder Mycophenolat-Mofetil kombiniert. Nach Abklingen der Akutphase wird in der Erhaltungsphase (mindestens zwei Jahre) Prednisolon meist mit Azathioprin zusammen gegeben. In bestimmten Fällen (beispielsweise bei einem chronischen Befall der Nasenschleimhaut mit Staphylokokken) werden auch Antibiotika eingesetzt.
Welche weiteren Therapien möglicherweise durchgeführt werden, ist abhängig von zusätzlichen Organsymptomen wie zunehmendem Nierenversagen oder Lungenblutungen. Hier kann eine sogenannte Plasmapherese hilfreich sein. Dieses Verfahren filtert die schädlichen Antikörper aus dem Blut. Auch eine Dialyse kann notwendig werden. Letzte Option bei vollständig geschädigten Nieren ist eine Nierentransplantation.
Bei ungefähr der Hälfte der Patienten kommt es zu Rückfällen mit akuten Krankheitsschüben. Durch eine konsequente und regelmäßige Nachsorge werden diese in der Regel früh erkannt. Dann ist eine erneute Behandlung notwendig. Häufig ist es in diesen Fällen sinnvoll und effektiv, die Wirkstoffkombination im Vergleich zur vorherigen Therapie zu wechseln.
Eine gezielte Vorbeugung ist nicht möglich, da die Ursachen und Entstehungsmechanismen der Granulomatose mit Polyangiitis noch nicht ausreichend bekannt sind.
Die Prognose ist umso besser, je früher die Behandlung beginnt. Unbehandelt versterben die meisten Patienten innerhalb eines Jahres, da es aufgrund der fortschreitenden Nierenentzündung zum Nierenversagen kommt. Auch mit Therapie versterben bis zu zehn Prozent der Betroffenen im ersten Jahr. Hauptgrund hierfür sind Infektionen, für die die Patienten durch die Einnahme von Mitteln zur Hemmung des Immunsystems (Immunsuppressiva) anfälliger sind. Bei frühzeitig einsetzender Therapie kann in 75 Prozent der Fälle eine vollständige Rückbildung der Symptome erreicht werden. Rückfälle (Rezidive), die eine erneute Behandlung erfordern, kommen allerdings häufig vor. Bei adäquater Behandlung überleben 85 Prozent der Betroffenen die nächsten fünf Jahre. Die Lebenserwartung ist vor allem vom Ausmaß einer möglichen Nierenschädigung abhängig.
aktualisiert am 23.06.2023